Grosser Rat: Weniger Steuern für Firmen, mehr Prämienabzüge für Private – doch das letzte Wort hat das Volk

Im Grossen Rat kam es am Dienstag zum erwarteten Showdown um die jüngste Steuersenkungsvorlage für Firmen und Privatpersonen. Die Fronten standen vorher schon fest. Vertreterinnen und Vertreter von SVP, FDP, Die Mitte und Grünliberalen warfen sich für die Vorlage in die Bresche. Umgekehrt wehrten sich Grossrätinnen und Grossräte von SP, Grünen und EVP im Rat ein letztes Mal (vergeblich) gegen die Pläne der Bürgerlichen.

SVP: Die Vorlage ist ausgewogen und dringend nötig

Für die SVP beispielsweise gab Andy Steinacher bekannt, man werde die Steuervorlage einstimmig unterstützen. Sie sei ausgewogen. Dringend nötig sei die Erhöhung des Versicherungsabzugs. Da sei man derzeit bei Familien auf dem letzten Platz der Kantone. Und bei den Gewinnsteuern sei der Aargau auf den drittletzten Platz zurückgefallen. Er dürfe nicht weiter ins Hintertreffen geraten. 80 Prozent der Steuern kämen von vergleichsweise wenigen Firmen. Sie könnten ihr Steuerdomizil oder ihre Gewinne in einen anderen Kanton verschieben, mahnte Steinacher. Das will die SVP verhindern.

Mit Zahlungen an die Gemeinden zum teilweisen Ausgleich ihrer Mindererträge aufgrund der Senkung der Gewinnsteuer seien deren Bedürfnisse erkannt, lobte er. Die Mindereinnahmen würden sukzessive ausgeglichen, ist er überzeugt. Die Vorlage sei eine Investition in die Zukunft des Aargaus.

Karin Faes (FDP) zitierte aus dem Brief eines Aargauer Unternehmers an sie. Er berichtete ihr erfreut über eine eben eingetroffene Baubewilligung – allerdings nicht im Aargau, sondern im deutlich steuergünstigeren Nachbarkanton Luzern. Sie hoffe sehr, sagte Faes, dass die Firmen hierbleiben: «Die Gemeinden brauchen diese Steuereinnahmen.» Sie bat um Zustimmung zur Vorlage.

SP, Grüne und EVP lehnen die Vorlage ab

Isabelle Schmid auf der anderen Seite begründete namens der Grünen die Ablehnung dieser Vorlage. Von pauschalen Steuerabzügen profitierten reiche Haushalte überproportional, kritisierte sie. Man würde das Geld besser etwa in Kinderbetreuung, Sprachkurse oder Musikstunden investieren. Grüne: Gewinnstarke Firmen sollen ihren Beitrag leisten Mit der Vorlage sänken die Gewinnsteuern massiv. Das lehnen die Grünen ab. Gewinnstarke Firmen sollen auch künftig ihren Beitrag leisten, so Schmid. Die vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen an die Gemeinden seien zudem nur Kosmetik. Die Grünen fordern stattdessen eine Vorreiterrolle des Kantons im Klimaschutz. Sie würden das Referendum gegen diese Vorlage mittragen, kündigte Schmid schliesslich an.

Carol Demarmels (SP) verwies darauf, dass der Kanton Luzern nach einer Gewinnsteuersenkung vor Jahren grosse Ausfälle beklagen musste und Leistungen gesenkt wurden. SP, EVP und Grüne befürchten, dass die Rechnung des Kantons Aargau nicht aufgeht, und die erhofften neuen Steuererträge nicht oder viel zu wenig eintreffen, und dann Leistungen gesenkt oder die Menschen mehr Steuern zahlen müssten, um dies auszugleichen.

Markus Dieth wirbt nochmals für die Vorlage

Zum Schluss der Eintretensdebatte beschwor Finanzdirektor Markus Dieth den Rat, dass alle profitieren würden. Auch er verwies darauf, dass vergleichsweise wenige Firmen 82 Prozent der Firmensteuern beitragen. Viele KMU seien zudem Zulieferer grosser Firmen. Wenn grosse, gewinnstarke Firmen einen niedrigeren Tarif haben und mehr investieren können, profitierten davon indirekt auch Zulieferbetriebe. Der Kanton werde attraktiver und wettbewerbsfähiger.

Dieth warf aber auch die Frage in den Raum, was es wohl koste, wenn man nichts tue. Dies weil umliegende Kantone wie die beiden Basel, Solothurn, Luzern und Zug inzwischen zum Teil deutlich tiefere Gewinnsteuersätze aufweisen als der Aargau. Man hoffe, dass Firmen dank der Tarifsenkung in den Aargau zurück verlagern würden, und sich neue ansiedeln. Im Kanton Luzern sei vor Jahren tatsächlich eine massive Senkung beschlossen worden, meinte Dieth, gleich runter auf 12,3 Prozent. Sie habe bei den Firmen aber Dynamik ausgelöst. Der Aargau hingegen plane eine viel kleinere Senkung, die zudem zeitlich etappiert wird.

Der Rat hiess nach vielen Voten auf beiden Seiten die Vorlage deutlich mit 94:39 Stimmen gut. Worauf SP-Co-Fraktionspräsidentin Claudia Rohrer ans Rednerpult trat.

40 Grossrätinnen und Grossräte für Behördenreferendum

Vom höheren Versicherungsabzug profitierten vorab Besserverdienende, sagte sie, das sei systemisch falsch. Die Gewinnsteuern zu senken, um mehr Einnahmen zu haben, mache keinen Sinn. Die Einwohnerinnen und Einwohner trügen das Risiko und müssten Steuererhöhungen in Kauf nehmen, so die Befürchtung. Um das zu verhindern beziehungsweise eine kantonale Volksabstimmung zu erreichen, beantragte Rohrer deshalb das Behördenreferendum.

Dafür braucht es 35 Stimmen (einen Viertel des Rates). 40 Grossrätinnen und Grossräte von SP, Grünen und EVP stimmten für das Referendum. Damit ist dieses zu Stande gekommen. Am 15. Mai werden die Aargauerinnen und Aargauer also an der Urne darüber entscheiden können.

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