Mehr Hilfe für Aargauer Gewerbe: Wer wieviel erhält, was die Betroffenen sagen, woher das Geld kommt

Vergangene Woche hat die Aargauer Regierung angekündigt, geschlossenen Betrieben finanziell helfen zu wollen. An ihrer Sitzung vom Mittwoch hat sie nun Nägel mit Köpfen gemacht: Der Kanton übernimmt die Fixkosten wie Miete oder Strom von geschlossenen Betrieben.

Wer profitiert?

Sämtliche Betriebe, die auf behördliche Anordnung seit dem 1. November für mindestens 40 Tage geschlossen sind, haben Anspruch auf diese Fixkostenbeiträge. Das sind im Aargau alle Kinos, Fitnesszenter, Restaurants und Läden, die keine Güter des täglichen Bedarfs verkaufen. Grobe Schätzungen des Kanton gehen davon aus, dass etwa 2800 Betriebe Anspruch haben werden.

Einige Präzisierungen gibt es: So hat jedes Unternehmen nur einmal pro Monat Anspruch auf diesen Fixkostenbeitrag, egal wie viele Filialen es hat. Unternehmen, die staatliche Subventionen erhalten oder eine staatliche Trägerschaft haben, sind von der Unterstützung ausgeschlossen. Schliesslich haben Betriebe Anspruch, sobald «wesentliche Teile» des Betriebs geschlossen sind – nicht der gesamte Betrieb muss geschlossen sein. So hat etwa ein Hotel Anspruch auf Fixkostenbeiträge, wenn das Hotel zwar geöffnet ist, das Restaurant aber nicht. Vorausgesetzt, das Restaurant erwirtschaftet mindestens 25 Prozent des Gesamtumsatzes.

Wie viel Geld bekommen geschlossene Betriebe vom Kanton?

Die Beiträge sollen die Fixkosten der Betriebe decken. Also diejenigen Ausgaben, die sie weiterhin haben, auch wenn sie geschlossen sind. Strom, Versicherungen oder Miete zum Beispiel. Der Anteil der Fixkosten am Gesamtaufwand eines Betriebs ist je nach Branche unterschiedlich. Als Grundlage für die Berechnung nimmt der Kanton die Wertschöpfungsstatistik des Bundesamts für Statistik. Demnach bekommen die Betriebe folgenden Anteil an ihrem Gesamtaufwand 2019:

  • Gastronomie: 28,6 Prozent
  • Detailhandel: 16,3 Prozent
  • Sport und Unterhaltung (z.B. Fitnesszentren): 28,1 Prozent
  • Handel mit Motorfahrzeugen: 10 Prozent
  • Übrige (z.B. Kinos): 28,6 Prozent.

Rechnungsbeispiel: Ein Restaurant hat 2019 einen Umsatz von 750’000 Franken gemacht, davon 30’000 Franken Gewinn. Das ergibt einen Gesamtaufwand von 720’000 Franken. Multipliziert man dies mit dem Fixkosten-Branchenfaktor von 28,6 Prozent, ergibt das Fixkosten von 205’920 Franken im Jahr oder 565 Franken am Tag. Gehen wir davon aus, dass das Restaurant Anfang März wieder öffnen darf, zuvor demnach 68 Tage lang geschlossen wäre. Der Wirt bekommt 38’420 Franken (565 Franken Fixkosten mal 68 Tage) ausbezahlt.

Maximal erhält ein Betrieb 50’000 Franken im Monat, das Geld muss nicht zurückbezahlt werden.

Wo kann man sich anmelden und ab wann soll es Geld geben?

Ab dem 25. Januar können Gesuche auf ag.ch/wirtschaftsmassnahmen eingereicht werden. Und gemäss Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli sollen bereits Ende Januar erste Betriebe Geld erhalten.

Was kostet das den Kanton?

Der Regierungsrat schätzt, dass die Fixkostenbeiträge jeden Monat rund 46 Millionen Franken kosten werden. Das wären, wenn die Betriebe ab März wieder öffnen können, 92 Millionen Franken. Dazu kommen die bisherigen Härtefall-Gelder für die Betriebe mit Umsatzrückgängen. Diese belaufen sich auf weitere 33 Millionen Franken. Das ergibt Gesamtkosten von 125 Millionen Franken für die Zeit des derzeit geltenden Lockdowns. Finanzdirektor Markus Dieth geht davon aus, dass der Bund rund 80 Millionen Franken davon übernehmen wird. Bleiben 45 Millionen Franken für den Kanton.

Kann sich der Kanton das leisten?

«Ich schlafe noch gut», sagte Finanzdirektor Markus Dieth an der Pressekonferenz. Der Grosse Rat hat bereits Anfang Januar 125 Millionen Franken für Härtefall-Gelder gesprochen. Dieses Geld reicht, um die Fixkostenbeiträge ebenfalls zu bezahlen. Der Kanton hat ausserdem fast 500 Millionen Franken in der Ausgleichsreserve. Mit diesem Geld könnten allfällige Defizite bezahlt werden. Dieth rechnet damit, dass die Schweizerische Nationalbank durch eine vierfache Gewinnausschüttung weitere 100 Millionen Franken in die Kantonskassen spülen wird.  Damit sollten auch weitere coronabedingte Defizite, etwa Steuermindereinnahmen oder Ausfallentschädigungen für die Spitäler, gedeckt werden können. «Es kann nicht ewig so weiter gehen. Aber aktuell können wir uns diese Massnahmen leisten», so Dieth.

Wie reagiert das Gewerbe?

«Diese Entschädigung macht niemals wett, dass die Läden geschlossen wurden. Aber immerhin kommt man ihnen entgegen», sagt Gewerbeverbands-Präsident Benjamin Giezendanner halbwegs zufrieden. Alles in allem sei diese Entschädigung für die Läden gut, gerade auch im kantonalen Vergleich – andere Kantone haben deutlich zurückhaltendere Hilfspakete. Aber im Einzelfall gebe es dann doch Läden, denen diese Hilfen weniger bringen würden als anderen. Zum Beispiel ein Kleiderladen: Die Ware vom Weihnachts- und Januarsverkauf kann je nachdem nicht mehr gebraucht werden und muss abgeschrieben werden. Das sind zusätzliche Verluste zu den Fixkosten, die nicht gedeckt sind. Und wer bei dieser Entschädigung komplett aussen vor bleibe, so Giezendanner, seien alle Zulieferer wie Getränkehersteller oder Kleiderproduzenten.

Was sagen die Gastronomen?

Fast schon überschwänglich gibt sich Heiner Kuster, Vorstandsmitglied von Gastro Aargau. «Die Regierung hat ihre Hausaufgaben gemacht. Für die Restaurants haben wir die beste Lösung der ganzen Schweiz.» Damit sei den Betrieben vorübergehend geholfen. Und zwar den allermeisten. Ein erster Entwurf der Fixkostenbeiträge sah vor, dass diese bei 30000 Franken im Monat gedeckelt waren. Damit wären die grösseren Restaurants, die höhere Fixkosten haben, benachteiligt gewesen. Nun ist dieser Betrag bei 50000 Franken im Monat gedeckelt. Damit seien für die allermeisten Restaurants die Fixkosten gedeckt, so Kuster.

Gibt es weitere Hilfe für die Betriebe?

Ja. Auch wer Fixkostenbeiträge erhält, kann weiterhin Härtefall-Gelder beantragen. Je nach Situation bekommt er Kredite oder à fonds perdu Beiträge. Zudem hat die Aargauische Kantonalbank am Mittwoch bekanntgegeben, dass sie all ihren gewerbetreibenden Mietern während dreier Monate die Hälfte der Miete erlässt. Rund 220’000 Franken entgehen dadurch der AKB – dieses Geld sparen die Mieter ein.