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Eklat um Bruno Greteners Ehrenbürgerrecht: Wie zwei Gemeinderäte den Ammann ins Abseits stellen wollten 

Wie tief der Graben im Mellinger Gemeinderat ist, war über weite Strecken der Gemeindeversammlung nur an Nuancen erkennbar. Etwa dann, als der abtretende Ammann Bruno Gretener (FDP) und der abtretende Vizeammann René Furter (SVP) ihre Abschiedsreden hielten. Sie bedankten sich bei allen und jedem, bei Familie, Weggefährten, Verwaltungsangestellten und ehemaligen Gemeinderäten. Nicht aber bei den aktuellen und wiedergewählten Ratsmitgliedern Beat Gomes und Györgyi Schaeffer.

Gemeinderat Beat Gomes.

Auch an feinen Spitzen Greteners offenbarte sich der Graben. So forderte er die 120 anwesenden Stimmbürger auf, zu überdenken, ob sich eine Sanierung des Hallenbades nicht doch lohnen würde. Gomes hatte in einem «Reussbote»-Interview gesagt: «Von mir aus kann man das Bad sprengen.» Oder als Gretener sagte, Plaza, das Projekt zur Aufwertung der Altstadt, sei «entgegen anders lautender Aussagen quicklebendig». Gomes, selbst ernannter Gretener-Gegner, sagte im Interview: «Plaza ist gestorben.»

Warum das Ehrenbürgerrecht nicht traktandiert war

Mit aller Macht und in voller Grösse offenbarte sich der Graben jedoch am Ende der knapp dreistündigen Versammlung. In Mellingen und vielen anderen Gemeinden ist es üblich, langjährigen Ammännern das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. In Mellingen war es nicht einmal traktandiert.

Gemeinderätin Györgyi Schaeffer.

Auch wenn im vorliegenden Fall das Amtsgeheimnis gilt, reichen minimalste mathematische Fähigkeiten, um nachzuvollziehen, warum: Der Gemeinderat legt die Traktanden der Gmeind fest. Seit dem Rücktritt von Roger Fessler, der nach der E-Mail-Affäre im Juni abtrat, hat Mellingen noch vier Ratsmitglieder. Gretener musste bei der Abstimmung in den Ausstand treten, weil das Ehrenbürgerrecht ihn selbst betraf (Befangenheit). Furter, sein Freund und langjähriger Weggefährte, hat ihm mit Sicherheit das Ehrenbürgerrecht nicht verwehren wollen. Also müssen Gomes und Schaeffer dagegen gestimmt haben. Das Ergebnis der internen Ausmarchung: 1:2.

Roger Fessler, der der Gemeindeversammlung im Plenum beiwohnte, bezeichnete Schaeffer und Gomes gegenüber der AZ als «Anti-Demokraten» und führte aus:

«Sie wollten der Stimmbevölkerung das Recht entziehen, über die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Bruno Gretener abzustimmen.»

Dank eines Kniffs wird es doch noch soweit kommen. Der ehemalige Gemeindeschreiber Ernst Pelloli stellte einen Überweisungsantrag. Das Ehrenbürgerrecht Greteners sei an der nächsten Gemeindeversammlung durch den neuen Gemeinderat zu traktandieren. Die anwesenden Stimmbürger stimmten dem Antrag mit grossem Mehr zu und verabschiedeten Gretener nach 16 Jahren als Ammann und 21 Jahren im Gemeinderat mit Standing Ovations.

Gretener verzichtete zunächst darauf, auf die Vorkommnisse der letzten Monate einzugehen, die dazu führten, dass er und Furter im September nicht mehr zur Wiederwahl antraten. Nach der Annahme von Pellolis Überweisungsantrag sagte er aber:

«Ich bin sehr enttäuscht, dass die Verleihung des Ehrenbürgerrechts nicht an meiner letzten Gmeind und in einem würdigen Rahmen stattfinden kann.»

Die Art und Weise, wie das verhindert wurde, trübe seine Freude über den angenommenen Überweisungsantrag. Klarere Worte zur Vergangenheit fand indes Furter. Er erwähnte das schlechte, von Intrigen geprägte Klima im Gemeinderat, die gedruckten Unwahrheiten in der Presse. «Wir hätten gerne noch einige Jahre angehängt. Aber wir mögen nicht mehr. Es ist Zeit, aufzuhören.»

Vergiftetes politisches Klima auch vor dem zweitem Wahlgang

Wie vergiftet das politische Klima in Mellingen nach wie vor ist, zeigt sich vor dem zweiten Wahlgang vom 28. November. Die bisherigen Gemeinderäte Schaeffer und Gomes kandidieren als Frau Gemeindeammann und Vizeammann. Die neu gewählten Gemeinderäte Martin Huber (als Ammann, parteilos) und Eveline Wernli (als Vizeammann, Mitte) sind ihre Antipoden. Die beiden letztgenannten empfehlen sich mittlerweile als Zweier-Ticket, obwohl Wernli zuerst das Frauenticket angestrebt hatte.

Vizeammann-Kandidatin Eveline Wernli.

Als Tummelfeld von Anschuldigungen und Verunglimpfungen erweisen sich die Leserbriefspalten der Lokalzeitung Reussbote. Kaum eine Anschuldigung scheint tief genug unter der Gürtellinie, um nicht gedruckt zu werden. So wirft etwa der gescheiterte Gemeinderatskandidat Urs Weber dem Ammann-Kandidaten Martin Huber «mangelnde Impulskontrolle» vor – dies ist wohlgemerkt noch eine der netteren Unterstellungen. Eine Leserbrief-Reaktion bezeichnet Webers «Andeutungen als degoutant». Auch die IG Impuls Mellingen 21, zu deren Gründungsmitgliedern Weber zählt, distanzierte sich von dessen Aussagen.

Ammann-Kandidat Huber: «Erschüttert über die Unwahrheiten»

Ein weiterer Leserbrief von Bruno Fischer wirft Unternehmer Huber vor, «nach dem Tod seines Vaters das langjährige Familienerbe ziemlich schnell aufgelöst» zu haben. Huber wehrt sich dagegen in einer Klarstellung: «Meine Familie und ich sind erschüttert, dass solche Unwahrheiten im Zusammenhang mit meinem verstorbenen Vater verbreitet werden.»

Ammann-Kandidat Martin Huber.

Györgyi Schaeffer wiederum wird in einem Leserbrief von Stefan Florjancic fahrlässiges Verhalten während ihrer Covid-Erkrankung vorgeworfen. Gemeinderat Gomes reagiert darauf und nennt die Zeilen «Geschwurbel aus dem Dunstkreis von E-Mail-Fälschern». Fessler wiederum empfindet das als öffentliche Diskreditierung seiner Person und fordert Gomes auf Facebook auf, sein Amt als Gemeinderat niederzulegen.

Wie auch immer das Ergebnis im zweiten Wahlgang ausfällt. Mit der Fertigstellung der Umfahrung und dem damit verbundenen Plaza-Projekt, mit der Sanierung des Hallenbads und der hohen Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinde warten Herkules-Aufgaben auf die neue Exekutive. Dabei geht fast unter, dass an der zurückliegenden Gmeind alle Traktanden angenommen wurden.