Sie sind hier: Home > Aargau > Bald wieder Maskenpflicht in allen Innenräumen? Aargau verschärft Massnahmen wohl noch vor dem Bundesrat

Bald wieder Maskenpflicht in allen Innenräumen? Aargau verschärft Massnahmen wohl noch vor dem Bundesrat

Am Mittwochnachmittag war klar: Der Bundesrat beschliesst bis auf weiteres keine schweizweiten Verschärfungen der Massnahmen zum Schutz vor der weiteren Ausbreitung von Covid-19. Die Kantone können aber selber weitere Massnahmen beschliessen. Luzern reagierte rasch, schon am Mittwochabend gab Gesundheitsdirektor Guido Graf in der SRF-Rundschau eine Verschärfung der Coronaregeln bekannt. Der Kanton führt 3G+ ein, künftig muss in Luzerner Veranstaltungsorten wie Kinos, Theatern und Konzertsälen sowie in den Spitälern eine Maske getragen werden – zusätzlich zur geltenden Zertifikatspflicht.

Nicht nur der Bundesrat, sondern auch der Aargauer Regierungsrat hat sich am Mittwoch mit der Coronalage auseinandergesetzt. Aufgrund der Entwicklung der Fallzahlen im Aargau und der Belastung des Gesundheitssystems seien derzeit keine zusätzlichen Massnahmen nötig, sagte Regierungssprecher Peter Buri gegenüber ArgoviaToday. Buri hielt aber auch fest: «Der Regierungsrat ist schon der Meinung, dass es zwingend weitere nationale Massnahmen braucht, sollte sich die Lage schweizweit verschärfen.»

Grenzwerte der Aargauer Eskalationsplanung bisher nicht erreicht

Die Aargauer Regierung habe eine Eventualplanung erstellt und diese werde durch den Regierungsrat immer wieder überprüft und angepasst, sagte der Sprecher. Gemeint sind die drei Eskalationsstufen, die der Regierungsrat Mitte August präsentiert hatte – basierend auf der Entwicklung des R-Werts, der Belegung der Intensivstationen, des Anteils von Covid-Patienten in Intensivpflege und dem Stand bei Operationen. Betrachtet man die Schwellenwerte im Detail, wird derzeit trotz der hohen Zahl der Neuansteckungen (510 am Dienstag, 468 am Mittwoch) keiner überschritten.

Sollten die Werte überschritten werden, sind je nach Eskalationsstufe verschiedene Massnahmen vorgesehen. Diese reichen von einer Warnung von Gästen und Veranstaltern per Covid-App über die Pflicht zu repetitiven Tests für ungeimpfte Mitarbeitende in Spitälern und Heimen bis hin zum Verbot von Grossveranstaltungen und zur Schliessung von Restaurants.

Vor dem Lockdown im Dezember 2020 war ein Grenzwert überschritten

Vor knapp elf Monaten, am 18. Dezember 2020, verhängte der Aargauer Regierungsrat einen Lockdown und schloss neben den Restaurants auch Einkaufsgeschäfte. Damals gab es das Schema mit den Eskalationsstufen noch nicht, dennoch bietet sich ein Vergleich an. Ein Blick auf die Zahlen am 18. Dezember 2020 zeigt: Nur einer der drei heutigen Grenzwerte wurde damals überschritten.

Der Siebentagesschnitt des R-Werts lag mit 0,93 weit unter der heutigen Zahl von 1,33 und sehr deutlich unter der Limite von 1,5. Auf den Aargauer Intensivstationen lagen am 18. Dezember 2020 insgesamt 46 Patientinnen und Patienten – bei einer Kapazität von 55 Betten ergibt dies eine Belegung von 83,6 Prozent. Dies ist zwar mehr als heute mit 76,6 Prozent, der Grenzwert von 95 Prozent für die erste Eskalationsstufe war aber auch damals nicht überschritten.

Überschritten wurde am 18. Dezember 2020 hingegen der heute gültige Grenzwert für den Anteil der Coronapatienten auf der Intensivstation. 32 Personen, die Intensivpflege benötigten, litten damals an Covid-19, das entsprach 70 Prozent aller Patientinnen und Patienten. Damit war der heutige Grenzwert von 60 Prozent für die dritte Eskalationsstufe überschritten – und dieser war letztlich entscheidend für den Lockdown.

Aargau plant Wiedereinführung der Maskenpflicht in Innenräumen

Im Unterschied zu heute gab es damals noch keine Coronaimpfung und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati warnte: Wenn der R-Wert weiter steige, würde die Kapazität auf den Intensivstationen bereits Ende Jahr überschritten. Heute gibt es Covid-Impfstoffe, doch inzwischen grassiert die ansteckendere Delta-Variante. Deshalb denkt der Regierungsrat erneut über Verschärfungen im Aargau nach.

Das Gesundheitsdepartement von Jean-Pierre Gallati werde weitere Einschränkungen prüfen, wenn der Negativtrend weitergehe, sagt Regierungssprecher Buri. Es geht um Massnahmen, die der Bundesrat konkret angesprochen hat: «Denkbar wären zum Beispiel Massnahmen in Gesundheits- und Betreuungseinrichtungen, die fürs Personal oder die Besuchenden gelten würden», erläutert Buri.

Eine Nachfrage der AZ bei Gesundheitsdirektor Gallati zeigt: Die Kantonsregierung prüft auch Massnahmen, die darüber hinausgehen. Im Vordergrund steht die Wiedereinführung der Maskenpflicht in Innenräumen – zusätzlich zum Zertifikat, wie im Kanton Luzern. Der Regierungsrat tagt am Mittwoch, zwei Tage vor dem Bundesrat, demnach wird Aarau früher Massnahmen beschliessen als Bern.

Gallati ruft Bundesrat zum Handeln auf: Auch nationale Massnahmen nötig

Gallati nahm am Donnerstag an der Plenarversammlung der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) teil und verweist auf eine Mitteilung dazu. Darin heisst es, die Kantone könnten unter anderem die Maskenpflicht erweitern, die Massnahmen in den Schulen (z.B. Maskenpflicht und repetitives Testen) verstärken oder die 3G- bzw. Zertifikatspflicht auf weitere Bereiche ausdehnen.

Gallati sagt aber auch: «Der Bundesrat muss ebenfalls Massnahmen ergreifen, das sehen wir Gesundheitsdirektoren eindeutig so.» Die GDK ruft den Bund in ihrer Mitteilung genau dazu auf und nennt eine nationale Ausweitung der Maskenpflicht primär in Innenräumen, vermehrtes Homeoffice, Kapazitätsbeschränkungen oder strengere Anforderungen an Schutzkonzepte als mögliche Einschränkungen.