«Er soll es tun, er ist der Richtige»: Aargauer Freisinn macht Thierry Burkart Mut – doch es gibt auch kritische Töne

Über 30 Grad bis in den Abend hinein wird es heute. Für den kantonalen Parteitag in Kleindöttingen rechnet die FDP-Spitze deshalb nicht mit dem ganz grossen Aufmarsch. Auch die Traktandenliste hilft kaum als Lockvogel. Die Parolenfassung zu den zwei Abstimmungen vom September sind im Freisinn unbestritten: Ja zur «Ehe für alle» und Nein zur 99%-Initiative.

Stoff für eine heisse Diskussion haben die Aargauer Freisinnigen in diesen Tagen aber allemal: Kandidiert Thierry Burkart als neuer FDP-Präsident Schweiz? Übernimmt nach Bruno Hunziker (1984–89) und Philipp Müller (2012–16) zum dritten Mal in der Geschichte des Freisinns ein Aargauer das höchste Parteiamt?

Dem 45-jährigen Aargauer Ständerat Thierry Burkart werden sehr gute Chancen eingeräumt. Neben ihm zeigt auch Damian Müller (36, Ständerat Luzern) Interesse. Offiziell angemeldet hat seine Kandidatur aber erst Marcel Dobler (Nationalrat St.Gallen). Am Sonntag ist Anmeldeschluss. Bis dann will sich Burkart nicht äussern.

Dafür gibt die neue Aargauer FDP-Präsidentin Sabina Freiermuth Auskunft. «Er ringt mit sich», sagt Burkarts enge Weggefährtin.

«Er hat dieses Amt nicht gesucht. Aber er ist sich bewusst, dass die Partei an einem Scheideweg ist und man jetzt Verantwortung übernehmen und die Partei einen muss.»

Freiermuth ist also überzeugt: Burkart soll es tun, er wäre der Richtige.

«Er hat einen klaren Kompass rechts der Mitte, einen urfreisinnigen Geist und er ist einer, der die Partei einen, die Flügel einbinden kann.» Dies, wie auch seine ausgeprägte Führungsstärke habe er schon als kantonaler Präsident bewiesen, als er die FDP zur zweitstärksten Partei im Aargau gemacht habe, so Freiermuth. Bei den Grossratswahlen 2012 überholte die FDP die CVP und die SP.

Sabina Freiermuth sieht Thierry Burkart als idealen Kandidaten fürs FDP-Präsidium Schweiz.

Sabina Freiermuth sieht Thierry Burkart als idealen Kandidaten fürs FDP-Präsidium Schweiz.

Britta Gut

In ihrer Funktion als Aargauer Kantonalpräsidentin will Freiermuth dann auch in der Parteipräsidentenkommission für Thierry Burkart weibeln. Dieses Gremium wird die Kandidaten beurteilen und auch einem Hearing unterziehen, nachdem die Findungskommission ihre Empfehlung abgegeben hat. Sie werde dann selbstverständlich mithelfen, ihre Parteikolleginnen und -kollegen von Thierry Burkart zu überzeugen. Freiermuth hofft, dass sich das Gremium auf eine Kandidatur einigt:

«Ich fände es nicht gut, wenn wir zwei Kandidaten gegeneinander antreten lassen würden. Das gebe in der Öffentlichkeit das Bild einer gespaltenen Partei ab.»

Hinter Burkart, der zum Mitte-rechts-Lager zählt, steht gemäss Recherchen der «Schweiz am Wochenende» FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Für den Geschmack von Sabina Freiermuth wird diese gewichtige Unterstützung etwas zu stark betont.

«Es wird zurzeit der Eindruck erweckt, Burkart habe vor allem zu Karin Keller-Sutter eine gute Beziehung. Sein Verhältnis zu Ignazio Cassis ist aber ebenso gut», sagt Freiermuth und schildert eine Szene aus dem Bundeshaus, um dies zu unterstreichen: Als Burkart bei der Wahl von Cassis in den Bundesrat Stimmenzähler gewesen sei und das Ergebnis im Nationalratssaal nach vorne getragen habe, habe er über das ganze Gesicht gestrahlt.

Der Nebenschauplatz zeigt: Wer Parteipräsident werden will, muss sich als Kandidat für alle präsentieren und darf sich nicht auf die Seite eines Lagers schlagen. Die Stimmen der allermeisten Aargauer Freisinnigen kann sich Burkart aber ohnehin sicher sein, sollte er an der entscheidenden Delegiertenversammlung vom 2. Oktober zur Wahl stehen.

Fast alle Stimmen. Nationalrat Matthias Jauslin spricht sich zwar nicht explizit gegen Burkart aus, macht aber keinen Hehl daraus, dass er einer Kandidatur seines Aargauer Kollegen kritisch gegenübersteht. «Es nicht entscheidend, aus welchem Kanton eine Parteipräsidentin oder ein Parteipräsident kommt, sondern ob jemand alle Parteiflügel vereinen kann», so Jauslin. Als Ständerat politisiere Thierry Burkart sehr nah an der Linie der Aargauer FDP-Spitze oder umgekehrt. Jauslin:

«Das mag gut sein für die FDP Aargau, ob auch für die FDP Schweiz ist eine andere Frage.»
Mathias Jauslin betont: Ein Präsident müsse unabhängig sein.

Mathias Jauslin betont: Ein Präsident müsse unabhängig sein.

Michael Wuertenberg

Jauslin befürchtet, dass unter Burkart der progressive Flügel vermehrt unter Druck kommt. «Ich habe Petra Gössis Linie voll mitgetragen», sagt Jauslin. Und er werde dem treu bleiben.

Unternehmer Jauslin attestiert Burkart Führungsqualitäten und ein starkes Netzwerk. Der neue Parteipräsident müsse aber vor allem beherzigen, was eine Stärke von Philipp Müller als FDP-Chef gewesen sei: «Er war unabhängig, niemandem verpflichtet und offen für Veränderungen.»

Er habe sich selber Gedanken zu einer Kandidatur gemacht, sagt Jauslin, FDP-Präsident Aargau von 2009–2015. «Ich hätte mir das höchstens in einem Co-Präsidium vorstellen können», so der Wohler. Aber die Findungskommission und Teile der Partei beurteilen solche Modelle kritisch. Für interne Grabenkämpfe habe er «schlicht keine Ressourcen».

Parteipräsidentin mahnt: «Nicht negativ über die anderen reden»

Auch wenn es nicht traktandiert ist, wird Sabina Freiermuth heute Abend in Kleindöttingen das Thema Parteipräsidentenwahl und Thierry Burkart natürlich ansprechen. Der Protagonist ist persönlich zwar wegen einer zweitägigen Ständeratskommissionssitzung in Schaffhausen nicht dabei.

Aber die neue Parteipräsidentin will eine klare Botschaft an ihre Parteifreunde richten: «Unsere Parlamentarier sollen es unterlassen, die eigenen Kandidaten gegeneinander auszuspielen. Man soll die Stärken des eigenen Favoriten betonen, aber nicht negativ über den anderen reden. Im Klartext, so Freiermuth schmunzelnd: «Klappe halten!»