Ertrags-Einbussen wegen Corona: 135 Millionen für die Aargauer Spitäler? Die wichtigsten Fragen und Antworten

Worum geht es?

Die Aargauer Regierung will die Spitäler für ihre Ausfälle und Zusatzkosten während der Pandemie entschädigen. Sie beantragt dem Grossen Rat einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 135 Millionen Franken. Teil davon ist ein Nachtragskredit über 35 Millionen Franken.

Warum ist das wichtig?

Der Bundesrat verbot den Spitälern und Ärzten in der Schweiz zwischen dem 16. März und dem 26. April 2020, nicht dringliche Behandlungen durchzuführen. Während der zweiten Welle durften die Aargauer Spitäler mit Intensivstationen nur so viele OP-Säle für nicht dringliche Eingriffe betreiben, dass sie bei steigenden Coronazahlen innerhalb von 48 Stunden zusätzliche Intensivkapazitäten schaffen konnten. Diese Kapazitäten benötigten sie: Im Januar sank die Zahl der nicht dringlichen Operationen um 95 bis 100 Prozent.

Die staatlichen Vorgaben verursachten Ertragsausfälle und Zusatzkosten. Zusammen belaufen sie sich gemäss einer Erhebung des Gesundheitsdepartements bei den Spitälern, Psychiatrien und Rehakliniken auf höchstens 100 Millionen Franken für das vergangene Jahr und 35 Millionen für das laufende Jahr. Noch im März hatte die Regierung mit deutlich höheren Kosten für 2021 gerechnet (75 Millionen).

Was ist der Knackpunkt?

Regierung, Parteien, Spitäler und Verbände sind sich nicht einig, für welche Ausfälle die Gesundheitsdienstleister entschädigt werden und wie viel Geld fliessen soll. Die Regierung hat drei Varianten in die Anhörung geschickt:

  • A: Entschädigung der gesamten Leistungen
  • B: Entschädigung Leistungen ambulant und stationär allgemeine Abteilung
  • C: Entschädigung Leistungen stationär allgemeine Abteilung

Die Regierung hat sich für die Variante C entschieden. Der Kanton sei von Gesetzes wegen nur für die Finanzierung der stationären Leistungen auf der allgemeinen Abteilung zuständig. Eine pauschale Reduktion der Ertragsausfälle (Variante A) sei ausserdem sachlich nicht begründet und würde die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte benachteiligen.

SVP, SP und die Grünen sprechen sich ebenfalls für die Variante C aus. SP und Grüne wollen die Ausfälle wie die Regierung zu 100 Prozent abgelten, die SVP hingegen nur zu 50 bis 60 Prozent.

Die Spitäler und Verbände sowie FDP und Die Mitte bevorzugen die Entschädigung aller Leistungen (Variante A). Aus Solidarität mit anderen betroffenen Branchen soll sie allerdings nur bei 75 Prozent liegen. Die GLP plädiert für Variante B.

Weitgehend Einigkeit besteht bei den Zusatzkosten: Die Regierung und alle grossen Parteien sind für eine vollständige Entschädigung – mit Ausnahme von SVP und Grünliberalen, die die Entschädigung bei 75 Prozent begrenzen wollen.

Wie hoch sind die Ausfälle, die die Spitäler geltend machen?

Ertragsausfälle und Zusatzkosten der Spitäler

in Millionen Franken, ohne Reha und Psychiatrie
Spital Ertragsausfälle (stationär, allgemein versichert) Zusatzkosten
Kantonsspital Aarau 22,1 17,6
Kantonsspital Baden 0 14,6
Spital Muri 0 1,4
Hirslanden Klinik Aarau 2 3
Spital Leuggern 2,3 1,1
Spital Menziken 1,4 1
Klinik Villa im Park 0 0,2
Gesundheitszentrum Fricktal 4,3 2,8
Spital Zofingen 2,4 1,2
Quelle: Regierungsrat Kanton Aargau

Werden die Zahlen der Spitäler überprüft?

Ja. Die Regierung will die gemeldeten Ertragsausfälle der Spitäler noch genau prüfen. «Bei dieser Prüfung werden die nicht Covid-19-bedingten oder durch Managementfehler verursachten Ertragsausfälle in Abzug gebracht», so der Regierungsrat in seiner Botschaft an den Grossen Rat.

Wie geht es weiter?

Zunächst beugt sich die zuständige Grossratskommission über den Antrag der Regierung. Im August kommt das Geschäft in den Grossen Rat. Dort wird sich zeigen, ob der Antrag der Regierung eine Mehrheit findet. Gegen den Beschluss des Grossen Rates kann das Referendum ergriffen werden. Mit einer Auszahlung ist ab Dezember zu rechnen.

Was sagen die Parteien?

Die SVP betont in ihrer Anhörungsantwort, die Pandemie treffe auch viele andere Firmen und Privatpersonen stark, die selber nach Lösungen suchen müssten. Deshalb empfiehlt die Partei, maximal 60 Prozent der Ertragsausfälle abzugelten.

Die SP schreibt, den Spitälern in der jetzigen Situation eine angemessene, finanzielle Unterstützung vorenthalten zu wollen, «wäre ein fatales Signal im sowieso schon stark strapazierten Gesundheitsbereich». Die Grünen sehen noch Klärungsbedarf bei den Unterschieden zwischen den Spitälern. Das Kantonsspital Aarau wies Ertragsausfälle in der Höhe von 22,1 Millionen Franken aus, das Kantonsspital Baden hingegen keine.

Die FDP ist der Meinung, dass es auch für Ausfälle im ambulanten, privaten oder halbprivaten Bereich eine Entschädigung geben soll. Die Freisinnigen argumentieren, das vom Bundesrat verhängte Operationsverbot im Frühling und die Einschränkungen während der zweiten Welle hätte alle Bereiche betroffen.

Gleich argumentieren Die Mitte und der Spitalverband Vaka. Sie finden eine Unterscheidung nach ambulanten und stationären Leistungen «nicht sachgerecht».