Einwohnerratswahlen in Aarau, Lenzburg und Buchs: So grün war der Herbst noch nie
«Aarau hat die Klimaagenda gewählt»; sagt Grünen-Parteipräsidentin Monika Suter – und eigentlich gilt das auch für Buchs und Lenzburg. Denn in allen drei Gemeindeparlamenten der Region konnten Grüne und/oder Grünliberale zwei bis drei zusätzliche Sitze gewinnen. Komplett überraschend kommt das nach den Erfolgen der Ökoparteien bei den Grossratswahlen im vergangenen Jahr natürlich nicht. Man hat mit einer grünen Welle gerechnet. Die Frage war lediglich: Wie gross wird sie und wen spült sie weg?
In Buchs ist die Antwort relativ einfach: Die GLP profitiert vom Nicht-Wiederantritt Reto Fischers und verleibt dessen zwei Sitze ein; holt ausserdem einen dritten und hat nun vier. Zwar freuen sich in Buchs die listenfusionierten SP/Grüne darüber, dass sie ihre netto zehn Sitze halten können. Aber eigentlich ist das kein gutes Resultat. Denn mutmasslich hätten die Grünen grösseres Potenzial, konnten aber nicht mehr Personal stellen. Die SP hätte alleine wahrscheinlich nicht alle ihre Sitze verteidigen können.
Einstecken muss – auch dies wundert insbesondere nach den Exekutivwahlen im September nicht allzu sehr – die SVP Buchs: Sie verliert einen Sitz. Kumuliert mit den minus drei Sitzen aus den Wahlen 2017 ergibt das einen Rückgang von vier. Die neun Gewählten Buchser SVP-ler (darunter nur eine Frau) sollten ein gutes Sitzleder haben; denn es gibt nur zwei Ersatzkandidaten. Das zeigt: Die Personaldecke ist dünn.
Auch bei der SVP Aarau, die dieses Jahr drei Sitze im Einwohnerrat verliert – nachdem sie im September schon mit dem Versuch, einen Stadtratssitz zu erobern, gescheitert ist. Das ganze Elend der SVP zeigt sich am Aarauer Einwohnerrat Libero Taddei: 2009 gewählt, 2017 abgewählt, 2018 wieder nachgerutscht, 2021 erneut abgewählt und jetzt auf dem dritten Ersatzplatz. Die SVP habe es schwierig in den Städten, sagt Simon Burger, Präsident SVP Aarau.
Zu ihrem Glück hat die Partei hüben wie drüben beliebte, gut vernetzte und vor allem gemässigte Mitglieder (Geschwister Jaisli in Buchs, Urs Winzenried in Aarau, Brigitte Vogel in Lenzburg), die dank Fremdstimmen mit jeweils deutlichem Stimmenvorsprung gegenüber dem «Feld» gewählt werden und so möglicherweise noch weitere Sitzverluste abwenden. Dass sich die Hardlinerlinie nicht mehr unbedingt auszahlt, zeigt sich, nebenbei bemerkt, auch an der Nicht-Wahl von Vize Bruno Rudolf als Ammann von Reinach.
Zurück zu den Siegern: Die Grünen holen in Lenzburg zwei Sitze, in Aarau drei. Die Grünliberalen holen in Lenzburg zwei Sitze dazu, in Buchs und Aarau sogar drei. In Aarau bemerkenswerterweise nicht auf Kosten der aufatmenden SP, die ihre Sitze halten kann (in Lenzburg muss sie einen hergeben). Es verlieren in Aarau vielmehr SVP, FDP und «Die Mitte». Ein klarer Linksrutsch, mit dem so wohl die Wenigsten gerechnet haben.
Was bedeutet die neue Zusammensetzung nun für die kommende Legislatur?
Die Bürgerlichen, wenn man FDP, SVP und «Die Mitte» dazu zählt, haben in Aarau jetzt nur noch 18 von 50 Sitzen. Bisher waren es 24, was – je nach Anwesenheitsdisziplin der Linken – mitunter reichte, um eine Abstimmung zu gewinnen. Künftig werden sie sich wohl noch öfter geschlagen geben müssen. Zumindest im Rat. Möglich, dass sie sich mit Referenden (siehe «Zukunftsraum») und Initiativen (siehe «Schuldenbremse») wehren. Klar ist: Grüne Anliegen werden in Aarau in den nächsten Jahren die Einwohnerrats-Hürde problemlos nehmen. Schon vor Monaten hatten GLP und Grüne einen Strauss an Klima-Vorstössen beim Stadtrat deponiert, die sie nun 2022 in komfortabler Ausgangslage abarbeiten dürfen.
Dafür wird in Lenzburg künftig entscheidender werden, wer die Einwohnerratssitzungen schwänzt. Denn: Der Linksrutsch aus den Stadtratswahlen hat sich bei der Zusammenstellung des Parlaments wiederholt. Im September verloren «Mitte» und SVP ihre Stadtratssitze, dafür kam die GLP neu rein, die SP holte einen zweiten, die FDP behielt ihre zwei. Bei den Einwohnerratswahlen konnten die drei Bürgerlichen Parteien insgesamt ihre Mehrheit nicht halten: Sie haben nun gemeinsam exakt die Hälfte der 40 Sitze.
In Buchs stellen die Bürgerlichen mit 21 von 40 noch immer die Mehrheit. Das lässt die Hoffnung zu, dass das Parlament den ebenfalls bürgerlich geprägten Gemeinderat (2 FDP, je 1 EVP, parteilos, «Die Mitte») nicht dauernd auf der Zielgeraden abfängt. Es ist aber auch absehbar, dass der Rat der anstehenden Diskussion über die Revision der Bau- und Nutzungsordnung einen grünen Stempel aufdrücken wird – was das in einer wichtigen Entwicklungsphase befindliche Buchs entscheidend prägen dürfte. Ob das mit oder ohne Steuererhöhung geht, ist die grosse Frage.