Kantone Aargau und St. Gallen schauen weg – «wir haben im Verhältnis das kleinste Polizeikorps»

Menschenhandel bleibt in der Schweiz je nach Kanton und Prioritätensetzung bei der Polizeiarbeit praktisch unentdeckt. Wie der „SonntagsBlick“ berichtet, wurden in der Schweiz laut der polizeilichen Kriminalstatistik zwischen 2009 und 2017 638 Fälle von Menschenhandel registriert, im Aargau wurden im gleichen Zeitraum aber nur zwei Fälle von Menschenhandel entdeckt (0,3 Prozent), in St. Gallen waren es deren 12 (1,9 Prozent). Auch Fälle illegaler Prostitutionsförderung werden in den beiden Kantonen auffällig selten registriert. Von den schweizweit 1041 Fällen fielen nur 17 auf den Aargau (1,6 Prozent) und 27 auf St. Gallen (2,6 Prozent). 

 

Das ist erstaunlich, denn gemäss einer Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Polizei aus dem Jahr 2015 haben die beiden Kantone ein grosses Rotlichtmilieu. Laut der Studie stehen im Aargau 10 Prozent und in St. Gallen 7,4 Prozent aller Bordelle der Schweiz.

Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) erklärt gegenüber SonntagsBlick: «Die Aufdeckung von Menschenhandel braucht viele Ressourcen. Es ist deshalb ein politischer Entscheid, wie viele Fälle von Menschenhandel in einem Kanton aufgedeckt werden.»

Die Kantonspolizei St. Gallen bestätigt diese Aussage indirekt. «Es handelt sich um ein klassisches Kontrolldelikt. Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Gesetzesverstösse decken wir auf», so Kommunikationsleiter Hanspeter Krüsi.

Und der Aargauer Polizeisprecher Bernhard Graser sagt zur Verteidigung: «Wir haben im Verhältnis zur Wohnbevölkerung das kleinste Polizeikorps und sind deshalb gezwungen, Schwerpunkte zu setzen.» Das mache man bei der Bekämpfung grenzüberschreitender, serieller Einbruchskriminalität sowie der Klärung von Kapitalverbrechen.