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Tochter des Ammanns wird am Tag vor der Gmeind volljährig: «Ich finde es cool, dass ich von Anfang an in Böztal mitentscheiden kann» 

Es ist ein Kommen und Gehen an diesem grauen Morgen. Innert weniger Minuten werfen mehrere Männer das Abstimmungskuvert in den Briefkasten beim Gemeindehaus Bözen. Dann stehen Gemeindeammann Robert Schmid und seine Tochter Sina vor dem Eingang. Auch Vater Schmid wirft an diesem Samstag noch Abstimmungskuverts ein, diejenigen von Ehefrau Christine und von zwei Kindern.

Einzig die jüngste Tochter Sina darf noch nicht abstimmen. Sie wird erst am 3. Dezember 18 Jahre alt. Als Jungbürgerin wurde sie zwar an der letzten Wintergmeind von Bözen vom 19. November schon aufgenommen. Aus den Händen ihres Vaters durfte sie – wie zwei ihrer Jahrgänger – vor dem versammelten Stimmvolk ein Sackmesser mit dem Schriftzug «Bözen» als Geschenk für die Volljährigkeit entgegennehmen. Ein Geschenk, das bald Seltenheitswert haben wird.

Teilweise konnten neue Jungbürger an der letzten Gemeindeversammlung von Bözen zum ersten Mal abstimmen.

Mit einem Augenzwinkern sagte Gemeindeammann Robert Schmid an jenem Abend in der Turnhalle:

«Wir haben die erste Gemeindeversammlung von Böztal extra auf den 4. Dezember gelegt, damit Sina, die am Tag zuvor ihr Stimmrecht erlangt, ebenfalls teilnehmen kann.»

Tatsächlich steht diesen Samstag ein richtiger Abstimmungsmarathon an in der Lagerhalle der Herzog AG in Hornussen. Insgesamt vier Traktanden sind für die Ortsbürgergmeind und 17 für die Einwohnergmeind aufgelistet. Robert Schmid wird diese Versammlung als erster Ammann der neuen Fusionsgemeinde, die am 1. Januar 2022 startet, leiten.

Rund 1800 Stimmberechtigte sind eingeladen

Der 51-Jährige spricht von einer grossen Herausforderung. Nicht nur, weil das Stimmvolk über Budgets, Gemeindeordnung und zahlreiche Reglemente abstimmen muss, sondern auch in organisatorischer Hinsicht. Es werden Shuttlebusse zur Verfügung stehen und die Halle ist geheizt.

In einer Lagerhalle der Herzog AG in der Mülimatt in Hornussen findet die erste Gemeindeversammlung der Fusionsgemeinde Böztal statt.

Doch wie viele Stimmberechtigte aus den vier künftigen Ortsteilen Effingen, Elfingen, Bözen und Hornussen werden den Weg in die Mülimatt am Samstagnachmittag auf sich nehmen? Man habe sich an anderen Gemeinden mit ebenfalls etwa 1800 Stimmberechtigten sowie dem Aufmarsch an den Infoveranstaltungen über die neuen Reglemente orientiert, sagt Robert Schmid beim Gespräch im Bözer Gemeindesaal. Da die Versammlung von historischer Tragweite ist, rechnet der Böztaler Gemeinderat mit etwa 360 Stimmberechtigten, was dem Quorum von 20% entsprechen würde.

Unter den Versammlungsteilnehmenden wird auch Schmids Tochter Sina sein. Die Jungbürgerin ist im ersten Lehrjahr als Chemielaborantin und wohnt unter der Woche in Muttenz. Einzig am Mittwochabend kommt sie jeweils nach Bözen, um in der Damenriege zu turnen.

Die 18-Jährige ist froh, dass die Grenzen bald wegfallen

Sina Schmid freut sich sehr auf die grössere Gemeinde Böztal. «Bald wohnen wir alle im gleichen Dorf wie meine Turnkolleginnen aus Hornussen und Elfingen und gehören zusammen. Die Vereine bleiben ja erhalten», sagt die Powerfrau und strahlt. Sie glaubt nicht, dass sich mit der Fusion viel ändern wird, ist aber froh, dass die Grenzen zwischen den Ortsteilen wegfallen. Auf die Gemeindeversammlung ist sie gespannt, weil es für alle Teilnehmenden eine Premiere ist. Sie betont: «Ich finde es schon cool und freue mich darauf, dass ich von Anfang an in Böztal mitentscheiden kann.»

Bisher hat sich Sina Schmid nicht stark für Politik interessiert: «Ich habe mich nicht detailliert mit den Vorlagen befasst, weil ich ja wusste, dass ich noch nicht abstimmen darf.» Die ältere Tochter Leonie, welche die Kantonsschule besucht, frage öfters nach, wenn sie etwas nicht verstehe, fügt Robert Schmid an. Sina geht davon aus, dass sie sich künftig vermehrt mit den politischen Fragestellungen auseinandersetzen wird:

«Ich scheue mich auch nicht, für meine Meinung einzustehen.»

Bei Schmids zu Hause wird natürlich nicht nur über Politik gesprochen. Robert Schmid wohnt seit 25 Jahren im Dorf, wo er zusammen mit seiner Frau eine Liegenschaft gekauft und umgebaut hat. Hier sind alle drei Kinder aufgewachsen.

Der Ammann sucht den persönlichen Kontakt mit Kritikern

Mit der Wahl in den Gemeinderat Bözen vor acht Jahren wurde Robert Schmid auch gleich Ammann. Politisch noch unerfahren, sind ihm am Anfang Formfehler passiert, die teilweise für Unmut in der Gemeinde sorgten. An solchen Aufgaben und neuen Herausforderungen ist der gelernte Zimmermann und heutige Werklehrer an der Oberstufe in Gipf-Oberfrick aber auch gewachsen. Rückblickend räumt Robert Schmid ein:

«In meiner Anfangszeit hätte ich den Gemeindezusammenschluss nicht auch noch meistern können.»

Die Fusion war zwar schon damals Gesprächsthema. Insbesondere in Effingen war die Skepsis aber noch gross. Momentan führt der Ammann wöchentlich mehrere Gespräche mit Leuten aus dem künftigen Böztal, die Kritik oder Fragen an ihn herantragen. Mit Leuten, die unbedingt fusionieren wollten und sagten «wir gehören zusammen», aber den eigenen Ortsteil dann doch besserstellen wollten, hat Robert Schmid Mühe.

Wie das Gemeindehaus Bözen genutzt wird, wenn 2022 alle Arbeitsplätze nach Hornussen verlegt werden, steht noch nicht fest.

Der 51-Jährigen findet es in solchen Situationen zielführender, Themen persönlich zu besprechen, als einen endlosen E-Mail-Verkehr oder Schriftwechsel mit Bürgern zu führen. Inzwischen hat er zu seinem Amt auch eine gesunde Distanz gewonnen, mischt sich an Veranstaltungen gerne unter die Leute. «Es geht nicht um mich persönlich, sondern darum, einen guten Weg für die Gemeinde und entsprechende Mehrheiten zu finden», sagt er. Dabei würden er und der gesamte Gemeinderat hervorragend von der Verwaltung unterstützt.

Unter der Low-Budget-Umsetzung hat die Kommunikation gelitten

In diesem Zusammenhang erwähnt Schmid auch stolz, dass sich die Steuerungsgruppe für eine Low-Budget-Umsetzung der Böztal-Fusion ohne Pensenaufstockung entschieden habe. Dafür fielen lediglich Sitzungsgelder und 20’000 Franken für eine Beratungsfirma an, die helfe, die verschiedenen Gemeindebuchhaltungen zusammenzufügen. Möglich ist das unter anderem, weil Böztal mit Markus Schlatter einen Verwaltungsleiter hat, der als ehemaliger Gemeindeschreiber von Linn für die Bözberg-Fusion mitgearbeitet hat und nun die gleichen Konzeptraster einsetzen konnte.

Unter dieser kostengünstigen Umsetzung hat die Kommunikation gelitten. Was von vielen Seiten kritisiert wurde und zu zahlreichen Beschwerden geführt hat. Schmid sagt:

«Die kantonale Aufsicht hat uns aber bestätigt, dass wir nichts falsch gemacht haben.»

In anderen – ebenfalls eher kleinen – Gemeinden würden für die Fusionsumsetzung Kosten von rund 250’000 Franken und mehr anfallen, weiss der Bözer Ammann.

Apropos Geld: Der Lohn des Gemeindeammanns soll von 12’000 auf 30’000 Franken erhöht werden. Robert Schmid sagt, dass dieses Mandat mit den vielfältigeren Aufgaben in der grösseren Gemeinde dann ein durchaus relevanter Lohnbestandteil sei, neben seinem 60%-Pensum als Lehrer.

Ausserdem ist er aktuell auch als Bauherr in einem Projekt unternehmerisch tätig. Das Sechsfamilienhaus in Hybridbauweise, will heissen mit Innenwänden aus Beton und Backstein sowie einer Aussenfassade aus Holz, kommt auf seiner Parzelle in Wittnau zu stehen. Dieses hält ihn ebenfalls auf Trab, angesichts der steigenden Materialpreise und zunehmenden Lieferschwierigkeiten im Bausektor.

Die Bevölkerung in der Talschaft soll zusammenwachsen

Der Schritt zur grösseren Gemeinde sei für die jüngere Generation nicht gross, weil sie sowieso alle zusammen die Oberstufe in Frick besucht haben und sich kennen, hält Sina Schmid abschliessend fest. Von der neuen Gemeinde erwartet Robert Schmid, dass die Bevölkerung in der Talschaft zusammenwächst und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln kann.

Im Gegensatz zu Sina Schmid ist der Vater schon seit über 30 Jahren stimmberechtigt. Auf die Frage, was ihm das Stimmrecht bedeute, sagt er: «Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Gemeindepolitik ein Thema war. Politik ist aber nur das eine, das andere ist die Teilnahme am gesellschaftlichen Miteinander. Für mich war immer klar, dass ich mich irgendwo für die Öffentlichkeit engagiere. Sei es in der Feuerwehr oder in anderen Vereinen. Inzwischen ist es in der Politik, was vielleicht auch eine Alterserscheinung ist, aber diese Reihenfolge war gut so für mich.»