Wegen neuer Aue: Frosch-Massensterben auf der viel befahrenen Kantonsstrasse befürchtet
Die Bagger sind verschwunden, die Lastwagen haben ihre Fahrten durch Mellikon eingestellt. Unterdessen ist im «Meieried» am Rhein wieder Ruhe eingekehrt, wenn auch nur vorübergehend: Der Kanton stellte die Arbeiten am Renaturierungsprojekt direkt neben der Badi Mitte November wegen der nassen Witterung ein. Bis im Frühling bleibt die Baustelle unangetastet.
Für 2,8 Millionen Franken entstehen hier neue Lebensräume für Amphibien, Fische, Vögel und Insekten. Das «Meieried» könnte sich dereinst zu einem Ausflugsziel entwickeln wie die rund zehn Kilometer entfernte Auenlandschaft «Chly Rhy» in Rietheim. Im Dorf löst das Projekt aber nicht nur Vorfreude aus.
Auengebiet leistet wichtigen Beitrag für die Natur
«Wir haben die ganze Palette an Meinungen dazu in Mellikon», sagt Gemeindeammann Rolf Laube. «Die einen freuen sich, dass etwas für die Natur getan wird.» So erhalten zahlreiche Tiere und Pflanzen auf einer Fläche von rund vier Hektaren und einer Länge von etwa 650 Metern einen Platz, bei dem sie sich ungestört entfalten können.
Das «Meieried» wird somit einen wichtigen Beitrag für den Artenschutz leisten: Denn rund 40 Prozent von Schweizer Pflanzenarten und 84 Prozent aller Tierarten können in Auen vorkommen. Und jede achte Tierart ist auf Auenlebensräume zwingend angewiesen.
Dorf sperrt wegen Fröschen temporär eine Dorfstrasse
Es gebe aber auch kritische Stimmen im Dorf, sagt Rolf Laube. So befürchten einige Mellikerinnen und Melliker, dass es auf der Rheinstrasse zu einem Massensterben von Fröschen kommen könnte. Damit hat das Rheintaler Dorf bereits Erfahrung. Nach der Erteilung der Bewilligung für den Restabbau der Kiesgrube Wiesenächer im Jahr 2008 und den daraufhin erstellten Ausgleichsflächen nahm die Population von Amphibien und Reptilien sprungartig zu.
Ihr Laichzug führt aber über die viel befahrene Rooswisstrasse und das Bahngleis. Damit die Tiere dort nicht mehr in den Tod hüpfen, ergriffen die Gemeinde und die SBB zahlreiche Massnahmen. Seit fast zwei Jahren wird in sogenannten Zugnächten Ende Februar, wenn es feucht und über fünf Grad warm ist, auch die Strasse gesperrt.
Ein ähnliches Szenario könnte auch beim «Meieried» drohen, wenn es viele Amphibien anzieht und so neue Wanderzüge entstehen. «Die Kantonsstrasse können wir dann aber nicht einfach sperren wie die Dorfstrasse in Richtung Rümikon», sagt Rolf Laube.
Sorge bereitet einigen im Dorf auch eine mögliche Verlandung der Aue. Dies sei bereits bei beiden Melliker Buchten eingetreten, sagt Rolf Laube. Dies bei der Einmündung des Dorfbachs in den Rhein, also in unmittelbarer Nähe zur Badi und somit zum «Meieried», sowie rund 800 Meter flussaufwärts bei der Einmündung des Tägerbachs. «Durch das Kraftwerk flussabwärts staut es das Wasser, wodurch sich über die Jahre Sedimente bei den Buchten ablagern», sagt er.
Dies könnte auch bei der neuen Auenlandschaft vorkommen. Die neu erstellten Flächen brauchen über die Jahre Unterhalt. Der Gemeinde ist es sehr wichtig, dass diese Unterhaltsarbeiten vom Kanton finanziert werden. «Der Kanton versicherte uns, für den Unterhalt und die Pflege zu sorgen», sagt Rolf Laube
Abriss des Militärbunkers ist nicht bei allen auf Verständnis gestossen
Vor allem für die älteren Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner sei der Rückbau des Militärbunkers schwer zu verkraften, sagt Rolf Laube. «Dieser stammt aus dem Zweiten Weltkrieg − einige haben dessen Bau als Kinder noch erlebt.» Das Festungsmuseum Full habe vor dem Abriss noch Waffensysteme ausgebaut und somit gerettet. Bis der massive Bunker dem Erdboden gleichgemacht wurde, dauerte es über zwei Wochen. «Die starken Erschütterungen liessen in einigen Küchenschränken die Gläser vibrieren.»
Zwar erstellt der Kanton eine Aussichtsplattform und direkt beim Schwimmbad einen Rastplatz mit Feuerstelle. Dafür fällt mit dem neuen Auenschutzgebiet in Zukunft ein direkter Zugang zum Fluss weg, auch führt der Wanderweg über mehrere hundert Meter nicht mehr direkt am Rhein entlang.
Auch Rolf Laube ist vom Projekt betroffen. Er bewirtschafte jahrelang die Fläche als Pächter, die nun renaturiert wird. «Es ist naheliegend, dass der Kanton als Grundbesitzer das ‹Meieried› im Richtplan als Renaturierungsfläche festlegt», sagt er.
Durch die Annahme der Aueninitiative im Jahr 1993 ist der Kanton verpflichtet, ein Prozent der Kantonsfläche als Auenschutzpark zu renaturieren. «Dass diese Fläche nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung steht, tut natürlich schon weh», so Laube.