Lohn der National- und Ständeräte drastisch senken? Das sagen die Aargauer Parlamentarier in Bundesbern

 
SVP-Kantonalpräsident Andreas Glarner.

SVP-Kantonalpräsident Andreas Glarner.

Alex Spichale / AGR

Andreas Glarner: Krankenkassen-Mandate für Parlamentarier verbieten

«Wenn er den Parlamentarierlohn senken will, hat Thomas Burgherr in mir einen Verbündeten», sagt sein SVP-Ratskollege und Kantonalpräsident Andreas Glarner spontan: «Ich würde die Gesamtentschädigung sofort halbieren.» Aber warum? Glarner: «Die Mehrheit der Parlamentarier lebt inzwischen von diesem Lohn, statt daneben dem angestammten Beruf nachzugehen. Doch genau das erfordert das Milizprinzip. Auch ich will kein Berufsparlament.» Aber würden dann nicht Parlamentarier (mehr) lukrative Mandate annehmen und damit Abhängigkeiten riskieren, um das Lohnminus auszugleichen? Das passiere heute schon, grollt Glarner: «Parlamentariern müsste man etwa Krankenkassenmandate verbieten. Denn ich frage mich: Wie unabhängig entscheiden Kassenvertreter in Gesundheitsdebatten?» Glarner glaubt aber, dass der Weg über eine Volksinitiative zu aufwendig ist, zumal «die Parlamentarier darob derart lauthals jammern würden, dass das Volk sie womöglich noch ablehnt». Er würde den Weg über eine parlamentarische Initiative vorziehen und dann publikmachen, wer diese ablehnt.

Irène Kälin: Besser ein richtiger Lohn als steuerfreie Spesen
Irène Kälin, Nationalratsvizepräsidentin (Grüne) und Präsidentin Gewerkschaftsdachorganisation Arbeit Aargau.

Irène Kälin, Nationalratsvizepräsidentin (Grüne) und Präsidentin Gewerkschaftsdachorganisation Arbeit Aargau.

Severin Bigler

Ein Nationalrätinnenmandat erfordere einen Arbeitszeitaufwand von mindestens 50 Prozent, sagt Nationalratsvizepräsidentin Irène Kälin (Grüne), bei Ständeräten sei es eher mehr. Dies auf maximal 30 Prozent der jährlichen Arbeitszeit zu beschränken, «wäre eine Illusion und völlig falsch». «Wenn man in einer arbeitsintensiven Kommission tätig ist und grad grosse Reformvorhaben anstehen, muss man dafür doch die nötige Zeit investieren!» Man könne auch nicht einfach im Oktober die Arbeit einstellen, weil die Jahresarbeitszeit aufgebraucht ist, sagt sie kopfschüttelnd.

Mit seinem Vorhaben sei Thomas Burgherr «zudem auf einem absoluten Nebenschauplatz», kritisiert Kälin weiter. Die SVP dürfe gern Massnahmen zur Vereinbarkeit von Politik, Beruf und Familie unterstützen, «doch genau da klemmt sie, das ist doch scheinheilig». Kälin ärgert sich aber auch über die Spesenpauschalen im Parlament: «Uns soll ein voll zu versteuernder Lohn ausbezahlt werden statt die Hälfte über steuerfreie Spesen.» Sollte man die Gesamtentschädigung massiv senken, befürchtet sie, dass das Risiko der Käuflichkeit von Parlamentariern stiege oder sich nur noch sehr gut Betuchte das Amt leisten können.

Benjamin Giezendanner: Das Parlament ist überbezahlt

Der SVP-Nationalrat und Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes Benjamin Giezendanner.

Der SVP-Nationalrat und Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes Benjamin Giezendanner.

Britta Gut

«Eigentlich gehört so eine Bestimmung nicht in die Verfassung», sagt der SVP-Nationalrat und kantonale Gewerbeverbandspräsident Benjamin Giezendanner, «aber ich verstehe, warum Thomas Burgherr diesen Weg gehen will. Im Parlament hätte er damit keine Chance. Wenn der Text clever formuliert wird, und davon gehe ich aus, bin ich der Erste, der diese Initiative unterschreibt.» Nach zwei Jahren im Parlament habe er eindeutig den Eindruck, dass dieses überbezahlt sei, sagt Giezendanner. Viele seien tatsächlich finanziell von diesem Mandat abhängig. Deshalb sei der Ansatz «Zurück zu den Wurzeln» richtig und nötig, auch wenn ihm bewusst ist, dass wahrscheinlich nicht einmal in der eigenen Fraktion alle unterschreiben würden.

Das Übel liegt für ihn nicht in der Grundentschädigung, sondern in den diversen Spesen: «Sehen Sie, fürs Hotel gibt es in der Session eine grosszügige Entschädigung, auch wenn man daheim übernachtet.» Bei der Annahme von Mandaten fordert er maximale Transparenz. Er ist sicher, dass die Qualität des Parlaments mit einer tieferen Entschädigung sogar steigen würde.

Beat Flach: Dann können sich nur noch Millionäre Nationalratsmandat leisten

GLP-Nationalrat Beat Flach.

GLP-Nationalrat Beat Flach.

Alessandro Della Valle / KEY

Ob Burgherrs Anliegen schüttelt sein Nationalratskollege Beat Flach (GLP) den Kopf: «Fast alle machen daneben etwas anderes – als Angestellte, Unternehmerinnen und Unternehmer oder in einer Organisation oder Stiftung. Dass die meisten Vollzeitparlamentarier sind, ist ein Märchen.»

Wenn man die Parlamentstätigkeit verantwortungsvoll ausübe – «dafür sind wir ja gewählt» –, brauche das Zeit. «Ich zähle die Stunden nicht, die ich allein an 100 Tagen pro Jahr in Bern politisiere. Wir Politiker sitzen in Bern 30’000 Verwaltungsangestellten des Bundes gegenüber. Diesen Spezialisten müssen wir in Kommissionssitzungen auf Augenhöhe begegnen können. Das erfordert sorgfältigste Vorbereitung und viel Zeit. Das ist es mir wert, gewiss auch dem Volk. Es weiss, dass es eins der günstigsten Parlamente hat.» Flach wünscht sich gar für Fraktionssekretariate mehr Mittel, um ein besseres Gegengewicht zur Verwaltung zu bilden. Entschädigung und Spesen seien angemessen. Sollte dies massiv gekürzt werden, befürchtet er, «dass sich dann fast nur noch Millionäre so ein Mandat leisten können, das kann es nicht sein».

Entschädigung

So viel gibt’s im Aargau im Grossen Rat

Wer im aargauischen Grossen Rat sitzt, bekommt eine jährliche Entschädigung von 4000 Franken. Dazu  kommen 150 Franken Sitzungsgeld pro Halbtagessitzung beziehungsweise 300 Franken für einen ganzen Sitzungstag, 30 Franken Mahlzeitenentschädigung (bei ganztägigen Sitzungen), 70 Rappen/km Fahrspesen. Gemäss Parlamentssekretärin Rahel Ommerli beträgt der jährliche Durchschnitt derzeit ca. 11’000–12’000 Franken, variierend je Anzahl Sitzungen und nach Engagement, wobei die meisten Ratsmitglieder auch in einer Kommission tätig sind.