
Jetzt hat der Aargau eines der strengsten Einbürgerungsgesetze – Gegner befürchten Imageschaden
64,81 Prozent der Aargauerinnen und Aargauer stimmten dem neuen Gesetz über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht zu. Keine Gemeinde verwarf die Vorlage, auch in den Städten sagte die Mehrheit Ja. In Aarau waren es 53,19 Prozent, in Zofingen 59,99 und in Baden 51,93. Weniger Zustimmung als in Baden gab es einzig in Kaiseraugst (51,92). Am meisten Ja gesagt wurde demgegenüber in Böbikon mit 77,36 Prozent aller Stimmen. Die Stimmbeteiligung lag insgesamt bei 37,98 Prozent.
Die Einbürgerungsbestimmungen werden mit dieser Zustimmung im Aargau strikter. Wer sich einbürgern lassen will, darf neu in den zehn Jahren vorher keine Sozialhilfe bezogen oder muss sie bereits wieder zurückbezahlt haben. Zudem wird zum Einbürgerungsgespräch nur zugelassen, wer den Staatskundetest bestanden hat. Der Aargau hat jetzt somit eines der strengsten Einbürgerungsgesetze der Schweiz, die Bundesvorgaben für die Wartefrist nach dem letzten Sozialhilfebezug beträgt drei Jahre. Das galt seit 2014 auch im Aargau, nur die Kantone Bern und Graubünden kennen bisher die Zehnjahresfrist.
Befürworter sehen sich bestätigt
Bei SVP-Grossrat und Mitglied des Ja-Komitees Christoph Riner ist mit dem gestrigen Resultat die Freude gross: «Die Aargauerinnen und Aargauer wollen klare Regeln. Sie haben gleich gestimmt wie der Grosse Rat, was uns bestätigt», sagt er. Die Verschärfungen wurden auf eine Motion der CVP hin ins Gesetz aufgenommen, SVP, FDP, EDU und BDP unterstützten sie. Zur Abstimmung kam es, weil SP und Grüne das Referendum ergriffen hatten, ebenfalls Nein sagten EVP und GLP.
Kritik an Verknüpfung zweier Reizthemen
«Ich bin nicht zufrieden. Wir haben es leider nicht geschafft, die Bevölkerung zu überzeugen», sagt SP-Grossrätin und Co-Präsidentin des Nein-Komitees Lelia Hunziker ob der Deutlichkeit des Resultats. Die Bürgerlichen hätten es hingegen geschafft, mit dem Verknüpfen der Themen Sozialhilfebezug und Einbürgerungen die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, was Hunziker als «fatal» bezeichnet. «Es fragt sich, wie man die vorherrschende Meinung ändern kann, wonach Armut durch Faulheit entsteht und Sozialhilfebezüger selber Schuld an ihrer Situation sind». Es herrsche zudem ein Denken vor, dass nur dazu gehöre und eingebürgert werden kann, wer keinen «Tolggen im Reinheft» hat.
«Es ist ein sehr kleiner Teil der Gesellschaft, der vom neuen Gesetz betroffen ist, aber für diese Menschen können die Auswirkungen gravierend sein, ohne dass sie etwas dafür können», so Hunziker, die das auch als typisch für den Aargau sieht: «Jetzt haben wir eines der strengsten Einbürgerungsgesetze der Schweiz. Wir werden einmal mehr als kleinkariert und ausländerfeindlich wahrgenommen. Das bedeutet ein Imageschaden, der sich auch auf die Wirtschaft auswirken kann.»
Einen Imageschaden macht hingegen Christoph Riner nicht aus, im Gegenteil, wie er sagt. «Es ist absolut richtig, dass der Aargau jetzt eines der strengsten Einbürgerungsgesetze hat. Weil er den Spielraum der Bundesvorgaben ausreizt, übernimmt unser Kanton eine Vorreiterrolle. Es wäre schön, wenn andere nachziehen würden.» Die Linken hätten die Auswirkungen des neuen Gesetzes überspitzt dargestellt. «Das Argument, wonach das Gesetz unverhältnismässig wäre, hat offenbar keinen Anklang gefunden.»
Regierungsrat hätte es bei drei Jahren belassen
Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann (SP) sagt, das Resultat entspreche angesichts der Mehrheitsverhältnisse zwischen den Parteien im Aargau den Erwartungen. Der Regierungsrat hatte keine Abstimmungsempfehlung herausgegeben, da er mit den bis anhin geltenden drei Jahren Wartefrist einverstanden war. Der Bund zog erst 2018 nach. «Die Erfahrungen haben es aus unserer Sicht nicht nötig gemacht, das Gesetz wieder zu ändern», sagt Hofmann, Missstände seien bis jetzt keine bekannt. Aber: «Jetzt haben die Aargauerinnen und Aargauer so entschieden und es gilt», so der Regierungsrat. Er glaube nicht, dass die Verschärfung grosse Auswirkungen auf den Kanton haben wird.
«Die längere Wartefrist wird keine grosse Zahl von Einbürgerungswilligen betreffen. Zwar kann sie in diesen Einzelfällen zu schwierigen Situationen führen, aber man wird kaum von einem Massenphänomen reden können.» In den meisten Fällen würden die Betroffenen wohl einfach die längere Wartefrist akzeptieren.
Einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft befürchtet Hofmann auch nicht. «Ich glaube nicht, dass die nun verschärften Einbürgerungsbestimmungen für internationale Unternehmen bei der Standortsuche von Bedeutung sind».