Lehrerpräsidentin Scholl warnt: «Es wird immer offensichtlicher, dass viele Lehrpersonen ausgelaugt sind»

Es sei einfach etwas anderes, sich wieder gegenseitig beim Reden ins Gesicht sehen zu können, sagte Stadtammann Daniel Mosimann unter Anspielung auf Covid-19 zur Begrüssung an der Delegiertenversammlung des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (alv) im Stapferhaus in Lenzburg. Und alv-Präsidentin Kathrin Scholl verlieh zum Auftakt gleich allen Lehrerinnen und Lehrern einen Award: «Ihr habt exzellent und innovativ gearbeitet, die Schule Aargau wäre nirgendwo ohne euch!»

Zwar hatten sich einige abgemeldet, weil der Anlass mit Zertifikatspflicht und dafür ohne Maske durchgeführt wurde, einige auch unter Verweis auf zunehmende Impfdurchbrüche. Trotzdem mussten zu Beginn der Versammlung für die 137 Teilnehmenden zusätzliche Stühle hineingetragen werden.

Bildungsdirektor Alex Hürzeler: Leistung der Volksschule gewinnt gerade jetzt noch mehr an Bedeutung.

Bildungsdirektor Alex Hürzeler: Leistung der Volksschule gewinnt gerade jetzt noch mehr an Bedeutung.

AZM

Alex Hürzeler: Jetzt die Volksschule im neuen Gewand konsolidieren

Landstatthalter und Bildungsdirektor Alex Hürzeler seinerseits betonte, Lehrerinnen und Lehrer seien die wichtigste Personalressource in unserem Bildungswesen: «Sie prägen die Schülerinnen und Schüler in ihrer Persönlichkeit, ihrem sozialen Verhalten, ihrer Vorgehensweise und ihrem Denken und Handeln.» Diese Leistung der Volksschule gewinne gerade in der coronabedingt überhitzten Situation noch mehr an Bedeutung.

Die Zeit der strukturellen Reformen sei für einige Jahre wohl vorbei, sagte er weiter: «Die Aargauer Volksschule soll jetzt in einem neuen Gewand stabilisiert und konsolidiert werden.» Eine grosse Aufgabe sei, mit einem speziellen Projekt genug qualifizierte Lehrpersonen bekommen zu können. Da könne das neue Lehrerlohndekret auch helfen, hofft der Bildungsdirektor.

Scholl: Pandemie wirkte wie eine Lupe und zeigte den Handlungsbedarf

Kathrin Scholl ihrerseits sagte im Rückblick auf die Coronavorgaben im letzten November, man habe die Welle kommen sehen, «aber die Entscheide kamen zögerlich. Zu jenem Zeitpunkt fühlten sich viele Lehrpersonen zu wenig geschützt». Sie dankte dafür, dass der Aargau auf ihren Druck hin als erster Kanton ermöglichte, dass Lehrpersonen ab 50 priorisiert geimpft werden konnten.

Corona habe gezeigt, so Scholl weiter, dass man Schwierigkeiten nur gemeinsam bewältigen könne: «Die Pandemie wirkte wie eine Lupe. Sie zeigte auf, wo in der Schule Handlungsbedarf besteht.» Erfreut zeigte sie sich über das neue Lehrerlohndekret. Dieses sei «ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Mangel an Lehrpersonen und für die Konkurrenzfähigkeit der Aargauer Löhne».

Nicht alle offenen Lehrerstellen zum Schulstart im August besetzt

Das Dekret reiche aber nicht. Die Situation spitze sich laufend zu. Zum ersten Mal habe das Departement bekanntgegeben, dass zum Schulstart nicht alle Lehrstellen besetzt werden konnten. Es brauche dringend Massnahmen, so Scholl eindringlich. Man habe schon mehrfach Möglichkeiten aufgezeigt: «Wer nicht gewillt ist, hier zu investieren, wird keine Verbesserungen erreichen!»

Eine andere berufspolitische Forderung für 2022 ist, dass die Schulen «eine durch die Gemeinde finanzierte gesundheitsbeauftragte Person bestimmen können». Dies, weil immer offensichtlicher werde, dass viele Lehrpersonen ausgelaugt seien. Die Pandemie sei nur das Brennglas für das Problem. Zudem seien Massnahmen für eine bessere Luftqualität zu ergreifen, fordert der Verband.

Scholl klar bestätigt, Abbassi coronabedingt verspätet verabschiedet

Präsidentin Kathrin Scholl wurde einstimmig und mit Applaus als Präsidentin des Verbandes wiedergewählt. Neu in die alv-Geschäftsleitung einstimmig gewählt wurden zudem Cécile Frieden und Michael Hegnauer, die wieder antretenden Mitglieder wurden – ebenfalls einstimmig – bestätigt.

Zum Schluss wurde die frühere Verbandspräsidentin Elisabeth Abbassi ihrerseits mit grossem Applaus verabschiedet. Pandemiebedingt war dies letztes Jahr nicht möglich gewesen. Nachfolgerin Scholl dankte Abbassi für die sechs Jahre, in denen sie den Verband «heldenhaft» geführt habe, für ihr enormes Engagement und auch dafür, dass sie in der Pensionierung für die Lehrerschaft aktiv bleibt und etwa das bereits erwähnte priorisierte Impfen mitermöglicht hat. Abbassi wurde mit einer stehenden Ovation verabschiedet, sie ist jetzt Ehrenmitglied des alv.

Elisabeth Abbassi, ehemalige Präsidentin des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, wird an der Delegiertenversammlung im Stapferhaus in Lenzburg verabschiedet.

Elisabeth Abbassi, ehemalige Präsidentin des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, wird an der Delegiertenversammlung im Stapferhaus in Lenzburg verabschiedet.

Simon Ziffermayer / zvg

Obwohl sie nicht mehr Präsidentin ist, hat sich Abbassi diese Woche auf Facebook pointiert zu den Aktivitäten des Lehrernetzwerks Schweiz geäussert, das eine Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht an der Fachhochschule Nordwestschweiz und eine Klage gegen die Maskenpflicht für Fünft- und Sechstklässler eingereicht hatte. Der Verein sei alles andere als ein Netzwerk von Lehrpersonen, schrieb Abbassi in einem Kommentar zu einem AZ-Artikel. Und sie kritisierte: «Kinder an Demos von Erwachsenen schleppen und dann ‹Lasst unsere Kinder in Ruhe!› schreien, ist wohl nicht unglaublich konsequent.»