Helikopter-Streit im Aargau: Rega macht Angebot an Konkurrentin AAA – doch diese lehnt ab

Heli-Rettung im Aargau

2013 erhielt neben der Rega auch die Alpine Air Ambulance (AAA) im Kanton Aargau eine Bewilligung für die Luftrettung. Seither wird bei einem Notfall der gelbe AAA-Heli aufgeboten, wenn er verfügbar ist. Die Rega wird aufgeboten, wenn der AAA-Heli bereits in der Luft ist, die Rega näher ist oder wenn eine Seilwinde benötigt wird. Zuletzt waren Aargauer Rega-Gönner und -Gönnerinnen wegen der Parallelstrukturen verunsichert. Denn die Rega übernimmt ungedeckte Kosten nur für Einsätze, die sie selber fliegt.

Seit mehreren Jahren ist im Birrfeld der gelbe Rettungsheli der Alpine Air Ambulance (AAA) stationiert. Die kantonale Notrufzentrale bietet bei Bedarf jeweils den Heli auf, der am schnellsten vor Ort sein kann. Weil der gelbe Heli im Aargau stationiert ist, fliegt meist er Rettungseinsätze – ausser im Fricktal, dort ist der Basler Rega-Heli meist schneller.

Für den Aargau besteht damit eine sehr gute Versorgungssituation. Allerdings gibt es immer wieder Kontroversen, weil vom gelben Heli gerettete Patienten die Rechnung selbst bezahlen müssen, wenn die Versicherung nicht dafür aufkommt.

Das Angebot der Rega

Die AZ weiss: Die Rega hat der Aargauer Regierung und der Alpine Air Ambulance (AAA) ein Angebot unterbreitet. Die Rega möchte den gelben Heli im Birrfeld künftig direkt von ihrer nationalen Einsatzzentrale aufbieten können. «Wir sind überzeugt, dass es für alle Beteiligten – auch für die Patienten – sinnvoll wäre, den Helikopter im Birrfeld in die flächendeckende Luftrettungskoordination der Rega einzubinden», sagt Rega-Sprecher Adrian Schindler. Dieser Schritt würde vor allem die Koordination unter den Helikoptern verbessern, so Schindler. Das komme letztlich sowohl der Patientenversorgung als auch der Sicherheit im Einsatzbetrieb zugute. «Die Rega-Einsatzzentrale hat gemeinsam mit den Sanitätsnotrufzentralen 144 jederzeit den vollen Überblick über die zur Verfügung stehenden Rettungsmittel und kann so den nächsten und geeignetsten Rettungshelikopter aufbieten – unabhängig davon, ob dies Rega oder AAA ist.»

Heute erfolgen laut Schindler rund 40 Prozent der Rega-Einsätze aufgrund einer Alarmierung aus einer kantonalen Notrufzentrale. Bei der Rega wisse man nicht nur, wo sich die schweizweit zwölf Rega-Helikopter gerade befinden, sondern zum Beispiel auch, ob sie einen Leicht- oder Schwerverletzten transportieren, allenfalls gleich wieder verfügbar oder länger besetzt sind. Wäre der AAA-Heli auch Teil dieses Systems, hätte man diese Informationen ebenfalls und könnte ihn gleichberechtigt als zusätzlichen Rettungshelikopter einsetzen, argumentiert der Rega-Sprecher.

Die Voraussetzungen für eine Integration des Birrfelder Helikopters ins Einsatzleitsystem der Rega seien geschaffen, so Schindler. Unter anderem wurde eine nahtlose Schnittstelle zwischen der Rega-Einsatzzentrale und der neuen, modernen Einsatzzentrale der Sanitätsnotrufzentrale 144 des Kantons Aargau realisiert, welche künftig eine noch engere Zusammenarbeit ermöglicht.

Der AAA-Heli im Birrfeld wird seit Jahren von der kantonalen Notrufzentrale und inzwischen auch überkantonal erfolgreich eingesetzt. Warum soll er also auf das Rega-Angebot einsteigen? «Von dieser Lösung profitieren alle», sagt Rega-Sprecher Schindler. «Die Crews des Birrfelder Helis könnten während ihrer Einsätze auf die Unterstützung der erfahrenen Rega-Einsatzleiter zurückgreifen, welche die Helikopter-Crews über das eigene Funknetz der Rega laufend mit zusätzlichen Informationen, beispielsweise zur Wetterentwicklung oder über andere Luftfahrtteilnehmer, versorgen.»

Air-Glaciers-Lösung als Vorbild

Schindler nennt einen weiteren Vorteil für die 260’000 Aargauer Rega-Gönnerinnen und -Gönner: «Die Rega könnte gemäss ihrem Gönnerversprechen künftig auch allfällig ungedeckte Kosten nach einem Einsatz des Birrfelder Helikopters übernehmen.» Hintergrund dafür sind die Gönnerbestimmungen der Rega, die einen Kostenerlass für «selber erbrachte oder organisierte Hilfeleistungen» erlauben.

Die Lösung, die nun im Aargau diskutiert wird, ist im Kanton Bern laut Schindler bereits seit mehreren Jahren erfolgreich im Einsatz: Dort bieten die Einsatzleiter der Rega die ins System eingebundenen Rettungshelis der Air-Glaciers auf – in Zusammenarbeit mit der kantonalen Sanitätsnotrufzentrale.

Die Rega ist zuversichtlich, dass eine ähnliche Lösung auch im Aargau auf offene Ohren stösst. «Unter anderem aus der Beantwortung der Interpellation der Grossräte Ulrich Bürgi und Martin Brügger durch den Regierungsrat haben wir positive Signale erhalten, dass eine künftige Einbindung des Birrfelder Rettungshelikopters ins überkantonale Luftrettungssystem der Rega Realität werden könnte», sagt Schindler. «Wir würden es sehr begrüssen, wenn wir gemeinsam mit allen Akteuren die heutige Situation, die in der Bevölkerung immer wieder für Verunsicherung gesorgt hat, verbessern könnten.»

AAA: Schnelligkeit zuerst

Doch trotz ausführlicher Argumentation der Rega nimmt die AAA das Angebot der Rega nicht an. CEO Jürg Fleischmann macht gegenüber der AZ klar: «Wir arbeiten seit Aufnahme unserer Tätigkeit im Jahr 2012 gemäss dem ‹Next Best Prinzip›.» Das heisst, dass immer das am besten geeignete Rettungsmittel aufgeboten werden soll, welches am schnellsten am Einsatzort sein könne. Schnelligkeit sei in einem Notfall das oberste Kriterium, betont Fleischmann, selbst Helikopterpilot. «Nur eine unabhängige und zentrale Triage kann ermöglichen, dass das richtige Rettungsmittel zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort kommt.» Für diese Aufgaben seien kantonale (wie im Aargau) respektive überkantonale (Schutz & Rettung Zürich) Einsatzleitstellen mandatiert, welche die gesamte Rettungskette disponieren – also Ambulanzfahrzeuge, Feuerwehr und Rettungshelikopter und mit der Polizei Hand in Hand arbeiten.

«Es macht keinen Sinn, die Rettungsmittel am Boden und in der Luft zu trennen», sagt Fleischmann. Notrufe, die über die Nummer 144 hereinkommen, landen bei der jeweiligen Notrufzentrale: «Die ist unabhängig, sie weiss, was wo verfügbar ist, sie beurteilt professionell, welche Rettungsmittel nötig sind, und bietet diese direkt auf. Sie ist ständig mit ihnen in Kontakt und im Bild. Alles aus einer Hand, das geht am schnellsten.» Einen Teil dieser Aufgabe an eine private Einsatzzentrale zu delegieren, sei gar nicht nötig. Das Kantonsspital Aarau habe für seine Rettungsfahrzeuge auch keine eigene Einsatzzentrale. Das gelte im Wallis auch für die Air Zermatt und für Air-Glaciers. In den Notrufzentralen wäre man problemlos in der Lage, einen Regaheli direkt aufzubieten, ist Fleischmann überzeugt. Um nicht falsch verstanden zu werden, sagt er weiter: «Das Next-Best-Prinzip gilt natürlich überall. Wenn im Aargau oder irgendwo an einem Einsatzort der Rega-Heli schneller ist, muss man diesen aufbieten. Natürlich kann die Rega auch unseren Heli anfordern, wenn ihr nächster Heli im Einsatz ist.»

Notfallversorgung verbessert

Die Rega betreibt eine eigene Einsatzzentrale, die separat informiert werden müsse, «was die Informationskaskade und dazu die Ausrückzeit unnötigerweise um mehrere Minuten verzögert», so der AAA-Chef. «Dies entspreche eben nicht dem Next-Best-Prinzip, wofür wir einstehen.» Für Fleischmann ist klar, dass die Notfallversorgung im Aargau von lebensbedrohlich verletzten oder erkrankten Menschen in den vergangenen Jahren durch die schnelle Verfügbarkeit eines Helikopters im Kanton beschleunigt und verbessert worden ist.

Die Kosten für die Luft- und Bodenrettung werden gemäss Kranken- und Unfallversicherungsgesetz von den Sozialversicherungen getragen. Es kann bei Grundversicherten oder nicht ausreichend Unfallversicherten Deckungslücken geben, was in der Öffentlichkeit immer wieder zu Kontroversen führt. Fleischmann wendet hier allerdings ein, «dass Gönnermodelle nicht dafür garantieren, denn diese Spenden beinhalten keinen Versicherungsanspruch und gelten nur für die Anbieter». Ein grundversicherter Epileptiker etwa, der dreimal im Jahr einen Krampfanfall hat, weswegen eine Ambulanz gerufen wird, müsse für die nicht gedeckten Kosten zu 50 Prozent selber aufkommen – trotz Rega-Gönnerschaft.

Bisher weniger als 10 Fälle

«Es ist so, dass ein Teil der Kosten der von uns geleisteten Einsätze wie auch bei den bodengebundenen Rettungsdiensten aufgrund der Versicherungslücken unbezahlt bleibt», bestätigt Fleischmann. Und doch ist er erstaunt darüber, dass die Rega ihr Angebot, den gelben Heli im Birrfeld direkt aufbieten zu können, mit der Bezahlfrage verknüpft. Wie und ob jemand versichert ist, darf seines Erachtens nicht ausschlaggebend dafür sein, wer wen aufbietet. Fleischmann: «Bei AAA umfasst der Anteil unbezahlter Einsätze fünf bis zehn Prozent der Gesamtkosten. Gründe dafür sind meistens: unauffindbare ausländische Patienten, Asylbewerber oder Einsätze, bei denen der Patient in Folge verstorben ist.» In den vergangenen sechs Jahren gab es beim Heli im Birrfeld laut AAA weniger als 10 Fälle mit Kostenübernahmeabklärungen bei Rega-Gönnern.

Rega und AAA – beide sind im Dienste der Rettung unterwegs. Die Frage, wie man diese im Aargau am besten organisiert, entzweit sie weiterhin.