
Gallati hatte schon am Freitag erste Symptome – Ansteckung am SVP-Parteitag darum höchst unwahrscheinlich
Wenn jemand positiv auf Covid-19 getestet wird, versucht das Contact-Tracing herauszufinden, wo sich die Person angesteckt hat und mit wem sie seither engen Kontakt hatte. Diese engen Kontaktpersonen werden dann in Quarantäne geschickt, sofern sie nicht geimpft oder genesen sind. Damit soll verhindert werden, dass sich das Virus weiterverbreitet – dieses Vorgehen kommt auch bei Jean-Pierre Gallati zur Anwendung, der am Montag positiv getestet wurde.
Gallati sagte am Montagabend gegenüber der AZ, er wisse nicht, wo er sich angesteckt haben könnte. Klar sei aber, dass die Infektion nicht am Parteitag letzten Mittwoch in Lupfig passiert sei, wo er für ein Ja zum Covid-Gesetz warb. Aufgrund der Inkubationszeit von Covid-19, also der Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit, könne er dies ausschliessen. «Es muss vorher gewesen sein, aber wo genau, weiss ich nicht», sagte Gallati.
Meist liegen fünf Tage zwischen Ansteckung und Symptomen
Doch trifft diese Einschätzung des Aargauer Gesundheitsdirektors tatsächlich zu? Zur Frage, wie lange es bei Covid-19 zwischen Ansteckung und Erkrankung dauert, heisst es auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit (BAG):
«Die Inkubationszeit des neuen Coronavirus, das heisst die Zeitspanne zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome, beträgt meist fünf Tage. Sie kann jedoch bis zu 14 Tage dauern.»
Gallati verspürte am Montag, 1. November, leichte Schnupfen-Symptome und liess sich danach testen – mit dem für ihn überraschenden positiven Resultat. Demnach kann der SVP-Parteitag am Mittwoch, 27. Oktober, im Ochsen, in Lupfig als Ansteckungsort und -zeitpunkt keineswegs ausgeschlossen werden.
Ganz im Gegenteil: Der Montag ist der fünfte Tag nach diesem Anlass, damit wäre die Wahrscheinlichkeit gemäss den Angaben des Bundesamts für Gesundheit sogar relativ gross, dass sich Gallati am SVP-Parteitag infiziert hat. Wäre, denn am Dienstagabend teilt das Gesundheitsdepartement auf Anfrage mit: «Das erste leichte Symptom bei Jean-Pierre Gallati trat im Verlauf von Freitag auf, damit ist eine Ansteckung am Mittwoch sehr unwahrscheinlich.»
Ansteckung auch vor zwei Wochen schon möglich
Der Parteitag mit rund 100 Personen im Saal des Gasthofs Ochsen wurde als Anlass mit Zertifikatspflicht durchgeführt. Dennoch sind Infektionen möglich: Auch geimpfte Personen ohne Symptome können das Virus tragen und weitergeben. Zudem waren am SVP-Parteitag auch Ungeimpfte dabei, die sich vor der Veranstaltung testen liessen, um ein Zertifikat zu erhalten. Auch die Tests bieten keine absolute Sicherheit, dass eine Ansteckung mit Covid-19 erkannt wird.

Mittwoch, 20. Oktober, Endingen: Jean-Pierre Gallati (3. von links) an einem Podium zur allgemeinen Dienstpflicht mit Irène Kälin, Priska Seiler-Graf, Moderator Maurice Velati, Maja Riniker und Thierry Burkart.
Jean-Pierre Gallati nahm in den letzten zwei Wochen an mehreren Regierungssitzungen teil und hatte auch öffentliche Auftritte – in die mögliche Zeit einer Ansteckung fällt unter anderem das Podium zur allgemeinen Dienstpflicht am Mittwoch, 20. Oktober. In der Mehrzweckhalle Endingen, wo der Anlass stattfand, war allerdings die Besucherzahl niedriger und die Personendichte geringer als am SVP-Parteitag eine Woche später. Deshalb ist es eher unwahrscheinlich, dass sich Gallati beim Podium in Endingen infiziert hat – zumal der Anlass ebenfalls mit Zertifikatspflicht durchgeführt wurde.

Freitag, 22. Oktober, Spreitenbach: Jean-Pierre Gallati (links) beim Besuch des Impfzentrums im Shoppi Tivoli, mit Stefanie Haas, Standortleiterin Impfzentrum Baden, Andrée Friedl, Infektiologin am Kantonsspital Baden und Andreas Obrecht, Leiter Covid-19-Programm.
Niedrig war das Infektionsrisiko für den Aargauer Gesundheitsdirektor auch bei einem Auftritt zwei Tage später: Am Freitag, 22. Oktober, besuchte Gallati das Impfzentrum im Shoppi Tivoli Spreitenbach. Dort gilt Maskenpflicht, was die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ansteckung auftritt, zusätzlich zum Impfschutz bei Gallati markant reduziert.
Gallati war wohl schon am Mittwoch ansteckend für Kontaktpersonen
Jean-Pierre Gallati ist gemäss Mitteilung der Staatskanzlei vom Montag seit dem 28. Juni doppelt gegen Corona geimpft. Dass er sich rund vier Monate nach der Impfung dennoch angesteckt hat, ist gemäss einer neuen Studie des Fachmagazins «The Lancet» nicht ungewöhnlich. Der Infektionsschutz durch die Impfung – also nicht der Schutz vor einem schweren Verlauf – sinkt laut der Studie bereits nach drei Monaten so stark, dass eine Infektion wieder wahrscheinlicher wird.
Für die engen Kontaktpersonen von Gallati, vor allem für die Ungeimpften unter ihnen, ist aber auch wichtig, seit wann der Gesundheitsdirektor selber ansteckend war, also das Virus weitergeben konnte. Laut dem Bundesamt für Gesundheit beginnt der ansteckende Zeitraum zwei Tage, bevor Covid-Symptome auftreten. Das wäre bei Gallati, der am Freitag erste Symptome zeigte, also ab dem vergangenen Mittwoch der Fall gewesen.
Am ansteckendsten sind Infizierte in jenen Tagen, an denen sie Krankheitssymptome haben. Bei milden Verläufen – dies dürfte bei Gallati der Fall sein, denn die Impfung schützt lange vor einer schweren Covid-Erkrankung – geht die Ansteckungsfähigkeit zehn Tage nach Symptombeginn stark zurück. Dies gilt gemäss BAG als Faustregel und würde bei Gallati bedeuten, dass er ab Donnerstag der kommenden Woche nicht mehr ansteckend wäre für andere Personen.
Gallati nimmt digital an Regierungssitzung vom Mittwoch teil
«Die Isolation des Gesundheitsdirektors hat keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Regierungsrats», hält Regierungssprecher Peter Buri fest. Gallati übe seine Regierungstätigkeit soweit als möglich digital aus, ergänzt Buri. «Er wird zum Beispiel bei der Regierungssitzung vom Mittwoch, 3. November, auf dem digitalen Weg teilnehmen.»
Sollte der Gesundheitsdirektor während seiner Isolationszeit einzelne Pflichttermine nicht wahrnehmen können, würde ihn Landammann Stephan Attiger vertreten. Die vier anderen Mitglieder des Aargauer Regierungsrats haben sich nach der Ansteckung von Jean-Pierre Gallati bisher nicht gezielt testen lassen. Buri sagt aber: «Sie werden sich sofort testen lassen, sollten Symptome einer Infektion auftreten.»