Mordfall Rupperswil: Beide Psychiater erklären Thomas N. für therapiefähig

Der mutmassliche Vierfachmörder von Rupperswil ist therapiefähig. Dieses Fazit zogen unabhängig voneinander die psychiatrischen Gutachter Elmar Habermeyer und Josef Sachs vor dem Bezirksgericht Lenzburg. Über den Erfolg einer Therapie konnten sie hingegen keine verbindlichen Aussagen machen. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine lebenslängliche Verwahrung nicht gegeben. Sie verlangen zwei unabhängige Gutachter, die beide die dauerhafte Untherapierbarkeit eines Beschuldigten feststellen.

Insgesamt bestehe ein hohes Rückfallrisiko, sagte der Psychiater Elmar Habermeyer, Chef der Forensischen Psychiatrie der Psychiatrischen Uniklinik Zürich. Aber die Voraussetzungen sowohl für eine ambulante strafvollzugsbegleitende Therapie als auch eine stationäre Massnahme seien gegeben. Empfehlenswert wäre zunächst eine ambulante Therapie. Vor einer Entlassung wäre aber ein stationärer Aufenthalt wichtig. In einer Klinik mit Schwerkranken sehe er ihn eher nicht, sagte Habermeyer. Dabei dürfe man nicht erwarten, dass die Pädophilie des Beschuldigten «entfernt» werden könne, sagte Habermeyer. Dies sei nicht möglich. Erreichbar sei aber ein angemessener Umgang mit der Neigung.

Volle Schuldfähigkeit

Der Gutachter konnte keine Einschränkung der Schuldfähigkeit während der Tat des heute 34-Jährigen erkennen. Er sei sich im Klaren gewesen, dass er rechtswidrige Handlungen vorgenommen habe und habe in sämtlichen Tatphasen ein plangemässes, zielgerichtetes Verhalten gezeigt. Auf Unvorhergesehenes – etwa das Klingeln einer Nachbarin an der Tür – habe er besonnen reagiert. Beim Beschuldigten diagnostizierte der Psychiater zusätzlich zur Pädosexualität eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Dazu komme ein Dominanzstreben und der Verdacht auf sexuellen Sadismus. Er zeige Anzeichen für eine Serientäterschaft, weil er die Gefährlichkeit von Tatplänen nicht erkenne, solange sie erst in seinen Gedanken existierten.

Zwischen 20 und 30 kamen Probleme 

Zur Persönlichkeit des Beschuldigten führte der Experte aus, dass bis zur Matur keinerlei Auffälligkeiten vorlagen. Diese kamen erst zwischen 20 und 30. In dieser Zeit tat sich eine immer grössere Kluft auf zwischen Wirklichkeit und «Legenden», die er über sein Leben erfand. Sowohl seiner Familie als auch Aussenstehenden gegenüber pflegte er eine erfolgreiche Fassade, während er tatsächlich in mehreren Studien scheiterte. Aus diesem Widerspruch habe sich für ihn ein wachsender Leidensdruck entwickelt.

Um einen Ausweg zu finden, suchte er Möglichkeiten, illegal an Geld zu kommen – es entstand der Plan der räuberischen Erpressung, in den schliesslich auch die pädosexuelle Handlung einbezogen wurde. Am Ende kam es am 21. Dezember 2015 in Rupperswil zur Erpressung von Geld, sexuellen Übergriffe auf ein Kind, die Tötung von vier Menschen und Brandstiftung.

Auch für ihn als erfahrenen forensischen Psychiater sei der vorliegende Fall aussergewöhnlich. Er gehöre sicher in die «Top ten» der bisher erstellten rund 1000 Begutachtungen. Namentlich die Diskrepanz zwischen seiner Spiessigkeit, wie der Beschuldigte selbst sage, und seinen schweren Delikten sei verstörend.

Der Beschuldigte verfolgte die Ausführungen des Gutachters mit gesenktem Blick. Manchmal stützte er seinen Kopf auf und versteckte sein Gesicht in den Händen, hin und wieder machte er Notizen.