
Ein Vergleich machte den Aargau statistisch zur Schweizer Waffenhochburg – doch es ist alles ganz anders
Der Artikel gab im Kanton der Schützen viel zu reden. Der «Tages-Anzeiger» hatte am 3. Dezember 2018 berichtet, der Aargau stelle schweizweit am meisten Waffenerwerbsscheine im Verhältnis zur Einwohnerzahl aus. Im Aargau seien im Jahr 2017 total 5134 Waffenerwerbsscheine abgegeben worden. Das seien 7,7 neue Waffen auf tausend Personen – ein einsamer Schweizer Rekord bei einem Durchschnitt von 4,5.
Dieser vermeintliche Waffen- und Waffenerwerbsrekord führte auch zu einer Interpellation im Grossen Rat. Martin Brügger (SP) und 42 weitere Grossrätinnen und Grossräte wollten von der Regierung wissen, warum die Aargauerinnen und Aargauer so überdurchschnittlich viele Waffen kaufen und ob da nicht Handlungsbedarf bestehe.
Jetzt gibt der Regierungsrat Entwarnung. Es stimmt zwar, dass im Aargau mehr Waffen als in anderen Kantonen gekauft werden. Aber die im «Tages-Anzeiger» veröffentlichte Zahl ist falsch, der Aargau ist nicht Rekordhalter, sondern liegt mit 5,3 neuen Scheinen auf 1000 Einwohner nur leicht über dem schweizerischen Schnitt.
Falsche Zahlen
Im Schweizer Waffenrecht gibt es drei Kategorien für den Erwerb und den Besitz von Waffen. Es gibt Waffen, die man erst nach dem Kauf bei der kantonalen Behörde melden muss. Es gibt Waffen, die man erst kaufen darf, wenn eine Bewilligung vorliegt. Und es gibt Waffen, die grundsätzlich verboten sind. Staatsangehörigen aus Serbien, Bosnien, Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Türkei, Sri Lanka, Algerien und Albanien ist es gesetzlich untersagt, Waffen zu kaufen.
In ihren Publikationen weist die Kantonspolizei jeweils sämtliche Waffentransaktionen aus. In diesen Angaben sind also zwei Kategorien von Waffen enthalten; solche, für die ein Waffenschein ausgestellt worden ist, wie auch solche mit bloss meldepflichtigem Besitzwechsel.
Im Artikel des «Tages-Anzeigers» wurden die Angaben des Kantons Aargau über sämtliche Waffentransaktionen übernommen. Bei allen übrigen Kantonen wurde aber nur die Kategorie der Waffen mit Waffenerwerbsschein aufgeführt.
Dieser verzerrte Vergleich führte dazu, dass der Kanton Aargau plötzlich in der Statistik als Waffenhochburg erschien.
Kein Bedürfnisnachweis nötig
Mit tatsächlich 5,3 ausgestellten Waffenerwerbsscheinen pro 1000 Einwohner liegt der Kanton Aargau immer noch leicht über dem schweizerischen Durchschnitt von 4,5. Die Gründe dafür seien der Kantonspolizei nicht bekannt, erklärt der Regierungsrat in der Antwort auf die Interpellation.
Das schweizerische Waffenrecht verlangt als Voraussetzung für den Waffenerwerb die Waffentauglichkeit der gesuchstellenden Person. Der Erwerbsgrund muss nicht angegeben werden. Ebenso ist ein Bedürfnisnachweis nicht erforderlich. Mit einem Waffenerwerbsschein können maximal drei Waffen bewilligt werden.
Wer eine Waffe verkauft oder sonst weitergibt, ist gesetzlich verpflichtet, dies der zuständigen Behörde zu melden. Diese Meldung enthält Angaben über Waffenart, Marke, Modell, Kaliber und Identifikationsnummer sowie den Namen des neuen Besitzers.
Mit diesen Informationen wird der Waffenbestand im Kanton Aargau erfasst: So wurden im Jahr 2017 insgesamt 6599 Waffen und Waffenbestandteile übertragen; total waren damit im Aargau 64 893 Waffen auf 16 482 Personen registriert.
Viele Waffensammler
Auffällig ist, dass es im Aargau rund 20 umfangreiche private Waffensammlungen gibt; die grösste umfasst 1900 Waffen aller Art. Über die Grösse und Art der Dunkelziffer der nicht gemeldeten Waffen gebe es keine verlässlichen Informationen, hält der Regierungsrat fest. Aber es gebe auch keinerlei Hinweise dafür, dass sich diesbezüglich die Situation im Aargau anders oder gar schlechter präsentiere als in der übrigen Schweiz.
Alles in allem sieht der Regierunsrat zurzeit keinen Handlungsbedarf, nachdem die Statistik nun korrigiert ist. Die Sicherheitslage werde im Aargau weder durch registrierte noch durch nicht registrierte Schusswaffen in einer relevanten Art und Weise beeinträchtigt. Die grosse Mehrheit der schweren Straftaten gegen Leib und Leben werde nicht mit Schusswaffen verübt.