
Eine Reise zu Perlen, Oasen und Juwelen
Slogan: Kurz, knapp und knackig sollte er sein. Und auf das Positive fokussieren. Wer die Claims der Aargauer Gemeinden liest, wandert nicht durch Betonwüsten und landet in keiner Steuerhölle.
Der Aargau beginnt in Moosleerau. Sagt die Gemeinde Moosleerau. Sie ist eine der 86 Gemeinden im Kanton Aargau, die sich mit einem Claim verkaufen. Einem kurzen, einprägsamen Werbespruch – im Idealfall mit hohem Wiedererkennungswert.
Dieser Text ist eine Reise entlang von Flüssen und Tälern, auf Hügel und zu den Sternen. Wir treffen auf eine Oase, ein Juwel, zwei Perlen. Und auf ganz viele Adjektive. Der sprachliche Streifzug startet also in Moosleerau im Bezirk Zofingen – der offenbar zentralsten Region im Aargau. Naturnah und zentral wohnen die Reitnauer, Aarburg liegt zentral ideal, Oftringen sogar genial zentral. Und die Schöftler finden: Vielfalt ist zentral.
Einfältige Vielfältigkeit
Die eigene Vielfalt zu betonen, ist ein Anliegen vieler Gemeinden. Zwei haben dafür ironischerweise die gleichen Worte gefunden: natürlich vielfältig ist Murgenthal genauso wie Fischbach-Göslikon. Sie sind nicht die Einzigen, die keinen einzigartigen Werbespruch haben. Mis Dorf befindet sich sowohl in Brittnau als auch in Hirschthal.
Eifach andersch ist dagegen Hallwil. «Haubu» begründet dies damit, dass man im Dorf noch Mittwinterbräuche und das Vereinsleben pflege, miteinander rede, einander grüsse, arbeite und «nicht zuletzt sehr gut lebt».
Der Aargau ist ein Wasserkanton. Aare, Reuss, Limmat und Rhein – das fliesst auch in die Werbesprache ein. Nicht nur in Brugg, wo alles zusammenströmt. Sondern auch in Laufenburg. Sie ist zwar nicht die Welt-, aber immerhin die Waldstadt am Rhein. Mülligen, wo ein Drittel der Gemeindefläche den Bäumen gehört, sieht sich als Walddorf an der Reuss.
Eggenwil will nicht mehr sein als eine Gemeinde an der Reuss und Mellingen dafür selbstbewusst die Stadt an der Reuss. Die Gemeinde Wallbach orientiert sich ebenfalls am Fluss vor der Haustür, stellt aber nicht ihn, sondern sich selbst ins Zentrum. So sehr, dass sie sich nicht recht entscheiden kann, ob sie lieber die Perle am Rheinbogen oder doch eher die Wohlfühlgemeinde am Rhein sein will. Auf der Website findet man beide Bezeichnungen. Der Besucher kann sich bei einem gemütlichen «Spaziergang entlang der Riviera am Rhein» selber entscheiden.
Das zweite flüssige Gut, das den Aargau und seine Bewohner prägt, ist der Wein. Die Bözer sind stolz auf ihre Weinperle am Bözberg und den Elfingern ist es wohl in ihrem beschaulichen Weinbaudorf. Die Identifikation mit der Weinbau- und Trinkkultur ist jedoch nirgendwo grösser als in Tegerfelden, mit 38 Hektaren die zweitgrösste Weinbaugemeinde im Kanton.
Damit ist auch klar wie Räuschling, warum die Tegerfelder in Reben leben. Reim und Wein waren selten schöner vereint. Überhaupt ist der Reim ein beliebtes Stilmittel. Dabei darf es den Dichtenden aus der Verwaltung nicht übel genommen werden, wenn es manchmal ein wenig holpert. Im Vergleich zum Beamtendeutsch ist schon ein halber Reim eine Wohltat. Im Wynental hat es zum Beispiel Oberkulm versucht: mini Wahl im Wynetal. Banal, aber nicht katastrophal.
Freienwil reimt wohnen und erholen, und deutscht aus: «Das ist unser Slogan, also einladend zum Wohnen und Verweilen in der schönen Natur.» In Dietwil kann man gleichzeitig wohnen, entfalten, Lebensraum gestalten.
Bei so viel sprachlicher Vertiefung tut zwischendurch ein Überblick gut. Ab in die Höhe, dorthin, wo man einen schö- nen Ausblick geniessen kann. Zum Beispiel nach Widen, 537 Meter über Meer, die Gemeinde mit Weitsicht. Das zeugt von einem gesunden Selbstvertrauen. Etwas, das auch Sisseln im Fricktal hat. Mit Grossbuchstaben bewirbt es sich als die «TOP» Gemeinde. Möglicherweise in optischer Verbundenheit mit dem im Sisslerfeld ansässigen Chemiekonzern DSM?
Unerreicht in der Höhe liegt aber Bettwil. Die höchstgelegene Gemeinde des Kantons ist top of argovia. Grosse Worte klein geschrieben. Wenn man schon einmal hier oben steht und den Blick vom Lindenberg aus in die Ferne schweifen lässt, sieht man deutlich, wie lebenswert dieser Kanton ist – und das in allen denkbaren Varianten: läbenswert (Mönthal), einfach lebenswert (Zufikon), lebenswert, liebenswert (Rheinfelden).
Kann man nicht mehr steigern? Kann man wohl: Meisterschwanden ist lebenswert, sympathisch, echt. Echt. Und Muhen zom läbe eifach schön. Ein Stern am Ufer Das Geld fliesst in Oberwil-Lieli. Die Kassen sind voll, auch wenn die Gemeinde seit kurzem nicht mehr die reichste im Kanton ist. Gemeindeammann Andreas Glarner ist bekannt dafür, potente Steuerzahler aus dem Kanton Zürich anzulocken. Entsprechend kostbar ist der Werbespruch. Das Juwel am Mutschellen verlor erst etwas von seinem sprachlichen Glanz, als es Satiriker Viktor Giacobbo mit einem Intimpiercing verglich.
Heller als das Juwel funkelt nur noch etwas im Kanton: der Stern an der Limmat. In Wettingen bezieht sich der Slogan auf den Stern im Wappen, der auch schon offizielle Präsente wie Teddybären, Wanderführer oder Salz- und Pfeffermühlen zierte.
Offen für alles
Es ist eine Herausforderung, möglichst sec und sexy zu beschreiben, was man hat. Es ist aber eine noch viel grössere Kunst, sich zu etwas zu machen, was einem die wenigsten zutrauen würden. Und niemand beherrscht dies meisterhafter als Zeihen, die grüne Oase zwischen Zürich und Basel. Das Dorf im Grünen liegt genau in der Mitte zwischen den beiden Städten. Und wirbt deshalb vor allem damit, wie gut man dorthin kommt: Autobahnanschluss Richtung Zürich zwei Minuten, Richtung Basel sieben Minuten.
Unsere Reise durch den Kanton zeigt aber auch, dass es nicht immer viele Worte braucht, um viel zu sagen. Und so endet der Streifzug dort, wo wenig steht und viel offenbleibt. Nämlich in Boswil, das klingt. In Wittnau, das beflügelt. Oder in Birr, das – nun ja – irgendwie einfach bei sich selbst bleibt: Wir. Birr. Und Baden ist.