
Eglis Ausstiegsszenario, Kiffer-Fragen und wie es die SP Frauen nie mehr soweit kommen lassen wollen
Normalerweise herrscht in einer Partei Freude und Aufbruchstimmung, wenn gerade der eigene Regierungsratskandidat auserkoren worden ist. In der SP ist das diesmal etwas komplizierter. Zwar freuen sich fast alle für Dieter Egli, der am Wochenende seine internen Konkurrenten Marco Hardmeier und Franziska Graf im ersten Wahlgang derart distanziert hatte, dass diese aufgaben.
Doch die Freude wird getrübt durch das Scheitern der Frauenkandidatur und die schonungslose Kritik von Co-Fraktionschefin Claudia Rohrer. Die Parteileitung habe in der Frauenfrage versagt und die Frauenkandidatur geschwächt, kritisierte sie am Montag.
Rohrer sprach aus, was einige Sozialdemokratinnen denken, aber dem Frieden zuliebe nicht mal parteiintern kundtun. Eine der wenigen, die sich ebenfalls offen äussert, ist die Aarauer SP-Grossrätin Silvia Dell’Aquila. Auf Facebook schreibt sie: «Es ist exemplarisch: Von den dreien, die sich zur Wahl stellen, fallen die Frau und der Schwule raus. Man mutet dem Volk sehr wenig zu.» Auf Nachfrage meint die VPOD-Regionalleiterin: «In einem Milizsystem ist die Personalpolitik einer Partei entscheidend. Diese wurde in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt.» Dell’Aquila hinterfragt die Personalpolitik der SP nicht erst seit gestern. 2017 trat sie selber als wilde Kandidatin für die Stadtratswahlen Aarau an.
«Ein Armutszeugnis»
Im aktuellen Fall findet die SP-Politikerin, sei das Nominierungsverfahren von Anfang an falsch aufgegleist worden. Man hätte spätestens vor einem Jahr überlegen müssen, wie man die Nachfolge von Urs Hofmann angehen wolle. «Wenn es das Ziel gewesen wäre, eine Frau aufzustellen, hätte man das dementsprechend vorbereiten und mögliche Kandidatinnen aufbauen sollen.» Es sei auch ein Armutszeugnis, dass man die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr hätte holen müssen für eine Findungskommission.
Diese Findungskommission befragte die drei Kandidaten und gab darauf einen Bericht zuhanden der SP-Geschäftsleitung ab. Was darin stand, wissen auch die Betroffenen nicht. Mangelnde Transparenz monierte schon Claudia Rohrer. Durchgesickert ist, dass zum Teil auch sehr persönliche Fragen gestellt wurden; wie etwa, ob in der Familie jemand kiffe. Findungskommissionsleiterin Jacqueline Fehr war gestern nicht erreichbar für Erläuterungen. SP-Präsidentin Gabriela Suter betont in einer Stellungnahme, die Kommission sei zum Schluss gekommen, alle Kandidierenden seien «motiviert und fähig» für das Amt.
Dieter Egli erwog sogar Rückzug als Kandidat
Wie brisant die Frauenfrage in der SP ist, unterstreicht ein Ausstiegsszenario, das sich Dieter Egli gemäss Informationen überlegt hatte. Als die Resultate am Samstag bekannt wurden, sprachen die drei Kandidaten kurz per Videokonferenz miteinander, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Franziska Graf machte sofort klar, dass sie nicht mehr zum zweiten Wahlgang antreten werde. Der Rückstand auf Egli (76 zu 112 Stimmen) war ihr zu gross. Bei einem knapperen Ausgang dagegen hätte sich Dieter Egli trotz Führung vorbehalten, sich zurückzuziehen und der Frau den Vortritt zu lassen. Egli wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren.
Klar ist: Nach dem deutlichen Resultat im ersten Wahlgang gab es für Egli keinen Grund mehr für einen Rückzug. «Ich fühle mich durch das Ergebnis breit abgestützt und getragen von der Basis, so dass ich mit Überzeugung ins Regierungsratsrennen gehen kann», sagt er. Am 15. Mai muss er sich noch formell bestätigen lassen durch die Delegierten. Dem geplanten Video-Hearing am nächsten Samstag will er sich stellen, auch ohne Konkurrenz.
SP Frauen: Kein Öl ins Feuer, aber …
Im Vorfeld erteilten die SP Frauen einer Männerkandidatur eine kategorische Absage. Nun sagt Co-Präsidentin Mia Gujer: «Der Entscheid fiel basisdemokratisch, darum akzeptieren wir ihn.» Soweit dürfe es aber nie mehr kommen. Die SP Frauen fordern von der Geschäftsleitung ein Lösungskonzept für zukünftige Wahlen. «Die Partei muss rechtzeitig Frauen fördern und aufbauen.» Es könne nicht sein, dass man erst ein halbes Jahr vorher überlege, wer antreten könne.