Kritiker kapitulierten vor den Hexen: Das Museum auf der Liebegg ist eröffnet

Wicca Meier-Spring an der Eröffnung des Hexenmuseums (Bild: Severin Bigler)
Wicca Meier-Spring an der Eröffnung des Hexenmuseums (Bild: Severin Bigler)

Ist die Liebegg ein Gebetsschloss?

«Betet für den Aargau und um Verhinderung des Hexenmuseums auf Schloss Liebegg.» Solche Inserate liessen religiöse Fundamentalisten letzte Woche publizieren. Nachdem die AZ am Dienstag über die Kontroverse berichtet hatte, schrieb ein freiberuflicher Wynentaler Theologe in einem Leserbrief über das Hexenmuseum: «Als Pfarrer würde ich niemals einen Gemeindegottesdienst in diesem Umfeld ansetzen – nie, weil das für einen Grossteil jeder aktiven Gemeinde ein unverständlicher Affront wäre.»

Das Grundproblem besteht darin, dass die Bewegung «Gebet für die Schweiz» neuerdings aus der Liebegg ein Gebetsschloss von europäischem Format machen will. Weil dort die Baronin Juliane von Krüdener (1764-1824) als Missionarin gewirkt hat. Es fanden auf der Liebegg schon Gebetsstunden mit 200 Teilnehmern statt. Letztmals am Sonntag.

«Kühe verdorben, Menschen krank gemacht, mit Teufelssalbe Vieh verderbt, mit Hagel und Frost Früchte verdorben»: Solches ist zu lesen auf einer Liste im neuen Hexenmuseum. Für Krankheiten und Missernten und anderes Ungemach braucht man doch einen Schuldigen. Oder eine Schuldige. In Bremgarten, von da stammen die Beispiele, und anderswo fand man sie bis in die frühe Neuzeit schnell: Hexen!

Es sind dramatische Geschichten; peinliche (also schmerzvolle) Befragungen mit Folterwerkzeugen wie glühenden Eisen brachten die Geständnisse. Das kann man Geständnisprotokollen aus Sursee LU entnehmen. An Anfang stünden oft Neid und Missgunst im dörflich-nachbarlichen Umfeld. Und als Urteil gab es nur den Tod. Mit dem Schwert gings schneller. 40’000 bis 60’000 Todesurteile wurden in Europa so vollzogen, viele Frauen bei lebendigem Leib verbrannt.

«Europäische Bedeutung»
2500 Arbeitsstunden haben Wicca und Christoph Meier-Spring in den letzten Wochen gearbeitet, bis das Museum gestern Abend geladenen Gästen gezeigt werden konnte. «In den letzten zwei Wochen täglich bis 4, 5 Uhr morgens», sagt Wicca. «Carpe Noctem» steht auf ihrem Auto: Pflücke die Nacht.

«Gut gemacht», kommentieren viele Besucher die Ausstellung. Besonders grosse Freude hat Pitsch Schmid, Präsident des Verbands Aargauer Museen und Sammlungen: «Das Museum wird europäische Bedeutung erhalten.» Eine Ausstellung über die Hexenverfolgung fehle in der Schweiz, sagt er: «Aufklärung ist nötig.»

Das Museum im Schloss Liebegg weist auch auf moderne Hexenverfolgungen hin, etwa in Afrika, wo «ältere Frauen, arme Menschen oder Menschen mit Behinderungen» zuweilen als Sündenböcke für Elend herhalten müssten.

Ein wenig ein Recycling
Auch dem Spuk – mit einem Augenzwinkern – und dem Polytheismus sind Räume gewidmet: griechische, ägyptische, babylonische, mittelamerikanische, nordische Gottheiten. Vor allem aber, im zweiten Stock, dem Thema «Natur in Volksmedizin und Aberglaube». Ob der Beifuss gegen den bösen Blick wirkt? Die Fenchelfrucht wird noch heute bei Blähungen und Magen-/Darmgeschichten angewendet. Und seit Sokrates wissen wir um die Wirkkraft des Schierlings. Wer aber wird schon das Elixier eines Schädels trinken wollen, wenn «6 Tropfen unter die Zunge Albträume garantieren»?

«Ein wenig ein Recyclingmuseum», sei das Museum, sagt Wicca. Occasionsvitrinen, dazu auch Exponate von anderen Museen. Ein Kübel Schrauben aus Auenstein ist leer. «Man lernt sparen, wenn man aufs Geld schauen muss», sagt sie, die mit ihrem Mann das Museum führt.
Der Apéro aber ist «riche», und man bewundert das Hexenhäuschen, das Günther Müntener vom Schwyzer Fasnachtsverein Schlupfloch-Häxe mitgebracht hat.

Und Wicca auf dem Schloss Liebegg ist im Krimi «Luzerner Totentanz» der Autorin Monika Mansour verewigt. «Mobbing, das Thema des Krimis, ist auch ein Thema bei den Hexenverfolgungen», sagte Mansour.

Markus Merz vom Verein Schloss Liebegg freut sich auf neue Museumsgäste, die Leben aufs Schloss bringen. Synergien liegen auf der Hand: Nach oder vor dem Fest, sei es Geburtstag oder Klassenzusammenkunft, kann man das Museum besuchen. Es seien schon einige Führungen gebucht, so Meier.