
Nach Attacke auf Mitte-Grossrat Harry Lütolf: Betrunkene Störefriede sollen in jedem Fall inhaftiert werden
Letzten September wurde Mitte-Grossrat Harry Lütolf am Bahnhof Wohlen verprügelt, als er dabei war, Wahlplakate aufzuhängen. Er hatte Glück und konnte sich reflexartig wegdrehen: «Sonst hätte er mir wohl die Nase gebrochen und die Zähne ausgeschlagen», sagte er damals. Die Polizei konnte den Täter anhalten. Gegenüber Lütolf sagten die Polizisten, dass sie den Täter nach Hause bringen, denn über Ausnüchterungszellen verfüge der Kanton nicht.
Dieses Erlebnis veranlasste Lütolf, zusammen mit SVP-Grossrat Roland Vogt (er ist selber Polizist) beim Kanton nachzufragen, wie dieser mit betrunkenen Störefrieden umgeht. So wollten sie etwa wissen, wieso es im Kanton Aargau keine Ausnüchterungszellen wie in Zürich gibt. Der Aufwand, eine solche Einrichtung auch im Aargau zu betreiben, übersteige den Nutzen, so die Antwort des Regierungsrats.
Nur drei Personen wären in der Ausnüchterungszelle gelandet
Im Jahr 2019 wurde im Kanton Aargau gegen 2458 Personen die vorläufige Festnahme oder der Polizeigewahrsam angeordnet. 70 Personen wurden danach von einem Arzt als nicht hafterstehungsfähig beurteilt. Grund dafür können medizinische Probleme oder ein hoher Promillewert sein. Von diesen 70 Personen wurden 48 wegen Eigen- oder Drittgefährdung in die Psychiatrische Klinik in Königsfelden eingewiesen, sieben Personen mussten wegen eines medizinischen Problems und nur drei Personen wegen ihres starken Rausches ins Spital gebracht werden. «Diese Anzahl von Fällen rechtfertigt den Betrieb von Ausnüchterungszellen nicht», schrieb der Regierungsrat damals auf die Fragen der beiden Motionäre.
Die Zahlen veranlassten Lütolf und Vogt zu einem neuen Vorstoss. Denn nach Abzug der 48 Personen in der Psychiatrischen Klinik und der zehn Personen, die ins Spital gebracht wurden, blieben bis zu den 70 nicht hafterstehungsunfähigen Personen noch zwölf übrig. «Es ist anzunehmen, dass die zwölf verbleibenden Personen auf freien Fuss gesetzt und sich selbst überlassen wurden», schreiben die Grossräte.
Betrunkene Störefriede sollen öfter inhaftiert werden
In ihrer Motion fordern sie nun, dass «berauschte Personen», welche ein öffentliches Ärgernis erregen oder einen Straftatbestand erfüllen, generell bis zu ihrer Ausnüchterung in einer Gefängniszelle inhaftiert oder unter polizeilicher Überwachung in einem Spital untergebracht werden müssen. An den Kosten müssten sich die Störefriede in jedem Fall beteiligen.
Damit könne verhindert werden, dass gewalttätige Personen, wie etwa der Angreifer von Lütolf, einfach auf freien Fuss gesetzt werden.
Der Regierungsrat hält an der bisherigen Praxis fest
Der Regierungsrat hat mittlerweile auf den Vorstoss geantwortet und lehnt diesen ab. Als Begründung gibt der Kanton an, dass der Polizeigewahrsam und die vorläufige Festnahme einen schweren Eingriff in die Grundrechte darstelle. Deshalb dürfen diese nur unter besonderen Umständen angeordnet werden. «Das blosse Erregen öffentlichen Ärgernisses rechtfertigt die einschneidende Massnahme des Polizeigewahrsams mit der damit verbundenen Einschränkung der Bewegungsfreiheit nicht», heisst es in der Antwort. Wenn möglich seien mildere Massnahmen anzuordnen, etwa eine Rückführung an den Wohnort.
Der Vorschlag von Lütolf und Vogt ist aber noch nicht definitiv vom Tisch. Der Vorstoss wird im Grossen Rat behandelt werden. Stimmt ihm die Mehrheit zu, ist der Regierungsrat verpflichtet, ihn umzusetzen.