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Lenzburger Schüler spielen «Squid Game» nach: Primarschule will brutale Gewaltdarstellungen nicht tolerieren

Lenzburger Schüler spielen «Squid Game» nach: Primarschule will brutale Gewaltdarstellungen nicht tolerieren

In einigen Primarschulen spielen Kinder auf dem Pausenplatz ein Spiel aus einer Netflix-Serie nach. Im Original wird man erschossen, wenn man verliert, die Kinder tun nur so. Aber die Schulleitung will diesem Treiben nicht einfach zusehen.

Florian Wicki

Eine Roboter-Puppe namens «Younghee» leitet in der Netflix-Serie «Squid Game» das Spiel «Rotes Licht, grünes Licht»: Wer verliert, wird erschossen.

AP

Die Eltern der Schulkinder der Primarschule Angelrain in Lenzburg haben dieser Tage einen Brief erhalten. Darin erklärt die Schulleitung, seit September laufe auf der Streaming-Plattform Netflix eine neue brutale Serie, welche von Schülerinnen und Schüler nachgespielt werde.

Dabei handelt es sich um die koreanische Serie «Squid Game», die inzwischen meistgesehene Netflix-Produktion aller Zeiten. Das Prinzip ist einfach: 500 hochverschuldete Menschen treten in verschiedenen Kinderspielen gegeneinander an, um mit einem potenziellen Millionengewinn ihre Schulden abzuzahlen. Der Haken: Wer verliert, stirbt. Die Serie ist erst ab 16 Jahren freigegeben. Aber trotzdem wird sie offenbar auch von Primarschülern konsumiert. Denn: Eines dieser Kinderspiele hat es auf den Pausenplatz verschiedener Aargauer Schulen geschafft, eben unter anderem auf jenen der Primarschule Angelrain.

Verlierer werden «erschossen»

Das Spiel heisst «Rotes Licht, grünes Licht» und funktioniert wie das auch hierzulande bekannte «Zitig läse, Zitig läse, Stopp»: An einem Ende des Spielfelds steht der Spielleiter, mit dem Rücken zu den Spielern, und ruft laut «Rotes Licht, grünes Licht» und dreht sich danach um. Während der Spielleiter spricht, bewegen sich die Spieler nach vorn und versuchen, diesen zu erreichen. Sobald er sich aber umgedreht hat, darf sich niemand mehr bewegen. Soweit die Parallelen zwischen der Serie und dem seit Jahrzehnten auf Pausenplätzen bekannte Spiel. Der gewichtige Unterschied: Bei «Zitig läse, Zitig läse, Stopp» müssen die Spieler das Spielfeld verlassen, sollten sie sich trotzdem noch bewegen – bei «Rotes Licht, grünes Licht» in der Serie werden sie erschossen. Die Lenzburger Kinder spielen dieses Erschiessen nun nach – zum Missfallen der Schulleitung.

Das Spiel stellt die Behörden damit vor eine Herausforderung: Wie geht man mit einem ursprünglichen Kinderspiel um, das in – wenn auch nur gespielter – brutaler Gewalt endet?

Fiktive Erschiessungen gehen zu weit

Die Lenzburger Primarschule Angelrain schreibt, das Spiel sei vergangene Woche auf ihrem Pausenplatz aufgetaucht. Man habe die Lehrpersonen bereits auf diese Thematik sensibilisiert und sie gebeten, «mit ihren Lernenden darüber zu sprechen und sie darauf aufmerksam zu machen, dass wir dieses Spiel bei uns an der Schule nicht tolerieren».

Auf Nachfrage will die Co-Leiterin der Schule Angelrain, Linda Villiger, nicht von einem Verbot des Spiels sprechen. Denn: «Verbote bringen bei Kindern nur bedingt etwas.» Gerade bei solchen Thematiken sei es häufig so, dass Kinder etwas nachspielen, ohne den Hintergrund zu kennen. Den thematisiere man nun mit Schülerinnen und Schülern: «Die Lehrpersonen greifen das Thema auf und erklären ihnen, um was es dabei geht und warum das falsch ist.»

Es sei zwar normal, dass Kinder zum Beispiel ab und zu mit Holzstöcken herumrennen und diese wie ein Gewehr einsetzen. Fiktive Erschiessungen gehen dabei aber zu weit:

«Wir wollen in der Schule keine solchen brutalen Gewaltdarstellungen.»

Die Schule setzt sich laut Villiger präventiv mit solchen Themen auseinander: «In unserem Präventionskonzept werden unter anderem auch Themen wie der Umgang mit und der Konsum von Medien behandelt.» Das bespreche man in der Schule stufengerecht im Rahmen des Medien- und Informatikunterrichts oder in der Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit.

Gewaltfreie Variante wird empfohlen

Die Leiterin des Schulpsychologischen Diensts, Katrin Gossner, erklärt auf Anfrage, das Spiel «Rotes Licht, grünes Licht» sei eigentlich ein normales Kinderspiel mit ursprünglich gewaltfreien Regeln. Ihre Empfehlung deckt sich mit dem Lenzburger Vorgehen: «Wenn Schülerinnen und Schüler es nun gemäss der Serie nachspielen, dann sollte interveniert und klargestellt werden, dass Gewalt nicht geduldet wird.» Gleichzeitig werde mit den Kindern das Gespräch gesucht. Sie sollen das Spiel doch nach den altbekannten oder dann neuen kreativen, aber gewaltfreien Regeln spielen.

Den Eltern sagt Gossner, Kinder unter zehn Jahren hätten noch Mühe, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden, deshalb sollen sie die Serie nicht sehen. Wenn sie es aber doch beschäftigt, sollten die Eltern mit dem Kind sprechen und ihm erklären, dass es sich nur um Fiktion handelt. «Falls das Kind Ängste oder Sorgen entwickelt, ist es an den Eltern diese ernst zu nehmen und dem Kind Sicherheit zu vermitteln», so Gossner.