
Folgen der Coronawelle – Aargauer Chirurg erwartet die grosse Hektik nach der Pandemie
Seit dem 23. März dürfen Spitäler keine Eingriffe und Behandlungen mehr durchführen, die nicht dringend sind. Um genug Kapazitäten für Corona-Patienten zu haben, mussten und müssen zahlreiche Operationen und auch Vorsorgeuntersuchungen verschoben werden. Für Chirurgen gibt es weniger zu tun. Sie haben früher Feierabend als normal.
Allerdings mit Folgen, wie Antonio Nocito, Direktor des Departements Chirurgie am Kantonsspital Baden (KSB) und Titularprofessor an der Universität Zürich, in einem Gastbeitrag in der NZZ darlegte. «Die Konsequenzen tragen unsere Patienten, die an Krebs-, Herz- und anderen potenziell tödlichen Krankheiten leiden», schreibt er. Nicht allen von ihnen könne im Moment zeitnah geholfen werden, weil die Kapazität in den OP-Sälen schlicht nicht ausreiche. Im KSB sei derzeit die zweite von insgesamt vier Eskalationsstufen aktiviert.KSB-Sprecher Omar Gisler präzisiert, was die zweite Eskalationsstufe genau bedeutet: Im KSB stehen total 21 Beatmungsplätze zur Verfügung (neun mehr als auf Stufe eins), das Ambulatorium ist aus Ressourcengründen geschlossen, der Aufwachraum wurde als Intensivstation in Betrieb genommen. Auf der zweiten Stufe sind maximal vier von zehn OP-Sälen in Betrieb – zwei für Notfälle, zwei für Corona-Patienten. Die Stufen drei und vier sähen die Schaffung von weiteren Beatmungsplätzen im OP und auf der Intermediate-Care-Abteilung vor.
«Es wird harte Entscheide geben»
Wegen des Notbetriebs müssen sich Chirurgen wie Antonio Nocito derzeit quälende Fragen stellen: «Wann operieren wir wen? Wer kommt zuerst dran?» Natürlich gebe es Richtlinien. «Notfälle und Krebserkrankungen haben Vorrang. Ebenso Geburten.» Aber es bestehe die Gefahr, dass die Covid-19-Welle hierzulande «angelsächsische Verhältnisse» verursachen könnte, schreibt der Chirurg. «Dann, wenn das monatelange Warten auf einen Operationstermin zur Normalität wird.»
Für Nocito steht fest, dass diese Fragen die Ärztinnen und Ärzte auch nach der Pandemie noch beschäftigen werden. Die grosse Hektik in den Spitälern und Kliniken werde beginnen, wenn die Schweiz wieder in den Normalmodus übergehe. Denn Prävention und Diagnostik seien ebenfalls heruntergefahren worden. Deshalb sei es möglich, dass zum Beispiel Magen- und Darmkarzinome verspätet entdeckt werden. «Umso dringender wird dann der Eingriff.» Dazu kämen jene Patientinnen und Patienten, deren Operationen wegen Corona aufgeschoben wurden. «Es wird harte Entscheide geben. Denn die Priorisierung der Eingriffe wird nicht in jedem Fall eindeutig sein», schreibt er. Die Orthopäden, Kardiologen, Gynäkologen, Chirurgen und Internisten müssten sich auf solche Fälle – ebenso wie auf zahlreiche Überstunden – gefasst machen.