Dubioser Aargauer Arzt vermittelt Impfstoff an ausländische Regierungen – Gesundheitsbehörden wussten von nichts

Auf der ganzen Welt ist der Corona-Impfstoff knapp ‒ davon versucht laut «Blick» ein dubioser Aargauer Arzt zu profitieren. Der Mann, der gemäss Handelsregister in Bünzen eine Firma registriert hat, soll ausländischen Regierungen mehrere Millionen Dosen von Biontech und Astrazeneca angeboten haben. Dies offenbar zu massiv höheren Preisen, als sie die Hersteller der Impfstoffe verlangen.

Über die fragwürdigen Geschäfte des Mannes, der in Deutschland einen 24-Stunden-Heimpflegedienst betreibt und laut Angaben auf dessen Website während des Balkankriegs aus Bosnien flüchtete, berichtete kürzlich auch das Recherchemagazin «Frontal21» des Zweiten Deutschen Fernsehens ZDF. Bei einem Treffen in einem Stuttgarter Luxushotel wurde ein Gespräch mit Doktor O. mit versteckter Kamera aufgenommen.

Hersteller bestreiten Vertrieb von Impfstoffen über Zwischenhändler

Dabei sagte er, es sei kein Problem, mehrere hunderttausend Dosen von Astrazeneca oder Biontech zu beschaffen. Ob der Arzt tatsächlich über den Impfstoff verfügt und woher er diesen beschafft, ist unklar. Astrazeneca hält gegenüber dem «Blick» fest, man verkaufe die Vakzine ausschliesslich an nationale Regierungen, es gebe keine Lieferungen für den privaten Verkauf. Dasselbe schreibt Biontech in einer Stellungnahme gegenüber dem ZDF ‒ wenn Impfstoffe von Privaten angeboten würden, handle es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um Fälschungen.

Das amerikanische Grosshandelsunternehmen Akers Nanotechnology hält hingegen fest, man habe eine Lizenz von Astrazeneca und verhandle auch mit anderen Impfstoffherstellern über Mengen, Preise und Lieferdaten ihrer Covid-19-Vakzine. Im ZDF-Beitrag wird auch die deutsche Firma CS Diagnostics genannt, die als Zwischenhändlerin für Biontech-Impfstoff agieren soll. Politiker kritisieren, wenn die Hersteller tatsächlich ihre Vakzine zu massiv höheren Preisen über Vertriebspartner verkauften, statt ihre Lieferverpflichtungen gegenüber den Staaten zu erfüllen, sei dies Vertragsbruch und grenze an ein Wirtschaftsverbrechen.

Kaufanfragen von Ländern an Firma von Doktor O. mit Sitz in Bünzen

Den Fernsehreportern des ZDF liegen Absichtserklärungen verschiedener Länder vor, die beim dubiosen Arzt zum Teil mehrere Millionen Impfdosen bestellen wollten. Demnach sollen die Slowakei und die Dominikanische Republik für eine Million Dosen angefragt haben, Barbados für 600’000, Bosnien für 500’000, mehrere italienische Regionalregierungen für insgesamt vier Millionen und Libyen gar für sechs Millionen. Adressiert sind diese sogenannten Letters of Intent der Länder an die Schweizer Firma des Mannes, wie der «Blick» schreibt.

An der angegebenen Adresse der Firma in Bünzen fanden die Reporter aber weder einen Firmensitz, noch eine Arztpraxis, sondern nur einen von Hand angeschriebenen Briefkasten. Die Schweizer Firma von Doktor O. wurde im Dezember 2017 gegründet, laut Handelsregister bezweckt sie «den Betrieb einer ärztlichen Praxis, die Vermittlung von ärztlichen Dienstleistungen, Forderungs- und Inkassomanagement für Arztpraxen sowie sämtliche unmittelbar oder mittelbar damit zusammenhängende Tätigkeiten».

Justiz in Italien ermittelt gegen Angestellten des dubiosen Arztes

Der dubiose Doktor O. ist Geschäftsführer des Unternehmens und auf der Website als Arzt aufgeführt, bei ihm können auch online Termine gebucht werden. Gegen ihn selber laufen offenbar keine Verfahren wegen der möglicherweise illegalen Vermittlung der Corona-Impfstoffe. In der italienischen Provinz Umbrien ermittelt die Staatsanwaltschaft laut ZDF aber gegen einen Angestellten des Schweizer Unternehmens von Doktor O., der sich als Vertreter von Astrazeneca ausgegeben hatte.

Eine eigene Praxis hat Doktor O. im Aargau gemäss Recherchen der AZ nicht, er war aber offenbar in mehreren Gesundheitszentren tätig. Der 52-jährige Mann, der laut Angaben auf seiner Website schon als Teamarzt bei der Radrundfahrt Tour de France und als Arzt beim Tennisturnier von Roland Garros in Paris tätig war, hat im Aargau aber seit 2016 eine Berufsausübungsbewilligung.

Doktor O. ist im Aargau für die Mobilen Ärzte im Einsatz

Der Fall des dubiosen Doktor O., der möglicherweise überteuert und illegal Corona-Impfstoffe über seine Firma in Bünzen vermittelt hat, war den Aargauer Gesundheitsbehörden bisher nicht bekannt. Man werde der Sache nachgehen, teilt Maria Gares, Sprecherin des kantonalen Gesundheitsdepartements, auf Anfrage dieser Zeitung mit.

Laut Gares ist Doktor O. im Aargau für die Mobilen Ärzte im Einsatz ‒ tatsächlich taucht sein Name auf der Website des 24-Stunden-Notfalldienstes auf. Die Sprecherin bestätigt, dass der Mann im Aargau über eine Berufsausübungsbewilligung verfügt und kündigt an, auch seine Vertrauenswürdigkeit als Arzt werde geprüft.