Hofmann: «Letztlich kann der Staat Entlassungen nicht verhindern»

Vor zwei Jahren hatte Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann die Fusion von General Electric und Alstom als positiv bezeichnet. Inzwischen hat GE im Aargau rund 1000 Stellen abgebaut, weitere 1300 sind gefährdet (AZ von gestern Dienstag). Hofmann will die Firma nun an frühere Versprechungen erinnern und für die Vorzüge des Aargaus als Wirtschaftsstandort werben.

Herr Hofmann, war der Regierungsrat über die Abbaupläne von GE im Aargau informiert, oder haben Sie aus der Zeitung davon erfahren?
Urs Hofmann: Es gab seit Wochen schon Gerüchte über einen Stellenabbau bei General Electric, auch die Zahl von 1300 Betroffenen geistert herum. Der Regierungsrat ist regelmässig in Kontakt mit der GE. Unabhängig vom Artikel in der AZ fand auch gestern Dienstag ein Gespräch statt. Aber auch gegenüber uns bestätigt das Unternehmen weder den Stellenabbau noch die Zahl der gefährdeten Jobs.

Bereits vor zwei Jahren hat GE im Aargau rund 1000 Stellen abgebaut. Sind Sie enttäuscht, dass schon wieder Jobs gestrichen werden sollen?
Noch steht die Zahl eines möglichen Stellenabbaus nicht fest, sodass ein abschliessender Kommentar verfrüht wäre. Allerdings wäre es auch blauäugig, einen möglichen Stellenabbau als reines Gerücht abzutun. Kommt es zu einem grösseren Stellenabbau, wäre der Regierungsrat tatsächlich enttäuscht. GE ist einer der grössten Arbeitgeber im Aargau. Zudem gibt es zahlreiche Zulieferbetriebe. Ein weiterer massiver Stellenabbau wäre deshalb für den Standort Aargau gravierend.

2015 hat GE einen Abbau von 1300 Stellen angekündigt, abgebaut wurden dann 900 Jobs – wie zuversichtlich sind Sie, dass es diesmal auch weniger sein werden?
Es wäre reine Spekulation, jetzt über die genaue Zahl der gefährdeten Stellen zu werweissen. Ich bin nicht einmal sicher, ob die Verantwortlichen bei GE schon wissen, wie viele Jobs wo abgebaut werden sollen. Selbstverständlich wird der Regierungsrat jedoch auch diesmal alles daransetzen, dass möglichst wenig Stellen verschwinden. Wenn es zu Entlassungen kommt, erwarten wir von GE einen grosszügigen Sozialplan.

Noch im letzten Jahr lobte GE den Standort Aargau und versprach, neue Stellen zu schaffen. Fühlen Sie sich hintergangen von der Firma?
Jede Stelle schmerzt, die im Aargau verloren geht. Offenbar plant GE jedoch wegen des schlechten Geschäftsgangs in der Energiebranche weltweit Restrukturierungen. Sollte die Schweiz stärker als ausländische Standorte vom Stellenabbau betroffen sein, stünde dies im Widerspruch zu den Aussagen von GE und wäre für uns eine grosse Enttäuschung.

Was kann der Regierungsrat konkret gegen den Stellenabbau tun?
Wir stehen, auch mit Unterstützung von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, laufend in Kontakt mit der GEFührung. Wir setzen weiterhin alles daran, den Verantwortlichen die Standortqualitäten des Aargaus und der Schweiz zu vermitteln. Und wir erwarten, dass sich GE an die früher gemachten Aussagen hält.

Aber steht man als Aargauer Volkswirtschaftsdirektor einer multinationalen Firma letztlich nicht ziemlich ohnmächtig gegenüber?
Es ist eine Tatsache, dass die Politik in der Schweiz Entlassungen nicht verbieten kann. Wie schon vor zwei, drei Jahren geht es wie gesagt auch jetzt darum, der GE-Führung die Vorzüge des Aargaus und der Schweiz aufzuzeigen: Gut ausgebildete, motivierte Mitarbeitende, eine hohe Lebensqualität, Hochschulen und Forschungsinstitute von Weltklasse, wie die ETH und das PSI, sowie der Schweizerische Innovationspark mit dem Standort in Villigen.

Schmerzt es Sie als Ex-Gewerkschafter nicht, mit ansehen zu müssen, wie Hunderte von Menschen entlassen werden, damit ein Unternehmen mehr Gewinn macht?
Jeder Stellenabbau und jede Entlassung schmerzen. Inwieweit es im konkreten Fall um eine reine Gewinnmaximierung geht, kann angesichts der Faktenlage noch nicht beurteilt werden. GE ist aber ein gewinnorientiertes Unternehmen und keine gemeinnützige Institution. Letztlich werden die Entscheide in den USA getroffen, und mit dem liberalen Arbeitsrecht in der Schweiz können Entlassungen vom Staat nicht verhindert werden.

Noch vor zwei Jahren sagten Sie, die Fusion von GE und Alstom sei positiv – wie beurteilen Sie diese Aussage und die Situation heute?
Es ist müssig, heute zu diskutieren, was passiert wäre, wenn Alstom im Energiebereich eigenständig geblieben wäre oder die Sparte an Siemens verkauft hätte. Schon damals gab es Hinweise, dass Alstom in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Und bei Siemens sollen laut Medienberichten zahlreiche Standorte geschlossen werden. Tatsache ist, dass es bei Siemens mehr Überschneidungen mit Alstom gegeben hat als bei GE, sodass wohl eher mehr Stellen als weniger gefährdet gewesen wären.