
Etwas Luft für den Aargau: Für das Bundesasylzentrum gibt es eine Notlösung im Nachbarkanton
Die Suche nach einem dritten Standort für ein Bundesasylzentrum in der Asylregion Nordwestschweiz harzt seit Jahren. Die Region braucht Bundesasylzentren mit insgesamt 840 Plätzen. So sieht es der «Sachplan Asyl» des Staatssekretariats für Migration (SEM) vor. Dieser regelt auch die Grösse der Zentren. Verfahrenszentren müssen mindestens 350 Plätze bieten, Ausreisezentren 250. Erst das bestehende Verfahrenszentrum Bässlergut in Basel und das geplante Ausreisezentrum im solothurnischen Flumenthal stehen fest, wobei gegen Letzteres Beschwerden vor dem Regierungsrat hängig sind. Entweder der Kanton Aargau oder Baselland müssen also noch ein Ausreisezentrum mit 250 Plätzen errichten.
Neubau bis 2019 unmöglich
Nun zeigen Recherchen der bz Basellandschaftliche Zeitung: Der Bund rückt still und leise von seiner harten Haltung ab. Da die Errichtung eines komplett neuen Asylzentrums bis 2019 nicht mehr zu schaffen ist, setzt man auf Bestehendes – und auf Kleineres. Konkret zieht sich der Bund nicht mehr wie geplant bis 2019 aus dem Asylzentrum Atlas in Allschwil BL zurück. Stattdessen wird es vorläufig weiterbetrieben und die Kapazität der Asylregion Nordwestschweiz angerechnet. Das Zentrum bietet allerdings bloss Platz für 120 Asylsuchende. Damit kommt die Region neu auf 720 Plätze. Das sind 120 weniger als vorgesehen. Aber die Vorschrift des Bundes, bis 2019 mindestens 80 Prozent der geforderten Plätze zur Verfügung zu stellen, wird damit erreicht.
Weshalb aber kann die vorgegebene Mindestgrösse plötzlich ignoriert werden? Noch im April hiess es aus Bern nämlich, kleinere Zentren seien nicht möglich. Auf Anfrage möchte das SEM die Allschwil-Lösung nicht offiziell bestätigen. Indirekt aber schon, indem es schreibt: «In manchen Regionen stehen die definitiven Zentren noch nicht (vollständig) bereit und es werden Übergangslösungen erforderlich.» Für diese «temporären» Lösungen könne von der Mindestgrösse abgewichen werden, bis ein definitives Bundesasylzentrum in Betrieb ist. Ein Blick in den bisherigen Sachplan Asyl und die dazugehörigen Erklärungen zeigt aber, dass dort Übergangslösungen gar nicht vorkommen.
Im Gegensatz zum SEM bestätigt die Gemeinde Allschwil die Recherchen der Basellandschaftlichen Zeitung ohne zu zögern. Für den zuständigen Gemeinderat Robert Vogt sei es «selbstverständlich» gewesen, zu helfen. Am nächsten dran am Geschäft ist in Allschwil Ulrich Weyermann, Bereichsleiter Soziale Dienste. Er präzisiert, wie es zu dieser Notlösung kam: Es sei der Kanton Baselland gewesen, der die Gemeinde angefragt habe. Nach deren Ja stellte der Kanton offiziell Antrag beim Bund, das Asylzentrum derart weiterzubetreiben. Dieser habe es genehmigt – allerdings erst nachdem es in einem internen Verfahren explizit als Ausnahme bewilligt worden war. Das Fazit: Der Bund hat keine bestehenden Regeln angewandt, sondern sie extra angepasst, um der Asylregion Nordwestschweiz entgegenzukommen.
Suche geht mit Hochdruck weiter
Innerhalb der Region verteidigt man dieses Vorgehen: «Das ist kein Regelbruch, sondern eine Anpassung an die Realitäten», sagt der Baselbieter Asylkoordinator Rolf Rossi. Es mache schliesslich Sinn, auf bestehende Ressourcen zurückzugreifen, wenn ein neuer Standort noch nicht gefunden sei. Sowohl Baselland als auch der Aargau suchen weiter nach einem neuen Standort. Denn sowohl der Kanton als auch die Gemeinde Allschwil betonen, dass es sich wirklich um eine Zwischenlösung handle.
Das für das Asylwesen zuständige Departement für Gesundheit und Soziales im Kanton Aargau äusserte sich gestern auf Anfrage der AZ noch nicht zur Zwischenlösung im Baselbiet. Mitte April sagte Stefan Ziegler, Leiter des Sozialdienstes, es würden noch keine konkreten Standortabklärungen laufen. Zuerst müsse man abklären, ob die Vor- oder Nachteile eines Bundesasylzentrums überwiegen, so verlange es ein hängiger Vorstoss. Der Grosse Rat hat am 21. März 2017 eine Motion der Fraktion der Grünen betreffend Schaffung eines Ausreisezentrums als Postulat überwiesen. Bis Ende November 2017 sollen die durch den Regierungsrat eingeleiteten Abklärungen vorliegen.