
Kanton investiert bis zu 1 Milliarde in Immobilien – an der Finanzierung scheiden sich die Geister


Bis diese Woche konnten sich die Parteien zur Immobilienstrategie des Kantons Aargau äussern. Die Regierung hat diese vergangenen Dezember in eine Vernehmlassung geschickt. Eine Auswertung der der AZ vorliegenden Stellungnahmen zeigt: Die Idee als solche kommt gut an. Sie wird grundsätzlich begrüsst von FDP, CVP, GLP, EVP, BDP, SP und Grünen.
Immerhin mit den strategischen Stossrichtungen einverstanden ist auch die SVP. Seit Jahren fordere man eine Optimierung in Richtung Kauf statt Miete (was die Regierung jetzt auch vorschlägt) und weniger Raumbedarf. Dies und eine Vereinfachung der Beschlussfassung seien aber bereits mit geltendem Recht umsetzbar, halten Parteipräsident Thomas Burgherr und Fraktionschef Jean-Pierre Gallati fest.
Die vorgeschlagene Gesetzesänderung sei unnötig, verdeutlicht denn auch die fürs Dossier zuständige Grossrätin Regina Lehmann. Die EDU – mit ihren beiden Grossräten in der Fraktion der SVP – schliesst sich dieser weitgehend an. Der Frage, ob die Projekte im beschriebenen Zeitraum (vgl. Tabelle) realisiert werden müssen, stehe man aber skeptisch gegenüber, so EDU-Grossrat Rolf Haller. Der Handlungsbedarf für die Realisierung künftiger Bauprojekte – der zusätzlichen Kantonsschulen – sei für sie unbestritten, schreiben CVP-Fraktionschef Alfons Paul Kaufmann und Grossrätin Susanne Voser.
Grüne wollen Energievorreiter
Im Zuge der Sparmassnahmen sei der Unterhalt der kantonalen Liegenschaften jahrelang vernachlässigt worden, schreibt Grossrat Andreas Fischer für die Grünen. Sie sind erfreut, dass nun auch der Regierungsrat den Handlungsbedarf erkannt habe. Die Grünen fordern jedoch, «dass die Erneuerungen genutzt werden sollen, um den Aargau bei den eigenen Gebäuden als Vorreiter der Energiewende zu positionieren».
Regierung sieht zwei Varianten
Umstritten ist, wie all diese Projekte über die Jahre und Jahrzehnte finanziert werden sollen. Die Regierung hat zwei Varianten ausgearbeitet, die gleichwertig seien. Beide tasteten die gesetzlich verankerte Schuldenbremse nicht an, hält sie fest. Bei beiden Varianten seien nur Grossvorhaben, das heisst Immobilienprojekte ab 20 Millionen Franken betroffen.
Bei Variante 1 soll die heutige Finanzierungsgesellschaft Fachhochschule Nordwestschweiz erweitert werden.
Variante 2 sieht vor, dass anstelle der Investitionen neu die Abschreibungen in der Finanzierungsrechnung berücksichtigt werden. Bei beiden Varianten werde die Belastung der Schuldenbremse über die gesamte Nutzungsdauer gleichmässig verteilt, so die Regierung.
CVP und EVP befürworten Variante 2. Mit dieser Variante haben SP und Grüne kein Problem. BDP und GLP werden hingegen mit beiden Varianten nicht richtig warm. Beide setzen im Zweifelsfall aber eher auf Variante 1.
Weder mit der einen noch der anderen Variante etwas anfangen kann die SVP. Diese dienten «einzig und alleine der Aushebelung der Schuldenbremse», was man entschieden ablehne. «Nach uns die Sintflut» sei offenbar das Motto der Regierung, geisseln Burgherr und Gallati die Vorschläge. Auch die FDP lehnt beide Varianten ab. Variante 2 etwa könne «in Spitzenjahren zu erheblichen Investitionen führen, ohne dass dabei eine Investitionsbremse vorhanden ist», warnt Gabriel Lüthy, Grossrat und Ressortleiter Finanzen.
Aber wie finanzieren?
Regina Lehmann macht für die SVP einen anderen Vorschlag. Demnach sollen die Investitionen vollumfänglich und im Zeitpunkt von deren Tätigung in der Finanzierungsrechnung erscheinen und somit der Schuldenbremse unterliegen. Wie in der Privatwirtschaft müsse in Zeiten hohen Investitionsbedarfs dann halt in den übrigen Sparten des Staatshaushaltes der Gürtel enger geschnallt werden.
Auch die FDP schlägt eine dritte Variante mit einer Vorgabe des Selbstfinanzierungsgrades von im Durchschnitt mindestens 100 Prozent über eine Dauer von beispielsweise fünf oder sieben Jahren vor. Der Regierungsrat soll die Auswirkungen einer solchen Variante einer «doppelten Schuldenbremse» aufzeigen, fordern sie.
FDP-Präsident Lukas Pfisterer: «Wir brauchen Handlungsfreiheit, müssen aber ein Korrekturinstrument einbauen.» Zudem müssten alle Vorhaben gleich behandelt werden. Eine Unterscheidung von Vorhaben über beziehungsweise unter Kosten von 20 Millionen Franken unterstütze man nicht, so die FDP. Die Varianten dürften nicht dazu führen, dass die Schuldenbremse und das Submissionsrecht ausgehebelt werden, warnt auch diese Partei.
Jetzt ist die Regierung am Zug
Im Departement von Finanzdirektor Markus Dieth wertet man jetzt die Stellungnahmen aus. Wenn sich am bisherigen Zeitplan nichts ändert, soll die Vorlage – mit welchen Anpassungen auch immer – bis im Juni von der Regierung verabschiedet und im August im Grossen Rat debattiert werden.