Kein Geld für Privatschule des Sohnes: Mutter entführt Bank-Angestellten – und muss nun ins Gefängnis

Wenn man Rita (alle Namen geändert) vor den Richtern sitzen sieht, kann man kaum glauben, was sie vor fünfeinhalb Jahren getan hat. Die 62-jährige Mutter eines erwachsenen Sohnes wirkt gepflegt, drückt sich gewählt aus und war bis im März 2015 eine unbescholtene Bürgerin. Als sie die Kosten für die Privatschule ihres Sohnes nicht mehr stemmen konnte und Freunde und Familie nicht mehr halfen, entschied sie sich, eine Bank zu überfallen.

Ihr Plan war kein spontaner. Rita kaufte sich eine Perücke und eine Softgun, präparierte Kabelbinder und spionierte den Angestellten einer Credit Suisse-Filiale aus. Sie notierte sich sein Kennzeichen und fuhr in seine Gegend, um sich dort ein Bild zu machen. Dann ging sie an die Langstrasse und traf den Zürcher Robi. Der Obdachlose hatte Alkohol- und Drogenprobleme. Er willigte ein, beim Überfall mitzumachen.

Er hielt sein Kind im Arm, als sie bei ihm klingelten

Vor Obergericht trafen sich Rita und Robi nun wieder. Sie waren damals zum Bankangestellten gefahren. Sie klingelten und gaben vor, ein Paket abliefern zu wollen. Der Mann öffnete die Türe und hielt auf dem Arm sein Kind. Rita stiess die Türe auf, der Banker brachte das Kind zu den Nachbarn. Mit der Waffe zwangen sie ihn, zur Filiale zu fahren. Dort wartete die Polizei – wegen eines anderen Alarms. Der Mut verliess die dilettantischen Entführer. Sie zwangen den Bankangestellten, an seinen Wohnort zurückzufahren. Dort trennten sich ihre Wege.

Das Bezirksgericht Baden verurteilte Rita 2018 wegen Entführung und versuchter räuberischer Erpressung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, davon sechs Monate unbedingt. Robi bekam hingegen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, aufgeschoben zugunsten einer Therapie.

Robi zeigt Reue

Beide zogen das Urteil ans Obergericht weiter. Doch als Robi am Montag beim Gerichtssaal ankam, war er nur schwer in der Lage, die Augen offen zu halten oder sich zu artikulieren. Er wirkte sediert. Er zog seine Berufung zurück und akzeptierte doch das Urteil der Erstinstanz. «Ich bereue es zutiefst. Ich habe es damals nur gemacht, um zu überleben», entschuldigte er sich. Er wolle sein Leben nun in den Griff bekommen.

Rita, die neben Robi sass, weinte. Geknickt und kraftlos beteuerte sie, dass es ihr leid tue, dass sie Robi damals mit hineingezogen habe. Sie habe immensen Druck und Verzweiflung gespürt. Sie habe nur gewollt, dass ihr Sohn trotz Dyskalkulie eine gute Ausbildung bekommt. «Ich finde es eine gerechte Strafe», kommentierte Rita das Urteil, das gegen sie gefällt wurde. «Aber wenn ich jetzt ins Gefängnis muss, wäre es eine Katastrophe.» Rita lebt von Sozialhilfe und bezahlt die Miete für den gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn. Diese Unterstützung würde wegfallen, müsste sie hinter Gitter, so Rita.

Doch das Obergericht bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts. Rita wurde zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt und muss davon ein halbes Jahr ins Gefängnis. «Das Opfer hatte Todesangst», sagte Oberrichter Jann Six. Ihre Tat sei sehr durchtrieben gewesen. «Und sie haben nicht aus Einsicht aufgehört, sondern weil die Polizei dort war», so Six.