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«Die Zweifel an Botta verstand ich nie»: Thermalbad-Investor Benno Zehnder über 15 Jahre voller Widerstände

Benno Zehnder vor dem neuen Thermalbad: «Ich habe Freude. Endlich wird Baden wieder seinem Namen gerecht.»

«Im Bäderquartier bahnt sich eine Wende an», lautete die Schlagzeile vor 15 Jahren. Eine Investorengruppe um Benno Zehnder habe 70 Prozent der Verenahof-Aktien übernommen. Dies mit der Absicht, ein neues öffentliches Thermalbad in Baden zu erstellen – auf dem Areal, auf dem einst schon die Römer badeten.

Danach folgte für Zehnder eine Odyssee mit Höhen und Tiefen, wie sie nur ein Investor erleben kann: Es gab Widerstand von der Denkmalpflege, dem Heimatschutz, der Stadt Baden und von Kritikern; hinzu kamen Herausforderungen bei der Finanzierung, und sogar Architekt Mario Botta hätte sich beinahe zurückgezogen.

Am Sonntag ist nun es soweit: Das neue Thermalbad – es heisst offiziell «Wellness-Therme Fortyseven» – wird eröffnet. Die Kosten: Rund 180 Millionen Franken. Inzwischen sind die Stiftung Gesundheitsförderung Bad Zurzach + Baden sowie ein Bankenkonsortium die Hauptinvestoren, Zehnder hat immer noch Anteile.

Beim Gespräch mit der «Schweiz am Wochenende» im Hotel Blume auf dem Badener Kurplatz blickt Zehnder zurück auf die grosse Herausforderung. Für das Interview hat er zugesagt, weil er sich bei einigen Leuten noch bedanken will.

Die Initialzündung Benno Zehnder: «Eines Abends im Jahr 2003 oder 2004 sass ich in Baden im Restaurant Isebähnli, redete mit Fritz Knecht von der Firma Hächler. Wir unterhielten uns darüber, wo man in Baden noch ein Projekt realisieren könnte. «In den Bädern», sagte er, «aber da kommst du nicht ran.» Ich wuchs in Birmenstorf auf, und meine Schwester machte in Baden einst eine Lehre in der Gastronomie. Das Bäderquartier aber kannte ich nicht gut, doch ich wusste, dass Handlungsbedarf besteht. Noch am selben Abend bin ich mit der Vespa in die Bäder runtergefahren. Und in den zwei darauffolgenden Wochen jeden Tag. Da wuchs die Erkenntnis: Hier unten kannst du was machen. Ich hatte ganz einfach ein gutes Gefühl. Ich bin ja kein Architekt, aber man musste nicht besonders schlau sein, um das Potenzial der Bäder zu erkennen, die heruntergekommen waren. Vom ersten Moment an schätzte ich die Erfolgsrate dieses Projekts sehr positiv ein. Ich hatte aber auch Glück: Die Zeit war reif und es war der richtige Stadtammann am Ruder, Stephan Attiger, den ich zuvor nicht kannte.»

Der Erwerb der Aktienmehrheit Benno Zehnder: «Für die ganze Akquisition brauchte ich zwei Jahre. Enorm viel Zeit und Geduld waren nötig! Am Anfang war es richtig schwierig. Der damalige Geschäftsführer der Verenahof AG war gegen mich. Und ich bin auch gegenüber dem Hauptaktionär immer abgeschottet worden. Das Schwierigste war, den Hauptaktionär der Verenahof AG, Georg Kienberger, zu überzeugen. Er stammte aus einer Hoteldynastie, wohnte in Chicago und kam einmal im Monat in die Schweiz für den Besuch seiner Mutter. Wir trafen uns regelmässig im Bahnhofbuffet in Basel während 5 bis 6 Stunden. Wir bestellten stündlich einen Espresso und ein Wasser. Immer wieder präsentierte ich ihm meine Ideen. Irgendwann stand er auf und sagte: «Ich glaube Ihnen, dass Sie das Projekt realisieren können und genügend Herzblut haben.» So erhielt ich die Aktienmehrheit! Die kleineren Aktionäre zu überzeugen, war dann einfacher.»

Seine MotivationBenno Zehnder: «Die Emotionen waren wichtiger als die Finanzen. Andere Projekte wären einfacher und finanziell interessanter gewesen. Je länger, je mehr wurde das Projekt eine emotionale Angelegenheit.»

Momente des Zweifels Benno Zehnder: «Ich musste einen Architektur-Wettbewerb machen, konnte aber keinen Direktauftrag erteilen, wie man es als Eigentümer gerne tun würde. Das war ein erster schwieriger Moment. Es gab so viele Leute, die dreingeredet haben! Jeder hatte noch Ratschläge, und und und…Ich habe immer an den Erfolg des Projekts geglaubt – doch es gab kritische Momente, die Zweifel aufkommen liessen. Ein Beispiel: Nachdem wir Mario Botta als Architekten auserkoren und schon fast alles mit den Behörden geklärt hatten, erhielt ich ein Schreiben der Kantonsarchäologie. Man teilte mir mit, dass das Projekt auf dem Baufeld, auf dem heute das Wohnhaus steht, nicht umgesetzt werden könne. Das Baufeld werde nicht freigegeben. Wegen eines Dokuments aus den 1970er-Jahren, das ich zuvor noch nie gesehen hatte und welches nicht in den Akten war. Regierungsrat Rainer Huber setzte sich dann für einen Kompromiss ein. Das muss ich ihm hoch anrechnen. Er war vorbereitet, hat zugehört und insbesondere entschieden.»

«Die Emotionen waren wichtiger als die Finanzen:» Benno Zehnder

Die Kritik an Mario BottaBenno Zehnder: «Ich wusste von Beginn an: Es braucht einen Architekten, der nicht aus Baden kommt. Das hat nichts mit einer Wertung zu tun. Aber es brauchte für dieses Projekt jemanden von ausserhalb mit einer grossen Aura. Ich dachte, mit Mario Botta hätten wir jemanden gefunden, der diese Aura hat. Doch er wurde angeschossen und zwar schwer. Auch von der Stadt! Ich hörte, der kann Kirchen bauen, aber doch kein Bad. Die Wertschätzung ihm gegenüber fehlte ziemlich lange. Das hat sich im Laufe der Jahre im positiven Sinne verändert. Der Bevölkerung gefällt das Bad, es passt sich perfekt in diese Lage ein. Ich konnte die Zweifel nie verstehen. Mario Botta ist ein genialer Architekt, baut weltweit. Er wird in Amerika und China engagiert, wo er ein riesiges Areal für eine Universität überbaut. Ich bin und bleibe dabei, Mario Botta ist der richtige Architekt für dieses schwierige Projekt. Er hat sich in die Materie eingearbeitet und auch nie vergessen, dass auch ein Bad noch rentabel sein muss.»

Die Finanzierung Benno Zehnder: «Warum die Finanzierung nicht einfach war? Weil es eine Sonderimmobilie ist. Die CS, die zuerst im Boot war, begann mit der Zeit Druck zu machen und war mit dem Fortschritt mit den Behörden unzufrieden. Mit den Zurzachern, die schliesslich übernommen haben, war ich schon sehr früh im Gespräch. Beat Edelmann von der Stiftung ist ein edler und korrekter Mann, oder wie mein Bruder, der lange in «Zurzi» wohnte, immer wieder sagte, das sind ganz «honorige» Leute. Im operativen Bereich war Stephan Güntensperger zuständig, der zweifellos die notwendige strategische Weitsicht hatte. Es hätte Alternativen gegeben, Investoren aus asiatischen Ländern. Ich habe immer gesagt, dass es eine Schweizer Lösung brauche.»

Über die KomplexitätBenno Zehnder: «Es ist sicher eines der komplexesten Projekte in der Schweiz. Ein Loch graben und ein Bürogebäude hochziehen, das kann jeder. Aber hier, mit dem Wasser, den Quellen, der Denkmalpflege, der Archäologie, der Stadt – all diese Stellen mussten überzeugt werden und da brauchte es enorm viel Zeit, Geld und Geduld, ein richtiges Puzzle.»

Benno Zehnder im Jahr 2008 in Baden.

Die Zusammenarbeit mit der StadtBenno Zehnder: «Ohne Stephan Attiger, dem damaligen Stadtammann, wäre es sehr schwierig geworden. Wir gingen zwar am Abend nach Sitzungen ab und zu mal im Streit auseinander, doch rief er oder ich am späten Abend nochmals an, und wir verabredeten uns für den nächsten Morgen um 6 Uhr. Dann trafen wir an der Limmat und diskutierten die Punkte bei ausgedehnten Spaziergängen aus. Mit seinem Nachfolger Geri Müller hingegen hatte es nicht funktioniert. Er hat das Projekt hier unten nicht verstanden. Dies ist grundsätzlich nicht schlimm, lediglich die fehlende Einsicht war unglaublich.»

«Mit ihr hatte ich viele Differenzen, aber sie hat das Projekt verstanden und unterstützt»: Andrea Schaer und Benno Zehnder im Jahr 2008.

Differenzen mit der Archäologie und Denkmalpflege Benno Zehnder: «Mit Andrea Schaer, die damals für die Archäologie zuständig war, hatte ich viele Differenzen. Das liegt in der Natur der Sache. Sie beherrscht ihr Metier und war immer wieder konstruktiv. Sie hat das Projekt verstanden und unterstützt. Sie wollte nicht jedes Steinchen sammeln, sondern dokumentierte die Funde und war bereit, den Weg frei für Neues zu machen. Bei der Denkmalpflege und teilweise auch der Stadt hatte ich manchmal das Gefühl, dass diese noch jedes Detail vergolden wollten. Nur schon für ein Wohnhaus, das ich im Quartier realisierte, musste ich elf Mal ein Baugesuch einreichen. Noch heute ist dort ein Geländer eines Balkons nur auf Zusehen bewilligt, weil es von unten gesehen nicht im 45-Grad-Winkel steht.»

So hätte die Kuppel ausgesehen. 

Die Botta-Kuppel auf den BäderhotelsBenno Zehnder: «Wer Botta kennt, der weiss: Er arbeitet gerne mit Licht. Wer seine Bauten gesehen hat, dem ist klar, dass er darin richtig gut ist. Leider fehlte auch hier die Weitsicht, etwas Neues zu machen, es hätte bestens zum Projekt gepasst. Solche Entscheide waren schmerzhaft, mussten aber akzeptiert werden. Das Problem waren wie immer die endlosen Diskussionen, und nach Monaten einer positiven Entwicklung kam dann doch eine Absage. Dass die Kuppel abgeschossen wurde, war meines Erachtens ein sehr grosser Fehler. Es gibt genügend Beispiele von «alt und neu», auch in der Schweiz. Dieser Entscheid, der 18 Monate dauerte, hat sehr viel Geld gekostet. Es hätte dadurch im Verenahof-Geviert, in den alten Badehotels, wo eine Rehaklinik entstehen wird, eine gute Verbindung von alt und neu gegeben.»

Der Badener KleingeistBenno Zehnder: «Mein Verhältnis zu Baden ist gut, neutral. Dass ich mich immer mal wieder ärgerte, war klar. Was ich vermisst habe: Nie kam man direkt auf mich zu. Kritik kam immer hinterrücks, hier gabs eins ans Bein, dort einen Tritt. Ich schrieb den Leuten Mails: komm, treffen wir uns mal und reden. Antworten kamen keine. Bei vielen wusste ich nicht, wo das Problem lag.»

Was ihm das Bad bedeutet Benno Zehnder: «Ob ich stolz bin, dass das Bad nun steht? Nein. Aber ich habe Freude. Freude, dass es so gebaut wurde, wie wir es vor vielen Jahren geplant hatten. Ich würde es auch heute nicht anders machen, Mario Botta hatte eine gute Hand mit dem Bad. Wenn ich es mir heute anschaue, dann sieht es immer noch so aus wie nach dem Architektur-Wettbewerb. Der beste Aussichtspunkt ist in Ennetbaden. Das realisierte Projekt aus jener Perspektive zu sehen, ist einmalig. Ich war schon vor der Projektierung sehr oft an jenem Punkt. Endlich wird Baden seinem Namen wieder gerecht, Baden ist wieder Baden.»

Die Zukunft Benno Zehnder: «Ich bin felsenfest überzeugt: Das Bad wird ein Riesenerfolg. Auch wegen der Lage. Zürich ist nur 15 Minuten entfernt, kann aber nichts Adäquates bieten. Die Lage, die Historie, das Wasser, die Infrastruktur ist einmalig und kann sich weit über die Grenzen mit allen messen.»

Sein heutiges LebenBenno Zehnder: «Ich verfolge noch einige Projekte, arbeite aber weniger als früher. Ich versuche montags und freitags nicht mehr im Büro zu sein und fühle mich sehr gut dabei. Geniessen. Ich bin gerne in München, im Tessin, in den Bergen, lese gerne und gehe raus an die frische Luft.»