
Illegale Blitzerwarnung auf Facebook sorgt für Furore – doch die Kantonspolizei ermittelt nicht
Der Facebook-Post hat es in sich: Vor einigen Tagen stellte ein Mitglied einer Facebook-Gruppe in Kaiseraugst ein in der Dämmerung aufgenommenes Bild einer semistationären Radaranlage beim Kaiseraugster Werkhof online und kaschierte die visuelle Radarwarnung mit dem Text: «De Werkhof z Kaiseraugst het es neus Schild montiert.»
Der Post ist inzwischen gelöscht, doch das Bild fand den Weg in die «Basler Zeitung», wo es einen Artikel über ein Gerichtsurteil aus dem Baselbiet illustriert. Danach können Radarwarnungen auch in geschlossenen Gruppen geahndet werden. Zudem, so urteilte das Gericht, sei eine Warnung in einer Facebook-Gruppe mit 11’000 Mitgliedern ohnehin öffentlich. Die Gruppe in Kaiseraugst ist (noch) öffentlich und hat 1375 Mitglieder. Inzwischen ist in der Gruppe eine Diskussion entbrannt, ob man den Gruppenstatus von öffentlich auf geschlossen wechseln will, damit keine Posts und Bilder mehr geklaut werden.
Das Kriterium, ob eine Radarwarnung geahndet werden kann, sei, ob sie öffentlich gepostet wurde, sagt Martin Steiger. Der Rechtsanwalt aus Zürich hat sich auf Recht im digitalen Raum spezialisiert.
Dies ist nun aber kein Radarwarn-Freipass für die Mitglieder von geschlossenen Gruppen, denn: «Auch eine geschlossene Gruppe kann öffentlichen Charakter haben», sagt Steiger. Der Anwalt empfiehlt, bei Chats und Gruppen, die nicht bloss aus einigen wenigen Personen aus dem eigenen Kreis von Familie und Freunden bestehen, vorsichtshalber von öffentlich auszugehen. «Bei zwei Dutzend oder mehr Personen kann es definitiv schwierig werden, nicht mehr von ‹öffentlich› zu sprechen», so Steiger. Im Fall von Kaiseraugst hätte der Status der Gruppe also keinen Unterschied gemacht für die Frage, ob die Warnung öffentlich erfolgt ist oder nicht.
Verbotene Warnungen vor Verkehrskontrollen seien ein Offizialdelikt, erklärt Steiger. «Das heisst, es wird von Amtes wegen ermittelt.» Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei, relativiert dies allerdings. Im Fall des inzwischen gelöschten Facebook-Beitrags in Kaiseraugst müsste ermittelt werden, wie viele Nutzer dieser erreicht hatte, so Graser. «Auf solche Ermittlungen rund um ein lokal aufgestelltes Messgerät verzichten wir jedoch» – aus Ressourcengründen.
Kantonspolizei setzt Prioritäten anders
Die Kantonspolizei Aargau als kleines Polizeikorps habe im Bereich Verkehrssicherheit «eindeutig wichtigere Prioritäten als zeitraubende Ermittlungen rund um solche Radarwarnungen», sagt Graser. Die Kantonspolizei setze ihre begrenzten Ressourcen vorab gegen grobe Verkehrsdelikte, Raserei und Fahren in nicht fahrfähigem Zustand ein.
Im vorliegenden Fall könnte auch die Regionalpolizei Unteres Fricktal ermitteln. Auch sie habe wichtigere Prioritäten als zeitraubende Ermittlungen rund um solche Radarwarnungen, sagt Repol-Chef Hansueli Loosli auf Anfrage. Die semistationäre Messanlage stehe in der Regel ein bis zwei Wochen am selben Standort. Bei Personen, die täglich an der Messanlage vorbei fahren, sei die Chance gross, dass sie das Tempo an dieser Stelle reduzieren und auch dann langsamer fahren, wenn die Anlage bereits entfernt worden sei. «Jedenfalls sind die Geschwindigkeiten und die Geschwindigkeitsüberschreitungen an den Standardmessstellen rückläufig», bilanziert Loosli.
Jene Autofahrer, die nach dem Entfernen der Messanlage wieder schneller fahren, «werden früher oder später mit dem mobilen, schwer entdeckbaren Radargerät erfasst», sagt der Leiter der Regionalpolizei.
Kommt es bei einer Radarwarnung zu einer Anzeige, so droht bei einer Verurteilung eine Busse. Liegt diese höher als 5000 Franken, führt dies zudem zu einem sichtbaren Eintrag ins Strafregister. Bussen in dieser Höhe sind laut Steiger bei verbotenen Radarwarnungen allerdings selten. In schweren Fällen droht ausserdem eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. «Strafverfahren sind für die meisten beschuldigten Personen belastend und werden selbst bei einem Freispruch häufig als eine Art Strafe empfunden», weiss Steiger.
Bleibt die Frage: Nützt es, die Radarwarnung, wie in Kaiseraugst, mit einem harmlosen Text zu versehen und so zu tun, als habe man das Radargerät beim Fotografieren übersehen? «Wenn behauptet wird, eine Warnung sei ‹verschleiert› erfolgt, stellt sich im Strafverfahren die Frage nach dem wissentlichen und willentlichen Handeln», sagt Steiger. Leider stelle sich diese Frage in Strafverfahren aber dadurch häufig nicht, weil sich die beschuldigten Personen selbst belasten.
Sie würden sich so in den meisten Fällen die Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung verbauen, sofern sie sich überhaupt verteidigen lassen. «Häufig sparen beschuldigte Personen am falschen Ort oder versäumen es, von Anfang an einen Strafverteidiger beizuziehen», bilanziert der Anwalt.
Im Zweifelsfall lohne es sich, die Aussage zu verweigern, bis man einen Strafverteidiger mandatiert habe. Denn: «Beschuldigte Personen, die nicht verurteilt werden, machten normalerweise von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.»