Marco Castellaneta von Museum Aargau: «Wir haben rund 65’000 Besucher eingebüsst»

Herr Castellaneta, Sie durften nach wochenlangem Shutdown eine erfolgreiche Wiedereröffnung erleben.

 

Marco Castellaneta: Es ist sehr gut angelaufen, das hatten wir so nicht erwartet. Am ersten Wochenende hatten wir auf den Schlössern Wildegg, Hallwyl und Lenzburg insgesamt sogar mehr Besucher als im Vorjahr. Wir erklären uns die guten Zahlen damit, dass unsere Standorte auch draussen im Garten ein Erlebnis sind. Die Leute haben zu Hause nicht die Erwartung, dass sie sich in einen geschlossenen Raum begeben müssen.

 

Trotzdem hat auch Museum Aargau während der fast zwei­monatigen Schliessung viele Besucher verloren.

Durch die Schliessung haben wir rund 65’000 Besucherinnen und Besucher eingebüsst. Zusätzlich werden rund 60’000 Besucher bis Ende August dadurch fehlen, dass Schulklassen keine ausserschulischen Aktivitäten unternehmen dürfen. Weiter fallen bis Ende August insgesamt 50 Veranstaltungen aus. Darunter sind einige Grossveranstaltungen, wie der Setzlingsmarkt oder der historische Sommeranlass in Lenzburg. Dadurch fehlen bis Ende August weitere 16’000 Besuchende.

Nach welchen Kriterien sagen Sie die Veranstaltungen ab und für welche Veranstaltungen gibt es noch Hoffnung?

Wir haben bisher nur das abgesagt, was wir von der Mengenanzahl an Personen her wirklich absagen mussten. Also all das, was bis Ende August die Grenze von 1000 Personen überschreitet. Für das Fauchifest auf dem Schloss Lenzburg, das Genussfest auf der Wildegg oder den Mittelaltermarkt auf dem Schloss Lenzburg haben wir noch die Hoffnung, dass der Bundesrat die Besuchermengenbegrenzungen erhöhen wird.

Planen Sie mit Alternativ­szenarien?

Wir wollten von Anfang an kein Schwarz-Weiss-Denken. Wir haben also nicht zwischen «absagen» oder «nicht absagen» entschieden, sondern planten immer in Szenarien. Also immer mit einem Idealfall, in dem ein Fest mit den normalen Mengengrössen stattfinden kann, dann mit einem Worst-Case-Szenario, in dem das Fest gar nicht stattfinden kann. Und dann eben auch mit Szenarien, in denen eine Veranstaltung unter angepassten Bedingungen stattfinden kann. Bei jeder Veranstaltung überlegen wir uns, wie wir sie durchführen könnten. Etwa ob wir das Fauchifest, das normalerweise zirka 1200 Besucher anlockt, statt nur an einem Sonntag an zwei Tagen stattfinden lassen.

Ihre grosse Sonderausstellung «Von Menschen und Maschinen» wurde auf den Herbst verschoben, wie fest schmerzt es?

Natürlich schmerzt jede Absage, aber auch jede Verschiebung. Aber wir hatten im Fall dieser Sonderausstellung zur Industriegeschichte unglaublich viel Glück, dass wir uns so früh entschieden haben. Auf diese Weise konnten wir sie verschieben, statt sie ganz abzusagen. Wir haben all das, was bereits aufgebaut war, konserviert, damit wir dann am 23. Oktober hoffentlich einfach aufmachen können, als ob nichts gewesen wäre. Und die Objekte, die wir noch gar nicht aus dem Sammlungszentrum geholt hatten, haben wir dort gelassen. Somit hatten wir nicht allzu viel zusätzlichen Aufwand. Wir konnten zum Beispiel auch die Plakatkampagnen noch stornieren und die SBB Historic ist uns als Vermieterin der Räume entgegengekommen, sodass wir sie für fünf weitere Monate bis Ende April 2021 mieten können.

Wie hoch sind die finanziellen Einbussen?

Das ist momentan schwierig zu beziffern. Eines sind die wegfallenden Eintritte: Geht man von 65’000 fehlenden Besuchern aus, dann ist das schon mal ein Viertel der direkten Besuchereinnahmen. Auf der anderen Seite werden wir praktisch auch zu Einsparungen gezwungen. Wir brauchen momen­tan zum Beispiel leider fast kein Führungspersonal, weil Gruppenführungen in den Museen bis auf weiteres ausfallen.

Ist der Museumsbesuch beeinträchtigt?

Ganz im Gegenteil. Das haben die Zahlen am ersten Wochenende gezeigt. Und auch die Rückmeldungen, die wir bekommen haben. Man kann zwar keine öffentliche Führung für 20 Personen buchen, aber wenn es jemand wünscht, bieten wir Führungen für Kleingruppen an. Und für alle anderen haben wir historische Personen ins Leben gerufen. So gehen ehemalige Schlossbewohner oder Legionäre auf die Besucher zu, erzählen aus der Schlossgeschichte und ihrem Leben und verwickeln sie in ein Gespräch, wenn diese es wünschen. Das ist super angekommen. Ausserdem haben wir das Glück, an all unseren Standorten über grosse Flächen zu verfügen. So ist eine künstliche Begrenzung der Besucherzahl – das haben wir bei den Berechnungen schnell bemerkt – an vielen Orten gar nicht notwendig.