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Nachbarn heimgesucht und Marihuana angepflanzt: 34-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten

An Dreistigkeit kaum zu überbieten: Der 34-jährige Miroslav (Name geändert) hat der Polizei einen Einbruch in die eigene Wohnung in Zürich gemeldet. Und das just am Tag, bevor er selber zwei Wohnungen des gleichen Hauses mit Geissfuss, Rohrzange und Sturmhaube heimgesucht hat. Wollte er eine falsche Fährte legen, seine eigenen Taten verschleiern?

Das Bezirksgericht Lenzburg unter Eva Lüscher folgt dem Antrag von Miroslavs Verteidiger: Der vorgetäuschte Einbruch, diese Irreführung der Behörden, lasse sich nicht zweifelsfrei als solche beweisen. «Komisch» sei die Geschichte wohl, doch «Spekulationen und Vermutungen» reichten nicht für eine Verurteilung. Also Freispruch.

In einem zweiten Fall kommt Miroslav ebenfalls ungeschoren davon. Es geht um nicht bezahlte Unterhaltspflichten für seinen nun 14-jährigen Sohn und seine Ex-Frau. Die Frage hier: Wollte er nicht zahlen oder konnte er nicht? Da aufgrund der mutmasslich prekären finanziellen Verhältnisse kein böser Wille nachzuweisen ist, kommt das Gericht auch hier zu einem Freispruch, ohne freilich die grundsätzliche Zahlungsverpflichtung zu negieren.

Zwei Hauptdelikte, Einbruch ist nicht das gröbste

Es kommt dennoch einiges zusammen, das die erhebliche, kriminelle Energie Miroslavs illustriert und ihm schliesslich eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten plus eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu minimalen 10 Franken einbrockt. «Denkzettelfunktion», sagt Eva Lüscher zur unbedingten Geldstrafe. Denn die Haftstrafe ist eine bedingte, Probezeit vier Jahre. Der Staatsanwalt hatte drei, der Verteidiger zwei Jahre gefordert. Offenbar traut das Gericht Miroslav nicht ganz: Er muss sich während vier Jahren bewähren.

Es sind zwei Hauptdelikte, die Miroslav die Freiheitsstrafe einbringen. Da ist der dreiste Einbruchdiebstahl in zwei Wohnungen über ihm. Nachdem er in der ersten nichts Verwertbares gefunden hat, steigt er über den Balkon in die nächste ein. Da findet er vier Uhren. Ob er auch 3000 Franken Bargeld hat mitlaufen lassen, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklage schreibt, hält das Gericht nicht für erwiesen. Als er die Uhren verkaufen will, kommt man ihm auf die Schliche: Zu Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung kommt noch Betrug.

Die zweite gröbere Geschichte betrifft Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Nicht nur hat man bei ihm knapp 500 Gramm THC-haltiges Marihuana gefunden. In einem Lieferwagen, den er angemietet hatte, fand man 1380 Marihuana-Setzlinge. Das Gericht moniert zu viele Unstimmigkeiten, Intransparenz, was die beteiligten Personen angeht. Dass er die geschnittenen und verpackten Pflanzen habe kompostieren wollen, nimmt es Miroslav freilich nicht ab. Anbau, Ernte, Transport: Miroslav hat nach Ansicht des Gerichts ganze Arbeit geleistet.

Vom Verbot hat er nichts gewusst

Für die Geldstrafe verantwortlich sind geringere Vergehen. Er hat innert kurzer Zeit dreimal die Notrufzentrale der Polizei angerufen, weil eine Auseinandersetzung zwischen zwei Männern und einer Frau stattfinde. Dumm nur: Die Frau war seine Frau, die Männer waren Bekannte. Der Grund: Eifersucht?

Und dann ist da noch die Schreckschusspistole. Er hatte sie unter dem Fahrersitz seines Autos versteckt. In Serbien auf einem Markt gekauft und in die Schweiz schicken lassen. Dass solche Waffen in der Schweiz verboten sind, will er nicht gewusst haben. Dass er sie nicht selber eingeführt hat, entlarvt Miroslav.

Die Sache kommt Miroslav, der gemäss eigener Aussage 30’000 bis 40’000 Franken Schulden hat (darum die Pistole?) und die Diagnose Multiple Sklerose, teuer zu stehen, obwohl das Gericht wegen der Freisprüche unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft bleibt. Verfahrenskosten samt Anklagegebühr 5700 Franken, 3500 Franken Schadenersatz (Uhrenhandel). Dazu kommt eine frühere bedingte Geldstrafe von 1100 Franken, die nun fällig wird. Auf den Zivilweg verwiesen werden Forderungen zweier Klagender, einer Gemeinde und der Ex-Frau von Miroslav, vertreten durch Alimenteninkasso Aargau (12’000 und 23’000 Franken). Und wenn er je zu Geld kommt, wird er auch die Kosten seines Verteidigers, 11’000 Franken, übernehmen müssen. Miroslav wird zu beissen haben. Das Urteil kann ans Obergericht weitergezogen werden.