Hochhäuser: Etwas für alle, nicht für einige wenige erschaffen

Der Aargau ist ein Hochhauskanton: Bei der Hochhausdichte liegt er gemäss Wüest & Partner auf Rang vier nach den Stadtkantonen Genf, Basel-Stadt und Zürich. Eine Studie, die das Büro «sapartners» 2016 für Baden Regio erstellte, zählt im Kanton 263 Gebäude, die mindestens acht Vollgeschosse aufweisen oder höher sind als 25 Meter. Doch die Definition, was ein Hochhaus ist und was nicht, ist so eine Sache. Michael Rothen, der sich beim Kanton als Sektionsleiter in der Abteilung Raumentwicklung des Baudepartements mit Hochhäusern beschäftigt, erklärt: «In unserer Baugesetzgebung gibt es keine explizite Erwähnung des Hochhauses als Gebäudetyp.» Deshalb gebe es im Aargau weder explizite Bauvorschriften noch abschliessende Vorgaben, wie man mit ihm in der Ortsplanung umgehen solle. «Es gibt einzig feuerpolizeiliche Anforderungen ab einer gewissen Höhe», sagt Rothen. Dies gilt für «Bauten, deren oberstes Geschoss mehr als 22 Meter über dem der Feuerwehr dienenden angrenzenden Terrain liegt bzw. mehr als 25 Meter Traufhöhe aufweisen». Weil aber das Hochhaus nach Jahrzehnten, in denen es aus den Köpfen von Planern und Volk verschwunden war, jetzt ein Revival erlebt, haben im Aargau viele Gemeinden das Thema aufgegriffen. Der Kanton unterstützt sie, hilft mit, wenn Regionen Hochhauskonzepte erstellen wollen. Rothen: «Das Hochhaus kann zukunftsträchtig sein, wenn man es richtig plant, nutzt und allenfalls mit den nötigen Services wie Kindertagesstätten oder Betreuung für Senioren ausstattet.» Es könne ein Pendant sein zum «ziemlich fertig ausgelegten Einfamilienhausteppich». Aktuell gibt es viele Projekte, so in Kaiseraugst (Liebrüti), Suhr (Henz-Areal), Baden (ABB-Areal), Aarau (Torfeld Süd), Spreitenbach (Limmatspot, Neumatt).

Hoch hinaus in Spreitenbach
Doch was gibt den Ausschlag, dass man sich an gewissen Orten für ein Hochhaus entscheidet? Ist es für die Erbauer ein Vor- oder Nachteil, dass die Aargauer früh an Hochhäuser gewöhnt wurden – gibt es deswegen mehr oder gerade weniger Akzeptanz? Frans Rammaert ist als Leiter Immobilienentwicklung beim Totalunternehmer Losinger Marazzi für das Projekt Neumatt Spreitenbach zuständig. Neben den Hochhäusern um das Shoppi Tivoli sind zwei Doppelhochhäuser mit 600 Wohnungen geplant. Rammaert, gebürtiger Franzose, der in vielen Ländern gebaut hat, sagt: «Es ist eine spannende Herausforderung, in diesem Umfeld Hochhäuser zu bauen.» Einerseits wolle man auf Pionierbauten der 60er-Jahre Rücksicht nehmen, anderseits einen neuen Akzent setzen. «Das geht nur, wenn man die Bevölkerung ins Boot nimmt.» Hier war es eine Vorgabe des Entwicklungsrichtplans, dass es Hochhäuser geben soll. «Hoch zu bauen, bedeutet weniger Fläche zu brauchen», sagt Rammaert. Man müsse den Anwohnern aufzeigen, dass nicht nur die Häuser eine hohe Qualität hätten, sondern dass man mehr Freiraum schaffe und die Umgebung schöner gestalte: «Am Schluss soll das ganze Dorf davon profitieren.» Eine Begleitgruppe mit Vertretern der Gemeinde und Pro- und Kontra-Bewegungen könnten mitreden. «Es gibt kein Rezept für ein Hochhaus. Man muss auf den Standort reagieren.»

Aarau: «Nicht wie eine Wand»
Ein grosser Wurf ist auch in Aarau geplant. Gleichzeitig mit einem neuen Fussballstadion für den FC Aarau soll im Torfeld Süd eine ganze Hochhaussiedlung mit vier Türmen entstehen. Drei Büros hatten Konzeptvorschläge eingereicht, jener der Zürcher Gmür Gschwentner siegte. Architekt Patrick Gmür, der als ehemaliger Stadtplaner Zürichs hochhauserfahren ist, sagt: «Das Ensemble wird im Stadtbild sehr präsent, daher wollen wir einen öffentlich Ort schaffen, der von den Stadtbewohnern akzeptiert ist.» An diesem Standort komme man nicht darum herum, «in die Höhe zu gehen», gleichzeitig müsse man den Massstab im Auge behalten. Bei der Planung wurde regelmässig geschaut, wie die Hochhäuser vom Schachen oder vom Alpenzeiger her aussähen. «Wir wollen nicht, dass die Gebäude wirken wie eine Wand.» Die Erfahrung, die man in Zürich sammeln konnte (etwa «Hard Turm Park») seien «sicher hilfreich». Dass die Hochhaus-Tradition hilft, die Anwohner zu begeistern, glaubt Gmür nicht: «In der Schweiz sind immer 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung dagegen, egal, was Sie vorhaben.» Deshalb sei es wichtig, dass Direktbetroffene mitspracheberechtigt seien. «Ein Hochhaus in der Stadt sollte immer ein Gewinn für alle und nicht für einige wenige sein.»