
Ein Kanton im Kampf um die Energiewende: Aargauer Windparkprojekte sind umstritten
Die einen sehen sie als technologischen Fortschritt, der sich ästhetisch in den Himmel streckt und saubere Energie repräsentiert. Andere fürchten zerstörte Landschaften und tote Vögel. Die Realisierung von Windkraftanlagen in der Schweiz polarisiert. Es scheint keine Kompromisse zu geben, nur schwarz oder weiss, ja oder nein. Nicht selten müssen sich Gerichte mit solchen Projekten befassen und der Planungsprozess steht oft jahrelang still.
Das führt unter anderem dazu, dass die jährlichen Stromerträge aus Windenergie hierzulande weit unter dem eigentlichen Potenzial liegen. Das bestätigt die Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz am 13. Juli 2021 mit den neusten Statistiken. Bereits in den ersten sechs Monaten dieses Jahres produzierten die 41 Schweizer Windräder 22 Prozent mehr Elektrizität, als Expertinnen und Experten ursprünglich budgetiert haben und erzielen damit Rekorderträge.
Aktuell steht in der Schweiz bei 68 Windkraftprojekten ein Bundesgerichtsentscheid aus. Würden diese realisiert werden, könnten in der Schweiz jährlich rund 40’000 Personen mit Elektrizität aus Windkraft versorgt werden. Dieses Potenzial möchte der Bundesrat ausschöpfen. Und zwar bis spätestens 2050. Konkrete Ziele dafür wurden 2017 mit der Energiestrategie 2050 gesetzt. Diese hält unter anderem fest, dass künftig rund sieben Prozent des gesamten Stromverbrauches der Schweiz durch Windkraftanlagen erzeugt werden soll.
Im Aargau hat die Energiewende einen schweren Stand
Damit dieses Vorhaben gelingt, müssen die Kantone mitarbeiten. Auch der Aargau möchte den Bund mit eigenen Massnahmen bei der Erreichung dieser nationalen Ziele unterstützen. Doch bei der Betrachtung der Abstimmungsergebnisse vergangener Initiativen und Vorlagen zu Energie- und Klimathemen wird schnell klar: Der Aargau macht es der Energiewende schwer. Als einer von vier Kantonen sagte er 2017 Nein zur nationalen Energiestrategie 2050. Auch das kürzlich abgelehnte CO2-Gesetz scheiterte hier, und im Jahr 2020 lehnte die Bevölkerung die neuen kantonalen Energieziele des Aargaus ab.
Von diesen Ergebnissen wollen sich Kantonsregierung und Expertinnen und Experten nicht beirren lassen. Der Aargau ist zwar, verglichen mit den Kantonen Graubünden oder dem Jura, nicht für besonders gute Windverhältnisse bekannt. Dennoch wird am Ausbau dieses Energieträgers festgehalten. 50 Gigawattstunden sollen langfristig mittels Windkraftanlagen produziert werden, lautet eines der kantonalen Energieziele. 50 Gigawattstunden, oder ein Jahr lang Elektrizität für rund 12’500 Haushalte à vier Personen. Dafür hat der Grosse Rat – so verlangt es das Verfahren zur Realisierung von Windparks im Aargau – fünf Gebiete im Richtplan festgelegt, die sich für solche Windparkprojekte eignen würden.
Zwei Projekte weit fortgeschritten
«50 Gigawattstunden ist nichts, was die Welt erzittern lässt, das muss man auch sagen. Aber es ist mehr, als wir heute haben, und es wäre ‹nice to have›», sagt Boris Krey, Leiter Energiewirtschaft der Abteilung Energie des Kantons Aargau. Schön zu haben und vor allem nicht unrealistisch: «Ein Monitoringbericht aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass wir relativ fortschrittlich unterwegs sind. Er macht einen Abwärtstrend beim Stromverbrauch deutlich, und auch beim Ausbau von erneuerbaren Energien geht es vorwärts», sagt Krey.
So gäbe es zwei Aargauer Windparkprojekte, deren Planung bereits weit fortgeschritten sei. Es handelt sich dabei um den Windpark Burg im Fricktal und jenen auf dem Lindenberg im Freiamt. Beide Parks würden mit jeweils fünf Windrädern in Grenzgebieten zu anderen Kantonen gebaut werden. «Diese Anlagen könnten einen Grossteil dieser 50 Gigawattstunden erbringen, wenn sie realisiert würden», sagt Krey.

Diese Visualisierung der AEW Energie AG zeigt, wie die geplanten Windräder auf dem Lindenberg aussehen könnten.
Auch die besten Projekte kämpfen gegen Widerstand
Ob und wann diese geplanten Windparks gebaut werden können, kann Boris Krey nicht beantworten. Es besteht die Möglichkeit, dass auch diese beiden Projekte vor Gericht landen und sich die Realisierung um Jahre verzögert. Der Grund, weshalb die meisten Windparkprojekte für heftige Diskussionen sorgen, sind die Anliegen von vielen verschiedenen Interessengruppen, die in eine solche Planung miteinfliessen. Meist betreffen sie die Finanzen und das Landschaftsbild der Standortgemeinden, den Natur- und Landschaftsschutz, Grundwasserquellen oder Befürchtungen bezüglich Lärm und Schattenwurf der Windturbinen.

Abklärungen zu diesen Themen sind auch für das Projekt Burg in der Gemeinde Oberhof und jenes auf dem Lindenberg in der Gemeinde Beinwil nötig. Auch in diesen Standortgemeinden gibt es viel Gegenwind. Das sei, so Boris Krey, kein Aargauer Phänomen:
«Grosse Skepsis, Kritik und Angst bei der Umsetzung von Windparkprojekten erleben wir in vielen Kantonen.»
Umso wichtiger sei es, diese Anliegen ernst zu nehmen und die verschiedenen Interessengruppen so früh wie möglich in den Prozess miteinzubinden. Erst kürzlich hätte das Bundesamt für Energie eine Studie zu dieser Thematik veröffentlicht. «Die Studie zeigt deutlich, dass es durchaus erfolgreiche Windkraftprojekte gibt. Vor allem, wenn die Bevölkerung der Standortgemeinden früh informiert wird, sie partizipieren darf und ihre Ängste intensiv diskutiert werden», führt Krey aus.

Die Beinwiler Bevölkerung hilft mit, das Projekt zu verbessern
Ein gutes Beispiel für eine frühe und vorbildliche Einbindung verschiedener Interessengruppen sei das Projekt auf dem Lindenberg, sagt Krey. Für Projektleiter Roland Eichenberger von der AEW Energie AG ist das selbstverständlich. «Ein Windparkprojekt steht und fällt mit seiner Umgebung. Transparenz war uns von Anfang an wichtig. Wir wollten nicht im stillen Kämmerlein etwas ausbrüten und dann das fertige Projekt präsentieren.»
Schon früh hätten sie deshalb in Beinwil mit dem ersten Interessensgruppenprozess gestartet. Nebst dem vorgeschriebenen Mitwirkungsverfahren organisierten die Verantwortlichen zusätzliche Informationsveranstaltungen und bildeten eine Begleitgruppe mit Mitgliedern aus der Beinwiler Bevölkerung sowie eine Steuerungsgruppe mit Vertretern aus Gemeinderat und Kanton.
Dieser frühe Austausch mit der Bevölkerung brachte auch für die Projektanten einige Vorteile. Eichenberger erklärt:
«Es sind diverse Vorschläge eingegangen, die das Projekt sogar verbessert haben. Zum Beispiel, was die Positionierung der Anlagen betrifft.»
Ursprünglich habe man die vier 229 Meter hohen Anlagen auf Aargauer Boden – das fünfte Windrad soll als separates Projekt in der Gemeinde Hitzkirch im Kanton Luzern zu stehen kommen – nach Vorschrift unter Beachtung der Gewässerschutzzonen geplant. Gesetzlich wären die Bauten auch in der äussersten Grundwasserschutzzone erlaubt, «doch nach dem Austausch mit der Begleitgruppe sind wir da subtiler vorgegangen und haben die Standorte der Windräder unter Beachtung der Ergebnisse eines Grundwassermarkierversuches festgelegt und so einen Schutz erreichen können, der über die Vorschriften hinaus geht», führt der Projektleiter aus.

Albert Betschart, Gemeindeammann von Beinwil Freiamt, ist in der Sache Windpark Lindenberg neutral.
Der Windpark Lindenberg ist heute ein Regionalprojekt
Auch für die Wildtiere sei zusammen mit den örtlichen Jägern eine Lösung gefunden worden. Zudem werde mit den neuen Erdkabeln auch ein Trinkwasseranschluss ans Reusstal verlegt, damit man in Zukunft nicht noch einmal graben müsse. «Wir probieren, möglichst für alle eine Win-win-Situation zu erreichen. Heute ist der Windpark Lindenberg nicht mehr nur ein Energieprojekt. Es ist ein Regionalprojekt», sagt Eichenberger.
Diese Entwicklung und Einbettung des Projektes in die Region kommt beim Beinwiler Gemeinderat gut an. Eine transparente Information war Gemeindeammann Albert Betschart von Anfang an ein grosses Anliegen. Er erklärt:
«Ich möchte auf keinen Fall, dass es deswegen eine Spaltung der Bevölkerung gibt, so wie wir das vor einigen Jahren bei der Abstimmung über den Golfplatz erlebt haben.»
Wohl der Bürger ist wichtiger als finanzieller Vorteil
Der Gemeinderat selbst sei in dieser Sache neutral. «Ich habe von Anfang an gesagt: Es ist nicht Sache des Gemeinderates, dieses Projekt voranzutreiben. Wir bieten den Projektanten die Plattform, aber schlussendlich muss jeder Bürger für sich entscheiden, ob er Ja oder Nein stimmen möchte.» Ein Vorteil des Windparks in Beinwil wäre der finanzielle Zustupf, wie Betschart zugibt. «Ich stelle das aber nicht vor das Wohl der Bürger.» Ein weiterer Vorteil sei in seinen Augen, dass man damit etwas zur Energiewende beitragen und einer drohenden Stromlücke im Winter entgegenwirken könne.
Gemeindeammann Betschart kann aber auch die Gegnerinnen und Gegner dieses Vorhabens verstehen. «Es ist eine persönliche Wahrnehmung, mit der jeder anders umgeht. Wenn die Gegnerschaft mit korrekten und nachvollziehbaren Argumenten kämpft, kann ich das immer verstehen. Aber wenn jemand mit Fakten argumentiert, die nicht stimmen, dann habe ich etwas dagegen», sagt er.
Windparkgegner sorgen sich um die Wasserversorgung
Im Fricktal sind die Bedenken rund um den geplanten Windpark Burg gross. Seit etwa 12 Jahren setzen sich die rund 300 Mitglieder der Gegnervereinigung Pro Burg dafür ein, dass die geplanten fünf Windräder – vier davon auf Solothurner Boden in der Gemeinde Kienberg und eines in Oberhof im Aargau – nicht realisiert werden. Dass ihre Argumente auf korrekten Fakten basieren, davon ist Peter Bircher, Mitinitiant von Pro Burg, überzeugt. «Wir haben uns wirklich bemüht, Fachleute anzuhören, vor allem bezüglich Landschaftsschutz und Lärm», erzählt der Fricktaler. Ihm sowie auch den anderen Vereinsmitgliedern liegt ihre Heimat sehr am Herzen. «Es geht uns um die ganze Zerstörung, die hier durch die Erschliessung des Gebietes passiert, nur damit die Windräder überhaupt erst gebaut werden können», sagt er.
Wie die Gegnergruppierung Pro Lindenberg im Freiamt sorgt sich auch Pro Burg um den Naturraum und die Wasserversorgung der Gemeinden. Bircher sagt:
«Unsere Wasserversorgung verläuft direkt durch das geplante Einzugsgebiet. Quellwasser, das gratis aus dem Berg läuft.»
Vor allem für die unzähligen Bauernhöfe in Oberhof und der Nachbargemeinde Wölflinswil sei diese lebensnotwendig. Dazu käme, dass auf dem Höhenzug Burg die seltene Grosse Hufeisennase, eine vom Aussterben bedrohte Fledermausart,lebe.
Gemeinderat Oberhof muss 45 Einsprachen abhandeln
Dass die vier Anlagen des geplanten Windparks Burg, die auf Solothurner Boden stehen werden, gebaut werden können, das hat die Kienberger Bevölkerung im Dezember 2018 bereits mit 60 Prozent Ja-Stimmen gefestigt. Die Gemeinde Oberhof im Kanton Aargau stimmte im Juni 2013 erst dem Planungsvertrag zu. Aktuell befindet sich diese fünfte Anlage in Bearbeitung der insgesamt 45 Einsprachen, die bei der öffentlichen Auflage der Teiländerung Kulturplan, Bau- und Nutzungsordnung sowie zur Teiländerung des Gestaltungsplans und zum Baugesuch für den Windpark eingegangen sind. Für den Gemeinderat Oberhof bringt dieser Schritt vor allem juristische Herausforderungen mit sich.
«Für uns ist es schwierig zu entscheiden, wer überhaupt zur Einsprache legitimiert ist. Natürlich werden wir alle eingegangenen Anliegen abhandeln und beantworten. Aber so, wie die Rechtsprechung momentan geregelt ist, sind eigentlich nicht alle Leute dazu berechtigt», erklärt Oberhofs Gemeindeammann Roger Fricker. Ihm sei es besonders wichtig, dass bei diesem Verfahren keine rechtlichen Fehler passieren. «Aus diesem Grund haben wir uns auch die Unterstützung eines Juristen geholt.» Ob der Windpark schlussendlich von der Bevölkerung angenommen wird – letztlich hat bei jedem Windparkprojekt im Kanton Aargau die Bevölkerung der Standortgemeinde das letzte Wort – kann Fricker zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. «Aber zurzeit, glaube ich, ist eine Mehrheit im Dorf dafür.»

Diese Visualisierung der AEW Energie AG zeigt, wie die geplanten Windräder auf dem Lindenberg aussehen könnten. Sie wären wie hier auch auf dem Hämiker Berg zu sehen.
Gegner aus dem Fricktal würden auch vors Bundesgericht gehen
Bis zur Abstimmung kämpfen Peter Bircher und der Verein Pro Burg weiter gegen den Windpark an. «Wir haben bereits rund 90’000 Franken für Beratungen und Veranstaltungen ausgegeben. Jetzt brauchen wir wieder Geld, etwa 60’000 bis 80’000 Franken. Denn wenn wir den Fall vors Bundesgericht ziehen müssen – und das werden wir, wenn nötig – wird das sehr teuer», betont er.
Dem gebürtigen Fricktaler gehe es dabei aber nicht nur um das Projekt Burg an sich. Bircher sagt:
«Ich sehe das Ganze als eine grosse Fehlleistung. Die Schweiz ist kein Windland. Bei uns wird diese Form der Energie nie die gleiche Bedeutung haben wie in einem Küstenstaat wie Deutschland.»
Viel besser, so Bircher, wäre es, weiter in die Solarenergie zu investieren oder vermehrt auf Wasserkraftwerke zu setzen. Dort habe man nicht diese Unsicherheit des unberechenbaren Windes, und auch die Stromerträge seien besser.
Mit dem richtigen Windrad braucht es keine Küste
Dass die Schweiz kein Windland sei, dem widerspricht der Lindenberg-Projektleiter Roland Eichenberger: «Die Schweiz ist auch kein Solarland. In der Sahara wäre das viel besser.» Bei Windkraft komme es darauf an, in welchen Zonen man die Anlagen positioniere. «Und diese Zonen sind nicht, wie viele meinen, nur an den Küsten.» Je nach Windzone könne man einen anderen Windradtyp wählen und damit ebenfalls einen guten Ertrag erzielen. So liege der Lindenberg beispielsweise in einer IEC3-Zone, also in einem Binnenwindgebiet. «Man kann sich hier anpassen, indem man eine Anlage mit grösseren Rotorblättern wählt. So hat man mehr Fläche, um den Wind einzufangen», erklärt Eichenberger.
Ein Windkraftpionier setzte sich privat für Projekt ein
Von diesen Argumenten war auch Anton Suter einmal überzeugt. Er hat viele Jahre lang probiert, als Privatperson einen Windpark zu realisieren. Doch 2016 wurde sein weit fortgeschrittenes Projekt, der Windpark Kirchleerau/Kulmerau an der aargauisch-luzernischen Grenze, endgültig begraben. Zuletzt war der Windpark in den Händen der Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW), zuvor investierte Suter aber selbst viel Zeit und vor allem viel Geld in dieses Vorhaben. Heute würde er das nicht mehr tun. «Es ist eine sehr kostspielige Sache, wenn man das aus dem eigenen Sack bezahlen muss. Und auch enorm zeitaufwendig. Weit über 1000 Stunden habe ich mindestens in dieses Projekt gesteckt», erzählt er.
Zeit hätten vor allem die unzähligen Vorabklärungen gebraucht. Als Suter mit der Planung des Parkes begann, gab es keine anderen Projekte im Aargau, an denen er sich hätte orientieren können. «Die Abklärungen zu Stromabflüssen, Umweltverträglichkeit und auch die Windmessungen mussten wir selbst machen. Zudem brauchten wir eine Zusage des Kantons, dass sich dieser Standort überhaupt für Windräder eignet», sagt er und fügt an: «Einen gewissen Pioniergeist braucht es da schon.»
Sein eigenes Windrad ist ein Fass ohne Boden
Ein Windrad hat Anton Suter trotzdem realisiert. Auf der 24 Meter hohen Einzelanlagen in der Gemeinde Schmiedrued dreht es sich seit fast elf Jahren. «Das war ein Prototyp für das Projekt Kirchleerau/Kulmerau, um die Leute in der Umgebung mit Windrädern vertraut zu machen», erklärt Suter. Das Bewilligungsverfahren für dieses Windrad auf der Nütziweid sei nicht so kompliziert gewesen, wie es das für einen ganzen Park wäre. Da es sich nicht um ein Grossprojekt handelte, hätten dafür keine Änderungen im Richtplan eingetragen werden müssen.
Müsste er heute nochmals darüber entscheiden, würde Suter dieses Windrad nicht mehr bauen. «Oder sicher nicht mit eigenem Geld. Das ist ein Fass ohne Boden», sagt er. Das Windrad produziert rund 1000 Volllaststunden und damit nicht die Menge, die Suter sich zu Beginn erhofft hatte. Er sagt:
«Das ist zu wenig, man sagt, es müssten mindestens 1500 sein, damit es rentiert.»
Bei solchen Kleinanlagen sei der Investitions- und Betriebsaufwand für die Produktion für nur eine Kilowattstunde viel grösser, als bei grösseren Anlagen, die im Megawattbereich produzieren, sagt Roland Eichenberger von der AEW Energie AG. «Wären die vier Windenergieanlagen auf dem Lindenberg und die fünf Anlagen des Windparks Burg vom selben Typus wie jene auf der Nütziweid, würde man 4475 Stück davon benötigen, um die gleiche Energiemenge produzieren zu können», führt Eichenberger aus.

Anton Suter (links) und Urs Wölfli sind sich nicht ganz einig darüber, ob sich ihr Windrad in Schmiedrued
tatsächlich lohnt.
Nach wie vor glücklich über die Entscheidung, dieses Windrad zu bauen, ist Landwirt Urs Wölfli. Die Anlage steht auf seinem Grundstück und der produzierte Strom wird über seinen Bauernhof ins Netz eingespiesen. «Das ist absolut keine Fehlinvestition. Zusammen mit meiner Fotovoltaikanlage kann ich in den Sommermonaten fast meinen gesamten Stromverbrauch selbst produzieren», erzählt er begeistert.
«Wir müssen die Energieziele erreichen»
Dass es trotz der vielen Hindernisse wichtig sei, weiterhin für den Ausbau der Windenergie im Kanton Aargau zu kämpfen, davon ist Kantonsexperte Boris Krey überzeugt:
«Der Auftrag ist mit der Energiestrategie 2050 gegeben. Wir müssen die Energieziele erreichen, da kommen wir nicht drum herum.»
Doch nützen Windräder im eher windschwachen Kanton Aargau überhaupt zur Erreichung dieser Ziele? «Diese Frage ist berechtigt. Aber ich denke, es lohnt sich. Denn auch Kleinvieh macht Mist. Viele kleine Anlagen ergeben dann doch sehr viel Energie», erklärt Krey.
Und obwohl aktuell nur eines von 41 Schweizer Windrädern im Aargau steht, habe dieser Kanton eine Art Vorbildfunktion. «Was mich am Aargau sehr beeindruckt, sind die Details und mit wie viel Leidenschaft Firmen wie beispielsweise die AEW versuchen, die Bevölkerung miteinzubinden und Fakten zu schaffen, um auf alle subjektiven Anliegen einzugehen. Das läuft im Aargau sehr vorbildhaft.»
Dieser Artikel ist Teil der Bachelorarbeit von Melanie Burgener an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW. )
Energieziele im Aargau
Am 21. Mai 2017 stimmte die Schweiz der Energiestrategie 2050 zu. Nebst der Senkung des nationalen Energieverbrauches verlangt diese die Förderung der einheimischen erneuerbaren Energien sowie den Ausstieg aus der Atomkraft.
Um den Bund zu unterstützen, revidierte der Aargau sein kantonales Energiegesetz und brachte dieses im vergangenen Jahr an die Urne. Neu hätte der CO2-Ausstoss von Gebäuden gesenkt und unter anderem Elektroboiler in Wohnbauten bis in 15 Jahren ersetzt oder ergänzt werden sollen. Zudem sollte das revidierte Gesetz regeln, dass Neubauten künftig Teile ihres Energiebedarfes selbst decken müssen, beispielsweise mittels Fotovoltaikanlagen.
Das neue kantonale Energiegesetz wurde am 27. September 2020 an der Urne mit 50,9 Prozent der Stimmen abgelehnt. Nun liegt es am Kanton, dieses zu überarbeiten. Damit soll aber noch abgewartet werden. Einerseits respektiere man damit den demokratischen Entscheid des Volkes. Andererseits habe man abgewartet, wie die Abstimmung zum CO2-Gesetz ausgehen würde, erklärt Boris Krey vom Kanton Aargau. Was nun mit der Revision des Energiegesetzes passiere, sei nicht klar.