Karin Bertschi will nicht für die SVP nach Bundesbern – Firma, Familie und Kirche gehen vor

Die SVP Aargau muss im Nationalratswahlkampf 2019 auf eine ihrer aufstrebendsten Frauen verzichten. Die Recycling-Unternehmerin Karin Bertschi (28, Leimbach) will nicht nach Bern. Sie setzt «Prioritäten bei Unternehmen, Familien und Kirche», wie sie am Donnerstag auf Facebook mitteilte. Karin Bertschi ist seit anderthalb Jahren mit Sigi Ladenbauer (44) verheiratet. Das neue Haus an Traumlage in Wettingen ist aufgerichtet. Ist eine Familienvergrösserung der unmittelbare Grund für den Verzicht auf eine Nationalratskandidatur? «Nein, ich bin nicht schwanger», erklärt Karin Bertschi.

«Kandidatur wäre sehr reizvoll»
Auf Facebook schreibt die Grossrätin: «Eine Kandidatur als Nationalrätin wäre sehr reizvoll – doch will ich in unserem Unternehmen noch viel bewegen, mich für soziale Projekte und in der Kirche engagieren. Es stimmt für mich jetzt ganz gut, wie es ist – darum verzichte ich auf eine Kandidatur.»

Der Entscheid sei über Monate gereift. Er soll nicht als erster Schritt für einen Rückzug aus der Politik verstandne werden. «Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich einen Wechsel in die nationale Politik gerne wieder prüfen», schreibt Karin Bertschi. Auf kantonaler Ebene setze sie sich weiter mit Engagement für eine nachhaltige, gesunde und wirtschaftsstarke Schweiz ein: «Die Arbeit im Grossen Rat bietet hervorragende Möglichkeiten, regional und kantonal Veränderungen zu schaffen.»

Im Herbst 2016 ist Bertschi in das Kantonsparlament gewählt worden. Mit dem mit Abstand besten Resultat im Bezirk Kulm. Die SVP gewann damals dank der Wahllokomotive Bertschi einen Sitz. Und ihr Start im Grossen Rat verlief vielversprechend: Karin Bertschi vermochte sich mit einigen Vorstössen zu profilieren. Der nächste Karriereschritt schien vorprogrammiert. «Der Bezirksparteitag Kulm hat mich als Nationalratskandidatin nominiert, nachdem mich die kantonale Findungskommission bereits vorgängig kontaktiert hatte», schreibt Bertschi.

«Ich freue mich sehr darüber, dass mich so viele Leute ermuntert haben, mich dieser Wahl zu stellen und mir ihre Unterstützung angeboten haben», steht im Facebook-Eintrag. Ihr Mann und ihre ganze Familie würden eine Nationalratskandidatur vollumfänglich unterstützen. Dennoch habe sie sich dagegen entschieden. Aus heutiger Sicht könnte sie mit einem Nationalratsmandat nicht alles unter einen Hut bringen: das Vollzeitpensum im Familienunternehmen, das Engagement in der Kirche, die Partnerschaft («Ich bin glücklich verheiratet»).

Für die Wynentalerin ist klar: «Um Beruf, Kirche, Politik und Privatleben miteinander zu vereinbaren, muss man gewisse Prioritäten setzen. Mit meinem heutigen Mandat als Grossrätin gelingt mir das aus meiner Sicht sehr gut.»

Kommt jetzt Michelle Rütti?

Der Rückzug der national bekannten Karin Bertschi ist für die SVP bitter. Sie muss im kommenden Herbst vier Nationalräte ersetzen. Nur drei ihrer sieben bisherigen Nationalräte treten wieder an: Thomas Burgherr, Andreas Glarner und Hansjörg Knecht (letzterer möchte zudem Ständerat werden). Im Bezirk Kulm zieht sich Sylvia Flückiger-Bäni zurück. Ohne Karin Bertschi dürften es die Kulmer nicht schaffen, ihren Sitz zu verteidigen.

Was Frauen-Kandidaturen anbetrifft, ist die Aargauer SVP für ihre Verhältnisse vergleichsweise gut aufgestellt. Wahlchancen werden insbesondere Stefanie Heimgartner (31, Baden, hat Ambitionen angemeldet) und Martina Bircher (34, Aarburg, hält sich bedeckt) eingeräumt. Offen ist, ob Michelle Rütti (33, Meisterschwanden) wieder ins Rennen steigen wird. Sie hatte schon bei den letzten Nationalratswahlen (damals noch als Reinacherin) kandidiert. Im Herbst 2017 musste die Vizepräsidentin der Kantonalpartei bei den Gemeinderatswahlen aber eine empfindliche Niederlage hinnehmen.