
Kein Zwang zu Solaranlagen – so geht es jetzt weiter nach dem knappen Nein zum Energiegesetz
Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmte der Energiestrategie 2050 des Bundes vor drei Jahren zu. Diese gilt es jetzt auf nationaler (CO2-Gesetz) und kantonaler Ebene (Energiegesetze) umzusetzen. Die Aargauerinnen und Aargauer entschieden gestern über die Umsetzungsvorlage des Grossen Rates und lehnten sie ganz knapp ab. Damit obsiegten die SVP und der Hauseigentümerverband Aargau (HEV).
Nachdem das knappe Nein klar war, lud die Regierung zu einem kurzen «point de presse». Energiedirektor Stephan Attiger kommentierte das Ergebnis mit sehr ernster Miene denkbar knapp. Es sei ein spannender Nachmittag gewesen, sagte er: «Einmal kippte es ins Nein, dann schien es wieder, ins Ja zu wechseln.»
Kleinere ländliche Gemeinden hätten eher abgelehnt, städtische eher zugestimmt, «aber am Schluss blieb es beim Nein. Das ist zu akzeptieren». Jetzt warte man auf das CO2-Gesetz des Bundes, bei dem noch nicht klar sei, ob das Referendum ergriffen wird. Wenn es in Kraft trete, habe es natürlich Einfluss auf die Gesetzgebung auch im Kanton Aargau. Es ist beim CO2-Ausstoss strenger, dafür nicht so umfassend.
Wie enttäuscht ist er? «Ich habe erwartet, dass es knapp wird», sagt Attiger auf Nachfrage: «Ich hoffte aber natürlich auf ein knappes Ja. Vom knappen Nein bin ich deswegen nicht komplett überrascht.» Was den Ausschlag gab, könne er noch nicht sagen, das sei erst genau zu analysieren. Fühlte er sich von den Befürwortern und auch seiner eigenen Partei, der FDP, im Abstimmungskampf nicht etwas alleingelassen?
Attiger winkt ab: «Die Befürworter haben eine gute Kampagne gemacht, halt mehr Online als Print.» Die FDP habe das Energiegesetz mit über 80 zu 2 Stimmen gutgeheissen. Auch die Jungfreisinnigen sagten Ja. Freisinnige hätten viele Online-Testimonials veröffentlicht. Es sei nicht Aufgabe der FDP, eine eigene Kampagne zu führen, die oblag dem Ja-Komitee, so Attiger.
Was die Übermacht der Nein-Plakate im öffentlichen Raum bewirkt habe, sei schwer zu sagen: «Schliesslich hatten alle das Abstimmungsbüchlein und konnten sich auch dort informieren. Dies wird nach unserer Erfahrung auch intensiv gemacht.» Er glaube auch nicht, dass sich die Menschen beim Energiegesetz so stark an den Parteien orientiert hätten: «Die persönliche Betroffenheit war oft wichtiger.»
Was heisst das jetzt für das kantonale Förderprogramm Energie, mit dem der Aargau in den nächsten vier Jahren den Einbau von Wärmepumpen etc. mit über 75 Millionen Franken unterstützen will? Dieses Programm will energetische Sanierungen und den Ersatz von fossilen Heizungen hin zu Wärmepumpen fördern, so Attiger. Das Parlament habe der Regierung den Auftrag dazu gegeben. Die Vorlage kommt noch ins Parlament. Der Auftrag ist da, die definitive Zustimmung noch nicht.
Abstimmungssieger: Es ist ein Nein zu Zwang
Ganz anders tönt es bei SVP-Grossrat und Gemeindeammann Patrick Gosteli, Vorstandsmitglied des Hauseigentümerverbandes Baden/Brugg/Zurzach: «Ich habe auf ein Nein gehofft, bin aber insofern positiv überrascht, als ja ausser SVP, EDU und Hauseigentümerverband alle Parteien das Gesetz befürwortet haben.»
Was gab seines Erachtens den Ausschlag für die Ablehnung? Es sei ein Nein zu Zwang jeder Art im Energiegesetz, etwa zum Zwang zur Eigenstromerzeugung bei Neubauten, so Gosteli: «Das Nein zu solchem Zwang hat für mich den Ausschlag gegeben. Die Produktion von Strom ist ja auch nicht Aufgabe der Hauseigentümer, sondern der Energiekonzerne.»
Jetzt kommt als Nächstes aber das CO2-Gesetz aus Bern. Dieses betreffe wiederum die Hauseigentümer, mit dem höheren Benzinpreis aber auch alle Automobilisten. Falls es ein allfälliges Referendum überstehen und in Kraft treten sollte, sei zu bedenken, «dass es im Gebäudebereich weniger weit geht als das jetzt abgelehnte Energiegesetz».
Für Abstimmungssieger Gosteli ist deshalb auch klar, «dass der Kanton dann bei der Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben nicht weiter gehen darf, als es diese verlangen».
Wichtig sei sowieso die Freiwilligkeit: «Mit dieser fahren wir im Aargau sehr gut. Die Gebäudeeigentümer und auch die Industrie haben den Energieverbrauch und CO2-Ausstoss bereits markant gesenkt.»
Abstimmungssieger wollen steuerliche Anreize
Es sei ein «Sieg für die Eigenverantwortung und die Eigentumsfreiheit», doppeln SVP-Ständerat und Hauseigentümer-Präsident Hansjörg Knecht sowie Benjamin Riva (Jungfreisinnige) vom gegnerischen Komitee nach. Natürlich befürworteten das Komitee und der HEV Aargau einen ökologisch verträglichen und CO2-armen Ressourcen- und Energieeinsatz.
Aber, so Knecht und Riva: «Eine Revision des Energiegesetzes muss auf der Eigenverantwortungen der Bürgerinnen und Bürger aufbauen und steuerliche Anreize im Klima- und Umweltbereich setzen.»
Reaktionen: Befürworter setzen jetzt auf Anreize
Die SP-Präsidentin und Nationalrätin Gabriela Suter ist ob dem Ergebnis sehr enttäuscht: «Es war ja ein Kompromiss, aus unserer Sicht ging das Gesetz zu wenig weit. Trotzdem haben wir es mitgetragen, haben viele Pro-Plakate aufgehängt und Flyer verteilt. Wir haben das Gesetz wirklich unterstützt.» Die bürgerlichen Parteien jedoch, die das Gesetz im Grossen Rat so durchgebracht haben, wie es jetzt zur Abstimmung unterbreitet wurde, hätten «nur halbherzig mitgezogen», kritisiert Suter. Das gelte insbesondere für die FDP, die Partei des Energiedirektors.
«Ich hoffe jetzt auf das vom Parlament verabschiedete CO2-Gesetz, und hoffe, dass die Aargauer FDP dieses genauso mitträgt wie ihre Mandatsträger in Bern.» Dass es für das Energiegesetz schwierig würde, da der Aargau ja die Energiestrategie 2050 abgelehnt hat, sei ihr von Anfang an klar gewesen, sagt Suter: «Ein Ja zur konkreten Umsetzung dieser Strategie, die vom nationalen Souverän schliesslich klar gutgeheissen worden ist, wäre aber eine sehr positive Botschaft gewesen, ein Bekenntnis zu mehr Klimaschutz.»
Suter setzt jetzt erst einmal auf das CO2-Gesetz. In einer nächsten Phase dann gehe es darum, eine Mehrheit für die kantonale Klimaschutzinitiative zu gewinnen, mit der der Kanton deutlich mehr Mittel für energetische Massnahmen einsetzen müsste.
Enttäuscht ist der Grossrat und Stadtammann von Zofingen, Hans-Ruedi Hottiger (parteilos/CVP-Fraktion): «Ich habe mich sehr für dieses Gesetz engagiert, hoffte und glaubte, dass es mehrheitsfähig ist. Es kam anders. Das bedaure ich sehr, damit muss ich aber leben können.» Er glaube nicht, dass die intensive Werbekampagne der Gegner den Ausschlag gegeben hat, sondern vor allem das Argument, das Gesetz sei ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit: «Bei diesem Vorwurf werde ich ja auch sofort hellhörig. Das zieht, ist meiner Ansicht nach aber zu pauschalisiert. Ich persönlich fand, die Vorgaben des Gesetzes seien vertretbar und verhältnismässig. Das Volk hat anders entschieden.»
Haben die bürgerlichen Befürworter wie CVP und FDP nicht im Abstimmungskampf zuwenig getan, Stephan Attiger allein gelassen? Da widerspricht Hottiger heftig: «Wir haben Stephan Attiger und das Energiegesetz nicht allein gelassen. Wir haben uns im Ja-Komitee von Anfang an aus Überzeugung engagiert. Diesen Vorwurf weise ich klar zurück.»
Wie soll es aus seiner Sicht weiter gehen? «Ich hoffe, dass die Abstimmungssieger das Energieprogramm Aargau mittragen, mit dem in den nächsten vier Jahren Anreize für energetische Investitionen wie Wärmepumpen etc. geschaffen werden.»