Harziges Reisegeschäft: Knecht Reisen und Twerenbold fordern vom BAG Schnelltests statt Quarantänelisten

Die Reisebranche darbt. Corona bringt vor allem kleine Reisebüros an die Grenzen. Branchenkenner rechnen damit, dass jedes dritte Unternehmen gefährdet ist. Aber wie kommen eigentlich die grossen Anbieter im Aargau mit der Krise zurecht? Natürlich kämpfen auch sie.

Roger Geissberger, CEO der Knecht Reisegruppe, sagt: «Wir sind eine der wenigen Branchen, die faktisch fast unter einem Berufsverbot leidet.» Im Januar und Februar lief das Geschäft noch normal, aber seither gehe nicht mehr viel. Er rechnet damit, dass man 2020 zwischen 25 und 30 Prozent des Umsatzes von 2019 mache (der lag bei ungefähr 200 Millionen Franken ohne Eurobus).

Nach Öffnung der Grenzen sei das Europageschäft gut angelaufen. Aber Mitte Juli kam der Dämpfer in Form der Listen des Bundesamts für Gesundheit (BAG), die für Coronarisikogebiete eine Quarantäne vorschreiben. Fernreisen seien praktisch nicht möglich, so Roger Geissberger. Im Moment seien nur die Seychellen, Tansania, Kenia und Sansibar im Angebot. Ab 1. Oktober soll Südafrika ohne Quarantäne bereisbar sein. Geissberger: «Das ist sehr erfreulich, wenn es dabei bleibt.

Ein Dorn im Auge ist das Vorgehen des BAG

Den Südafrika ist eine sehr wichtige Destination.» Immerhin ein Hoffnungsschimmer. Was nichts daran ändert, dass man 2020 einen Millionenverlust einfahren will. Wie hoch dieser ausfällt, darüber will Geissberger nicht spekulieren. Ein Dorn im Auge ist ihm das Vorgehen des BAG. «Eine allgemeine Quarantänepflicht ist für unser Geschäft sehr schädlich», sagt er.

Es gibt auch Lichtblicke

Insgesamt bleiben die Aussichten für Knecht schlecht. Für 2021 rechnet Geissberger mit einem Umsatz, der 40 bis 60 Prozent unter dem von 2019 liegt. Selbst 2022 dürfte man erst wieder bei 90 Prozent angelangt sein. Doch die Gruppe werde gestärkt aus Krise herausgehen. Auch dank Kurzarbeit (derzeit sind rund 50 Prozent der Mitarbeiter betroffen), aber vor allem dank der eigenen Reserven.

Ob ein weiterer Stellenabbau nötig ist? Dazu will sich Geissberger nicht äussern. Trotz düsterer Prognosen gibt es für ihn auch Lichtblicke: «Die Leute wollen reisen, daran hat sich nichts geändert.» Geissberger: «Unsere Kunden haben ihr Geld diskussionslos zurückerhalten oder konnten umbuchen.» Mehr als die Hälfte der Kunden hätten umgebucht und kein Geld zurückverlangt.

Maskenpflicht bei Twerenbold: «Schutzkonzept wird geschätzt»

Auch Karim Twerenbold, Chef der Twerenbold-Gruppe, des zweiten grossen Reiseanbieters im Kanton, glaubt fest daran, dass das Reisefieber nur kurzzeitig gedämpft ist. «Ich war selbst auf einer Busreise in Süddeutschland und mit einem unserer Schiffe auf der Donau», erzählt er. Viele Gespräche mit Kunden führte er dort. Einige hätten ein mulmiges Gefühl gehabt, aber schnell gemerkt, dass alles funktioniert.

«Sie schätzen unsere Schutzkonzepte und geniessen es sehr, wieder reisen zu können», so Twerenbold. In ihren Bussen herrscht Maskenpflicht. Obwohl das in der Schweiz nicht obligatorisch wäre. Doch Twerenbold sagt: «Die Leute merken, dass unser Konzept greift, sie fühlen sich so sicherer und entspannter.»

Coronatests bei der Einreise gefordert

Die Maske sei ein kleiner Preis für ein grosses Stück Freiheit, das man zurückerlange.
Ein Dorn im Auge sind auch ihm die BAG-Listen. «Alle paar Tage ändert sich unsere Arbeitsgrundlage. Planung ist extrem schwierig.» Er sei grundsätzlich positiv, aber so komme «irgendwann der Hammer und ein hart erarbeiteter Schritt nach vorne, wird mit zwei Schritten zurück abtaxiert».

Auch Twerenbold fordert Coronatests bei der Einreise, wie es in den Nachbarländern vielerorts praktiziert würde. Auch die Twerenbold-Gruppe ist nicht existenziell gefährdet. Dank teilweiser Kurzarbeit, einem über Jahre hart erarbeiteten finanziellen Polster und punktueller Stellenreduktion. Aber Twerenbold betont: «Was ich vor drei Monaten gesagt habe, gilt immer noch: Über die gesamte Gruppe betrachtet, gibt es keinen Kahlschlag.»

Mehrheitsaktionär wird neuer CEO bei der Knecht-Gruppe

Roger Geissberger tritt Ende Jahr als CEO der Knecht-Gruppe zurück. Das sei von langer Hand geplant gewesen und habe nichts mit Corona zu tun, sagt er. Nach über 40 Jahren im Unternehmen, davon 33 Jahre als CEO und Partner, wechselt Geissberger von der operativen auf die strategische Ebene. Schon vor anderthalb Jahren habe man auf seinen Wunsch hin einen neuen Vertrag aufgesetzt und festgelegt, dass er ab 60 Jahren neu Mitglied des Verwaltungsrats werde. Nächstes Jahr feiert Geissberger seinen 60. Geburtstag und wechselt auf 2021 wie vertraglich vorgesehen in den Verwaltungsrats. Viel mit Corona zu tun hat sein Nachfolger als CEO der Reisefirma. Mehrheitsaktionär Thomas Knecht übernimmt ab Anfang 2021. Für wie lange ist unklar. Sicher ist, dass die Nominierung in der Branche für Staunen sorgte. Geissberger sagt: «Die Coronakrise ist die vermutlich grösste Krise, welche die Reisebranche je erlebt hat. In einer solchen Zeit setzen wir mit der Nominierung von Thomas Knecht ein Zeichen. Der Besitzer übernimmt, das zeigt, dass ihm etwas am Unternehmen liegt und das schafft auch Vertrauen.» (sel)