Kanton investiert in die Sicherheit: Der Aargau bekommt sechs Cyberpolizisten

Gleich nach der Diskussion über die jüngste Steuergesetzrevision begann der Grosse Rat die Marathondebatte über das Budget 2020. Es zeigte sich gleich – dies schon in der Tonalität – dass die Debatte nicht mehr die Brisanz hat, wie in den Jahren der grossen Defizite, Sparprogramme und Demonstrationen.

Kein Wunder, sieht das Budget doch einen satten Überschuss von 45 Millionen Franken vor. Bessere Zeiten lösen auch neue Begehrlichkeiten aus. Das zeigte sich in der Debatte mit diversen Anträgen von links für Mehrausgaben (Kinderbetreuungsgesetz und Kuratorium), aber auch für Minderausgaben. Die Grünen scheiterten mit ihrem traditionellen Antrag, eine doppelte Nationalbankausschüttung zu budgetieren.

Eins vorweg: Der Rat konnte das Budget nicht fertig beraten. Insbesondere fällt der Entscheid, ob das Kantonsspital Aarau (KSA) für seine grossen gemeinwirtschaftlichen Leistungen eine jährliche Entschädigung von 10 Millionen Franken bekommen soll oder nicht, erst nächsten Dienstag, wenn die Debatte zu Ende geführt wird.

 
Rotgrün will mehr ausgeben, rechte Seite steht auf die Bremse

In der Eintretensdebatte zum Budget schimpfte der Sprecher der Grünen, Robert Obrist, mit der Regierung. Ihr Budget sei mutlos. Viviane Hösli (SP) sekundierte, im Aargau werde neoliberale Politik fortgeführt: «Es bringt doch nichts, wenn wir vor lauter Sparen unseren Kindern eine zwar schuldenfreie, aber nicht mehr bewohnbare Bruchbude hinterlassen.»
Gänzlich anders beurteilt dies die SVP.

Ihr Sprecher Christoph Hagenbuch kritisierte, dass der Aargau als Kanton, der «Armengenössigengeld» (Finanzausgleich) bezieht, die Löhne um 1 Prozent erhöhen wolle. Die SVP will nur 0,5 Prozent. Die finanzielle Perspektive habe sich deutlich aufgehellt, meinte dagegen Lukas Pfisterer (FDP), der Patient Kanton sei aber noch nicht ganz gesund. Erfreut zeigte sich Sabine Sutter-Suter (CVP), dass die Haushaltsanierung auf Zielkurs sei, und es wieder Handlungsfreiheit gebe.

Kampf gegen Menschenhandel: Ringen um elf neue Stellen

Für Aufwallungen sorgte in der Detaildebatte ein Antrag der Regierung für mehr Polizei. So sollen bis 2023 im Kampf gegen Cyberkriminalität sechs und im Kampf gegen Menschenhandel fünf Stellen geschaffen werden, sagte Kommissionspräsident Ralf Bucher (CVP) in der Debatte.

Für die Mehrheit in der Kommission sei klar: Die Notwendigkeit ist gegeben. Die Aufstockung geht auf ein vom Grossen Rat 2018 überwiesenes Postulat zurück. Ziel ist, den Opferschutz zu gewährleisten und Fälle von Menschenhandel aufzudecken. Die Regierung sollte dafür ein Massnahmenpaket erarbeiten.

Stellvertretend für die sehr rege Diskussion seien nachstehend die gegensätzlichen Positionen von SVP und SP dargestellt: Die SVP sagte Nein. Die Cyberkriminalität nehme zu, man erkenne grundsätzlich den Bedarf. Es gehe aber klar um zusätzliche Stellen, die sich nicht im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Polizeidichte (minimal ein Polizist bzw. Polizistin auf 700 Einwohner) befänden, kritisierte Nicole Müller-Boder. Polizistinnen und Polizisten könnten auch aus anderen Korps rekrutiert werden.

Roland Vogt (SVP), der selber Polizist ist, fügte an, wie die Polizei ihre Ressourcen einsetze, sei eine operative Frage, keine politische. Zusätzliche Stellen zu schaffen, gehe grundsätzlich nicht, ausser es sei dringend nötig. Das sei hier nicht gegeben. Zwei Fälle von Menschenhandel in acht Jahren seien bisher im Kanton bekannt – das sei zu wenig, um das Korps aufzustocken. Zudem habe die Schweiz das Problem des Menschenhandels mit den Freizügigkeitsabkommen mit Rumänien und Bulgarien selber gefördert.

SP: Es braucht unbedingt zusätzliche Stellen dafür

Ganz anders argumentierte Florian Vock (SP). Menschenhandel werde als Straftatbestand nur dann erkannt, wenn man ihn aktiv suche. Dafür brauche es Personal, und für die Bekämpfung den politischen Willen. Er finde es sehr erstaunlich, dass ausgerechnet die SVP internationale Banden im Aargau offenbar nicht bekämpfen wolle, sondern sich hier hinter den Zahlen verstecke, kritisierte er.

Sie sehe von Berufs wegen jeden Tag Betroffene von Frauenhandel, ergänzte Lelia Hunziker (SP). Sehr oft betreffe es auch den ländlichen Raum, wo es grosse und kleine Bordelle gebe, in denen diese Frauen arbeiteten. Man finde sie aber nur, wenn man genau hinschaue.

Landammann Urs Hofmann bestätigte, im Aargau gebe es heute kaum Strafverfahren wegen Menschenhandels, obwohl es hier gewiss nicht weniger Erotikbetriebe gebe als in anderen Kantonen. Wenn mal ein Fall untersucht werde, sei die Erfolgsquote der Strafverfolgungsbehörden aber hoch. Es gäbe wesentlich mehr Fälle zu ahnden und verfolgen, zeigte er sich überzeugt. Es sei schon so, dass ein Opfer von Menschenhandel sich nicht auf dem Polizeiposten melde. Es sei Sache der Polizei, solchen Delikten auf den Grund zu gehen.

Hofmann verwies auf in Deutschland eskalierende Clankriminalität, «weil man zu lange nicht hingeschaut hat». Die Realität werde nur besser, wenn man hinschaue.

Der Aargau habe auch so weiter die tiefste Polizeidichte aller Kantone. Zum Streit um die Zahl der Polizisten sagte er, mit den beantragten Stellen erreiche man bis 2024 fast die Vorgabe von mindestens einem Polizisten/Polizistin pro 700 Einwohner. Ohne sie würde man die Gesetzesvorgabe auch bis 2026 nicht erreichen. Der Grosse Rat lehnte schliesslich den Kürzungsantrag der SVP mit 84 zu 42 Stimmen ab.