
Jede vierte Aargauer Bankfiliale ist verschwunden – wer ausbaute, wer schrumpfte
Das Ende der Neuen Aargauer Bank (NAB) ist ein Schock für den Aargau. Auf einen Schlag streicht die Credit Suisse (CS) 18 von insgesamt 30 NAB- und CS- Filialen im Kanton. Das entspricht der Hälfte aller CS-Filialschliessungen in der Schweiz (insgesamt werden 37 Filialen geschlossen). Hunderte von Arbeitsplätzen dürften der Sparmassnahme zum Opfer fallen.
Als Hauptgrund für den radikalen Schnitt gibt die CS die Digitalisierung an. Automatisierung, Online- und Mobile-Banking sowie digitale Währungen haben zu grossen Verwerfungen der Bankenlandschaft geführt. Ein Blick in die Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigt: In den letzten 20 Jahren reduzierte sich die Zahl der Geschäftsstellen im Kanton Aargau von 257 auf 172, das entspricht einem Minus von 85 Geschäftsstellen oder einer Reduktion von mehr als 25 Prozent.
Geht man davon aus, dass es bis Ende Jahr bei den 18 Filialschliessungen von CS und NAB bleibt, reduziert sich die Zahl der Geschäftsstellen im Kanton auf 154, was im Vergleich zum Jahr 2000 einem Minus von über 40 Prozent entspricht.
Aargau bald bei Kantonen mit tiefster Filialdichte
Das erstaunt insofern, als dass der Aargau im schweizweiten Vergleich schon heute eine eher geringe Filialdichte ausweist (29 Filialen pro 100’000 Einwohner). Mit der weiteren Reduktion sinkt der Wert auf knapp 23 Filialen pro 100’000 Einwohner, womit der Aargau auf einen Schlag zu den Kantonen mit der geringsten Filialdichte gehört. Nur vier Kantone weisen eine noch tiefere Abdeckung aus: Zürich (20), Appenzell-Ausserrhoden (20), Basellandschaft (21) und Genf (22).
Wenn man die Reduktion der Filialen betrachtet, bewegt sich der Aargau im schweizerischen Mittel. Die prozentuelle Veränderung auf nationaler Ebene entspricht mit einem Minus von 25,7% (von 3433 auf 2552) fast jener auf kantonaler Ebene (26,1%). Der Personalbestand sank auf nationalem Niveau in derselben Zeitspanne um 20 Prozent. Auffällig: Während Filialen und Personalbestand rückläufig waren, wuchs die Zahl der Bancomaten in der Schweiz in den letzten 15 Jahren von 5445 auf 6990 (+28,4%).
So klar und deutlich das Bild, das sich zeigt, wenn man den Bankenplatz aus der Vogelperspektive betrachtet, so divers präsentiert es sich, wenn man bei den einzelnen Banken nachfragt und genauer hinschaut. So haben einige Banken ihr Filialnetz zusammengeschrumpft, während andere eine Wachstumsstrategie fuhren. Und natürlich gibt es auch die Banken dazwischen, die trotz Digitalisierung und verändertem Kundenverhalten an ihrem Filialnetz festhielten – die Konstanten.
NAB-Filialnetz schrumpft schon seit Jahren
Die CS hat die NAB seit ihrer Übernahme 1994 einer heftigen Abmagerungskur unterzogen. So schrumpfte das Filialnetz der NAB in den letzten 20 Jahren von 40 auf derzeit 26 Filialen zusammen. Wie sich das CS-Filialnetz in derselben Phase im Aargau entwickelte, dazu macht die Grossbank keine Angaben.
Aber die schweizweite Entwicklung spricht Bände: Noch 2013 unterhielt die Credit Suisse in der Schweiz 213 Filialen, Ende 2020 sollen es noch deren 109 sein. 12 davon im Kanton Aargau, was im Vergleich zu heute einem Minus von 18 Filialen (CS und NAB zusammen) entspricht. Selbst wenn sich das CS-Filialnetz im Aargau nicht verändert haben sollte in den vergangenen 20 Jahren (also konstant bei vier Filialen lag), wäre das gemeinsame Filialnetz der beiden Banken massiv geschrumpft: Von 44 im Jahr 2000 auf 12 Ende 2020, ein Minus von fast 75 Prozent.
Raiffeisen: Reduktion von 104 auf 73 Filialen
Stärker als im gesamtkantonalen Durchschnitt ist das Filialnetz der Raiffeisenbank im Aargau geschrumpft. Seit 2005 reduzierte sich die Zahl der Raiffeisen-Geschäftsstellen im Kanton von 104 auf derzeit 73. Die als Genossenschaft organisierte, national tätige Bank, überlässt den Entscheid bezüglich Niederlassungen den einzelnen Banken. Derzeit sind es im Aargau 24 Raiffeisenbanken, die für den Betrieb der 73 Filialen verantwortlich zeichnen. «Geschäftsstellen werden solange betrieben, wie sie von den Kunden aktiv genutzt werden und es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist», sagt Raiffeisen-Mediensprecher Joël Grandchamp.
Weit weniger heftig fiel die Reduktion des UBS-Filialnetzes aus. In den letzten zwanzig Jahren wurden einzig die Filialen Mutschellen, Bad Zurzach und Fislisbach geschlossen. Heute betreibt die UBS 13 Geschäftsstellen im Aargau. Man habe das Netz veränderten Kundenbedürfnissen angepasst, sagt UBS- Mediensprecher Igor Moser. Früher seien Geschäftsstellen der primäre Anlaufpunkt für Kunden gewesen. Künftig sei die Rolle der Filialen wesentlich fokussierter. «Im Vordergrund stehen wird die Beratung bei komplexen und für den Kunden sehr bedeutenden Themen wie der Vorsorge oder der Kauf eines Eigenheims», sagt Moser.
Die kleinen Banken halten ihr Filialnetz konstant
Auffällig ist, dass die Banken mit unverändertem Filialnetz zu den kleinen Playern im Kanton Aargau gehören. Die Bank Leerau (Kirchleerau und Schöftland) und die Bank Cler (Aarau und Brugg) haben seit zwanzig Jahren zwei Filialen im Kanton, die Clientis Banken deren drei (Küttigen, Erlinsbach, Oftringen). Ein Abbau ist bei keiner der Banken geplant. Und obwohl man das Filialnetz nicht vergrössert hat, wurde ordentlich in dieses investiert. Mehrere Millionen Franken, und zwar bei allen drei Banken. Natürlich auch in die digitale Aufrüstung der Filialen.
Das Wachstum fällt bei keiner der hier genannten Banken so stark aus, dass es den starken Abbau insbesondere von Raiffeisen und Credit Suisse kompensieren könnte. Dennoch kann man im Bereich der wachsenden Banken grundsätzlich zwei unterschiedliche Tendenzen feststellen.
Zum einen sind da die Hypothekarbank Lenzburg und die Aargauische Kantonalbank (AKB). Sie sind mit der Region verwurzelt, hatten schon vor zwanzig Jahren grosse Filialnetze, die sie in dieser Zeit sehr wohl angepasst, aber nicht gross ausgeweitet haben. Insgesamt kam bei der Hypi seit 2000 eine Filiale hinzu, bei der AKB waren es deren drei. Beide lassen offen, was künftig passiert. Bei der AKB heisst es: «Wir überprüfen aufgrund der neuen Situation allfällige Chancen.» Auch die Hypi weiss, wie wichtig der physische Kontakt mit den Kunden ist. Das Verschwinden der NAB trieb Leute zur Hypi. «Neue Kundinnen und Kunden eröffneten bei uns ein Konto mit dem Hinweis, dass sie weiterhin den persönlichen Kontakt in einer Geschäftsstelle wünschen», sagt Hypi-Vizedirektor Marc Fischer. Ein Filialausbau scheint bei der sehr auf die Digitalisierung setzende Hypi jedoch eher unwahrscheinlich.
Migros Bank und Valiant setzen auf Ausbaustrategie
Anders sieht es bei der Migros Bank und bei Valiant aus. Sie setzten im Aargau auf Wachstum. So wuchs das Filialnetz der Migros Bank in den letzten 20 Jahren von 3 auf 7 Filialen an, hat sich also mehr als verdoppelt. Das Wachstum dürfte weitergehen, wenn auch weniger stark. «Die Migros startet 2020 eine neue Phase der Niederlassungsexpansion», sagt Sprecher Urs Aeberli. Um nah bei den Kunden zu sein. Die erste Neueröffnung folgt am 12. September in Affoltern am Albis. Sie ziele «mit dem Einzugsgebiet Freiamt bewusst auf eine noch bessere Betreuung der Aargauer Kundinnen und Kunden», so Aeberli. Ob noch weitere Eröffnungen im Aargau hinzukommen, sei derzeit offen.
Die Valiant ist seit dem Jahr 2002 und der Übernahme der Interregio Bank im Aargau vertreten. So hatte man auf einen Schlag zwölf Filialen im Kanton. Zusätzlich hat Valiant seit 2009 drei Filialen in Baden, Brugg und Rheinfelden eröffnet. Die Bank fährt eine Expansions- strategie, sie will bis 2024 weitere 14 Filialen im ganzen Land eröffnen und 170 Stellen schaffen. Im Aargau sind aber keine neuen Geschäftsstellen geplant.
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