Im Aargau fahren 2020 die ersten Elektrobusse – mit Batterien aus der Badener Werkstatt der ABB

Die Eisengittertür schliesst sich mit einem lauten Klacken. Ein feines Surren. Der Roboterarm dreht sich, beugt sich herunter, ein Blitz und der QR-Code der Batteriezelle ist gescannt. Von hier an wird die Zelle digital verfolgt. Lebenslang. Ihre Werte während der Produktion, im laufenden Betrieb und während den Ruhezeiten werden in regelmässigen Abständen in die Cloud der ABB geschickt. So soll ihr Zusammenspiel analysiert, verstanden und verbessert werden.

Kaum sind die Batteriezellen digital erfasst, greift der Roboterarm zu. Klick, er schnappt sich die Zelle und setzt sie ins zuvor in Handarbeit gefertigte Batteriemodul. 48 Zellen in einem Modul, jedes 500 Gramm schwer. Batteriezellen aus Japan, neuster Lithium-Ionen-Standard, in der Schweiz zusammengebaut zu Modulen. Wenn sie getestet und geprüft sind, werden sie zu individuellen Speichersystemen verarbeitet. 10 bis 60 Module pro System, von über 300 bis fast 2000 Kilogramm schwer. Riesen-Batterien für die Speicherung von Strom.

Das Neonlicht glitzert auf der Stirn von Ernst Roth, dem lokalen Bereichsleiter Antriebe der ABB, als er vor der Fertigungsanlage stehend sagt: «Wir bauen keine Batterien, wir tüfteln nicht an einer neuen Chemie. Aber wir haben den Bau solch komplexer Systeme mit unserer Produktionsstätte sicherer und zuverlässiger gemacht.» Zwei Jahre haben er und sein Team damit zugebracht, diese in Baden zu planen und aufzubauen. Der Versuch, eine verpasste Chance doch noch zu nutzen.

ABB will dieselbetriebene Eisenbahnen elektrifizieren

Bei den Batterien für den Individualverkehr hat die ABB den Anschluss verpasst. Der Wettbewerb läuft dort längst über den Preis, die Renditen sind zu tief, als dass ein Markteintritt zu diesem Zeitpunkt lukrativ wäre. Also rückte der Schwerverkehr in den Fokus: dieselbetriebene Bahnen sowie Trolley- und Elektrobusse, aber auch E-Lastwagen. Robert Itschner, Schweiz-Boss der ABB sagt: «Wir spüren ein riesiges Interesse seitens unserer Kunden und haben bereits mehrere Aufträge erhalten. Aufgrund der Ergebnisse der Studien, die wir gemacht haben, gehen wir von einem grossen Markt aus.»

Ein Markt, der keine Grenzen kennt. Anders als in der Schweiz gibt es in vielen Ländern noch dieselbetriebene Eisenbahnen. Allein in Deutschland sind 17000 Bahnkilometer dieselbetrieben. Die Speicherlösungen der ABB sollen helfen, diese entweder gänzlich zu elektrifizieren oder wenigstens die CO2-Emmissionen durch Energierückgewinnung um bis 30 Prozent zu reduzieren.

Schon jetzt hat man an einem in Holland fahrenden Diesel-Zug von Stadler Rail getestet. Anfang 2020 sollen erste Trolleybusse auf der Linie 83 der Zürcher Verkehrsbetriebe zum Einsatz kommen und später auch in Lausanne und Fribourg. Verbaut in Busse der Carrosserie Hess AG aus Solothurn, die zuletzt auch einen Grossauftrag aus Indien vermeldete.

Menschen und Roboter arbeiten Hand in Hand

Die Nachfrage nach den ABB-Batterien könnte schnell wachsen. Aber darauf ist man in Baden vorbereitet. Künftig sollen hier auf dem schon fast klinisch sauberen Beton 15 bis 20 Personen arbeiten. Und zwei Roboter. Diese sollen die heikelsten Arbeiten übernehmen: das Einsetzen der Batteriezellen in die Module und das Verschweissen. Das alles passiert in einem Gitterkäfig. Sobald auch nur ein Türchen geöffnet wird, erstarrt der Robotergreifer. Man habe mit dieser Produktion einen neuen Standard gesetzt – auch bezüglich Sicherheit für die Mitarbeitenden.

Anlage muss noch von der Suva geprüft werden

Noch in diesem Monat soll die Produktion hochgefahren werden, sobald die Anlage von der Suva geprüft und freigegeben ist. Dann wird die ABB nicht nur Antriebssysteme fertigen, sondern auch Speicherlösungen anbieten. Alles aus einer Hand. Perfekt abgestimmt auf die Kundenbedürfnisse. Das soll das grosse Plus sein, das biete so noch niemand an. So kann zum Beispiel die Batterie für einen Bus auf die Strecke abgestimmt werden. Geht es hoch und runter oder ist die Strecke eben? Wie lange bleibt Zeit zum Laden und wo? Die ABB wird für jedes Bedürfnis das passende Energiespeichersystem bauen können.

Schon bald dürften sie auch im Kanton Aargau zum Einsatz kommen. Regierungsrat Stephan Attiger verrät zwischen Stehtischen und Kürbissuppe aus kleinen Gläsern beim Apéro nach der Eröffnung der wohl modernsten Batteriefertigung der Welt: «Ich rechne damit, dass wir erste Pilotprojekte mit Elektrobussen schon Mitte 2020 starten werden. Derzeit sind wir noch in der Planung. Wir müssen ja sicherstellen, dass die dafür benötigte Infrastruktur dann auch bereit ist.» Bis zum Fahrplanwechsel 2021 sollen dann schon verschiedene Linien mit E-Bussen betrieben werden. Die grüne Welle hat auch den Aargau erfasst.