Grüne Richterin lässt den Deal platzen und fordert 5 Jahre Landesverweis

Ein 40-jähriger kosovarischer Staatsbürger hätte sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht Willisau verantworten müssen. Vorgeworfen wird ihm von der Staatsanwaltschaft Sursee mehrfacher Einbruchdiebstahl, die mehrfache rechtswidrige Einreise und der illegale Aufenthalt in der Schweiz. Er ist im Aargau einschlägig vorbestraft (siehe Box).

Der Mann lebt im Kosovo und war von der Hauptverhandlung dispensiert. Nur ein Staatsanwalt und sein Verteidiger erschienen vor Gericht. Die Luzerner Justiz beschäftigt der Mann wegen zwei Einbrüchen in Dagmersellen. Am 2. November 2020 brach er in eine lokale Metzgerei ein. Als er beim Haupteingang kein Glück hatte, brach er ein Fenster mit einem Schraubenzieher auf. Da er kein Geld fand, verliess er das Gebäude wieder. Der Sachschaden beträgt laut der Anklageschrift rund 3000 Franken.

Es blieb nicht dabei: Am 12. November drang er nachts mit einem unbekannten Komplizen in die lokale Tierarztpraxis ein. Auch dort brachen die Kriminellen ein Fenster auf. Sie durchsuchten die Praxis und stahlen Fr. 441.70 aus der Kasse und weitere 50 Franken aus der Kaffeekasse. Fenster und Aktenschränke der Praxis wurden aufgebrochen und beschädigt.

Dem Bezirksgericht einen Deal unterbreitet

Der Mann hat beide Einbrüche gestanden. Am Dienstag ging es um eine «Anklage im abgekürzten Verfahren». Das heisst, Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten einen Deal vereinbart und präsentieren diesen dem Gericht. Dort wird allenfalls noch über Details verhandelt. Falls ein Richter oder eine Richterin im Grundsatz zustimmt, ist das Urteil gesprochen – und die Sache «prozessökonomisch» kostengünstig erledigt.

Für die Strafzumessung ist vorab das Verschulden des Täters massgeblich. In diesem Fall fand die Staatsanwaltschaft Sursee eine unbedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten und die Übernahme von Kosten angemessen. Nach ihrer Auffassung liegt ein mittelschweres Verschulden vor. Es handle sich um einen klassischen «Kriminaltouristen», der aufs Geld aus war.

Im Verfahren habe er sich kooperativ verhalten und gestanden. Allerdings leugnete er den Einbruch in der Tierarztpraxis zuerst bei der Polizei. Die Widerhandlungen gegen das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) seien leicht straferhöhend zu berücksichtigen. Zudem sei er vorbestraft.

Einbruchdiebstahl mit Hausfriedensbruch zählt zu den sogenannten Katalogtaten, die automatisch die Ausschaffung nach sich ziehen. Die Staatsanwaltschaft beantragte fünf Jahre Landesverweisung.

Am Prozess in Willisau kam es jedoch zu keiner Einigung. Die zuständige Einzelrichterin würdigte die Widerhandlungen gegen das AIG anders. Sie wollte den Mann wegen «Verweisungsbruch» verurteilt sehen; wer eine von einer Behörde auferlegte Landes- oder Kantonsverweisung bricht, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Im Weiteren sagte sie, dass im Hinblick auf die Dauer der beantragten Massnahme von fünf Jahren Landesverweisung zu berücksichtigen sei, dass gegen den Beschuldigten bereits eine Landesverweisung ausgesprochen wurde. «Es liegt somit ein Wiederholungsfall im Sinne von Artikel 66 im Strafgesetzbuch vor, für welchen das Gesetz eine Landesverweisung von 20 Jahren vorsieht.»

Der Staatsanwalt bejahte zwar den mehrfachen Verweisungsbruch, fand aber fünf Jahre Landesverweisung angesichts des geringen Deliktbetrags angemessen. «Sie dürfen auch nicht vergessen, dass dies mit dem Beschuldigten ausgehandelt wurde», sagte er.

Artikel 66, der auf der Ausschaffungsinitiative basiert, sei in der Rechtslehre arg in Kritik geraten, erklärte der Staatsanwalt, «sowohl wegen des Automatismus wie wegen der langen Dauer von 20 Jahren». Eine lebenslange Verweisung werde von der Lehre gar als rechtswidrig beurteilt. Er hielt am Antrag auf fünf Jahre fest. «Ich könnte aber auch mit sechs oder sieben Jahren leben», sagte er. Dazu müsse der Beschuldigte aber seine Zustimmung geben. Ein Luzerner Anwalt vertrat den Kosovaren als amtlicher Verteidiger. «Ein abgekürztes Verfahren ist ein Deal», erklärte er. Fünf Jahre seien ausgehandelt und «schon drakonisch genug». Der Gesetzgeber sei von Schwerkriminellen ausgegangen, nicht von Kleinkriminellen. Wenn sogar ein so «scharfer Staatsanwalt» für fünf Jahre sei, verstehe er den Antrag nicht. «Ich würde mir mehr Mut von jungen Richterinnen wünschen», sagte er. Die Willisauer Richterin, die der Grünen Partei angehört, blieb jedoch dabei. «Schlussendlich ist das Gesetz so, wie es ist. Ich habe es nicht gemacht», sagte sie.

Laut der Richterin erfüllt der Mann, indem er gegen die Landesverweisung verstiess, sowohl die Tatbestände der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts gemäss Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) als auch jenen des Verweisungsbruchs. Wenn beide Tatbestände erfüllt seien, gehe der Verweisungsbruch vor. Der Kosovare wird nun gemäss Angaben des Staatsanwalts voraussichtlich in der Schweiz und im Schengenraum zur Verhaftung ausgeschrieben, und die Sache startet mit einem ordentlichen Verfahren von vorne.

Er ging in Interlaken ins Netz

Am 14. November 2020 wurde der beschuldigte Kriminaltourist in Interlaken kontrolliert und wegen einer Ausschreibung im Polizeianzeiger des Kantons Aargau festgenommen. Danach sass er in Zofingen ein und wurde vom Amt für Migration über Kloten nach Pristina ausgeschafft. Dazu muss man wissen: Das Bezirksgericht Laufenburg hatte gegen den Kosovaren 2018 wegen früherer Delikte eine bedingte Freiheitsstrafe und eine Landesverweisung von sechs Jahren ausgesprochen. Dennoch reiste der Mann laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Sursee im Herbst 2020 mit dem Zug aus dem elsässischen Mulhouse kommend über Basel in die Schweiz ein und hielt sich illegal hier auf. Im Elsass wohnen Verwandte von ihm. (ben)