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«Ein so deutliches Resultat haben wir nicht erwartet»: Weshalb das Volk den 4-Millionenkredit für das Dorfzentrum ablehnt

«Ein so deutliches Resultat haben wir nicht erwartet»: Weshalb das Volk den 4-Millionenkredit für das Dorfzentrum ablehnt

Der Gemeinderat Leuggern will im Dorfzentrum unter anderem Räume der Begegnung schaffen. Doch der vorgelegte Kredit ist abgelehnt worden – nach einer geheimen Abstimmung. Zwei Punkte haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger besonders kritisiert. 

Alexander Wagner

Nicht bei allen Traktanden sind sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in Leuggern einig gewesen.

Das Protokoll der letzten Gemeindeversammlung wurde noch diskussionslos durchgewunken, doch danach ging es schnell ans Eingemachte: Während die Stimmbevölkerung den Planungskredit von 280’000 Franken für die Zentrumsentwicklung vor einem Jahr mit grosser Mehrheit genehmigte, hat sie dem Baukredit über vier Millionen Franken nun eine Abfuhr erteilt. Und dies nach einer geheimen Abstimmung, wie es sie seit Jahrzehnten in Leuggern nicht mehr gegeben hat.

Der Gemeinderat möchte das Zentrum mit Dorfkern rund um die Kirche, Primarschulhaus und Gemeindehaus deutlicher erlebbar machen und Orte der Begegnung bieten. Gemeindeammann Stefan Widmer präsentierte das Projekt am Mittwochabend und wies eindringlich darauf hin, dass die alten Wasserleitungen aus Gussmaterial zu klein seien und die Gefahr von Leitungsbrüchen gross sei. Allein die Sanierung würde rund 1,8 Millionen Franken kosten, und dies ohne jegliche Entwicklung des Zentrums.

Kritik an den hohen Kosten und der Parkplatzsituation

Die grossen Knackpunkte waren zum einen die hohen Kosten. Auch wenn die Verantwortlichen erklärten, dies könne man sich leisten, auch ohne Erhöhung des Steuerfusses. Der zweite Punkt, den die Meinungen weit auseinanderdriften liess, waren die Parkplätze. Heute parkieren jeden Tag zwischen 20 und 25 Autos rund um die Kirche. Zwar sind sich alle einige, dass dies weder schön noch wünschenswert ist. Doch die Parkplätze entsprechen einem echten Bedürfnis.

René Huber kennt die Verwaltung von innen her, war er doch 16 Jahre Gemeindeschreiber, heute leitet er das Asana Spital. «Wir haben immer mehr ambulante Patienten. Auch die Physiotherapie wurde ausgebaut», erklärt der langjährige OK-Präsident der Gippinger Radsporttage. «Ich stehe voll und ganz hinter der Aufwertung des Zentrums. Aber auf Detailstufe ist noch zu wenig klar. Wir haben das Bedürfnis, dass die Leute nahe zu uns hinfahren können, zumal viele nicht gut zu Fuss sind», betonte Huber.

Mehrverkehr wegen Einzug der Post in Volg-Gebäude erwartet

In das Gebäude des Volgs kommt auch noch die Post, was wohl zu noch mehr Verkehr und damit mehr Bedarf nach Parkplätzen mit sich zieht. «Wir bräuchten eher mehr als weniger Parkplätze», war denn auch das klare Votum der Gewerbetreibenden. «Kam das Projekt gar zu früh, ist es zu wenig ausgereift?», warf ein Votant in die Runde und erhielt dafür viel Applaus.

Als die zahlreichen Wortmeldungen der 120 anwesenden Stimmberechtigten scheinbar abgearbeitet wurden, kam der Antrag, die Abstimmung geheim durchzuführen. Dafür braucht es die Zustimmung eines Viertels der anwesenden Stimmberechtigten, also 30. 38 stimmten dafür, die Abstimmung nicht offen durchzuführen. Das hat es in Leuggern seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, der Gemeinderat schien einigermassen überrascht.

Gemeindeschreiber Stefan Kalt und die Stimmenzählerinnen hatten die Urnen jedoch flugs zur Hand und die Wahlzettel wurden verteilt. Das Resultat war ziemlich klar: 48 waren dafür, 72 lehnten den Kredit von vier Millionen Franken ab. «Damit ist das Projekt bis auf weiteres auf Eis gelegt», konstatierte Gemeindeammann Widmer trocken. Nach der Versammlung meinte er:

«Ich habe keine geheime Abstimmung erwartet. Wenn schon, dann eher noch einen Rückweisungsantrag. Das es knapp wird, damit haben wir gerechnet. Dass das Resultat so deutlich ausfiel, haben wir aber nicht erwartet.»

Dieser Beschluss untersteht wie alle anderen dem fakultativen Referendum. Also könnte ein Urnenentscheid herbeigeführt werden. Doch damit rechnet in Leuggern niemand.

Zum Schluss hat es noch versöhnliche Töne gegeben

Danach war die Luft etwas draussen. Zum neuen Parkierungsreglement kamen nur noch vereinzelte Fragen, ob dies in allen Weilern wirklich nötig sein. Es wurde mit 95 zu 17 ganz deutlich angenommen. Auch das Budget für das nächste Jahr mit gleichbleibendem Steuerfuss von 107 Prozent gab keinen Anlass zu Diskussionen. Das Defizit von 538’000 Franken erklärt sich zu einem grossen Teil aus dem ausbleibenden Finanzausgleich des Kantons.

Zum Ende der turbulenten Gemeindeversammlung gab es noch versöhnliche Töne: Gemeinderat Robert Erne wurde nach sechs Jahren mit einem Geschenk und den besten Wünschen verabschiedet.

Gemeinderat Robert Erne tritt Ende Jahr ab.

Nach 22 Uhr ging der eine oder andere nachdenklich in die kalte Nacht hinaus.