
Nach Lehrerentlassung wegen Sex-Chat: Hat Wettingen nicht gefragt oder Dulliken nicht informiert?
Im Fall des 42-jährigen Lehrers, dem Kinderpornografie und sexuelle Handlungen mit Minderjährigen vorgeworfen werden, stellt sich die Frage, weshalb dessen Verfehlungen nicht viel früher bekannt wurden. In Dulliken SO wurde der Mann im März 2013 fristlos entlassen. Grund der Kündigung war ein Sex-Chat, den der Lehrer mit einer Schülerin hatte. Ausserdem hatte der damals 35-jährige Lehrer eine sexuelle Beziehung mit einer Minderjährigen.
Nur zweieinhalb Monate nach der Entlassung in Dulliken unterrichtete der Mann in Wettingen wieder. Er wurde Anfang Juni 2013 als Stellvertreter angestellt, wie Samuel Kern, Geschäftsleiter Schule in Wettingen, auf Anfrage der AZ mitteilt. Von den Vorfällen am letzten Arbeitsort des Lehrers wussten die Verantwortlichen in Wettingen nichts. «Bei der Anstellung konnte der Lehrer uns einen einwandfreien Strafregisterauszug und ein sauberes Arbeitszeugnis vorweisen. Wir hatten damals keine Kenntnisse über die fristlose Entlassung», hält Kern fest.
Der Geschäftsleiter Schule in Wettingen sagt weiter, das Bewerbungsgespräch mit Lehrpersonen werde nach dem Vier-Augen-Prinzip immer von zwei Schulleitenden geführt. Dem späteren Wahlantrag an die Schulpflege müsse neben dem Lebenslauf des Bewerbers ein aktueller Strafregisterauszug und das Arbeitszeugnis der letzten Anstellung beiliegen.
Dulliker Behörden wehren sich gegen Vorwürfe
Im Fall des Lehrers, der bei der Befragung durch die Polizei zugab, eine «verbotene Beziehung» mit einer Minderjährigen gehabt zu haben, war dies die Schule Dulliken. Wie ist es möglich, dass ein Lehrer, der aus diesen Gründen entlassen wird, vom alten Arbeitgeber ein sauberes Arbeitszeugnis erhält?
«Grundsätzlich ist die Schule Dulliken verpflichtet, ihren Mitarbeitenden ein wohlwollendes Arbeitszeugnis auszustellen», sagt Gemeindepräsident Walter Rhiner. Der Grund für eine fristlose Kündigung dürfe im Zeugnis nicht erwähnt werden, trotzdem müsse es der Wahrheit entsprechen. Zwischen diesen Ansprüchen an ein Arbeitszeugnis liegt laut Rhiner ein Zielkonflikt.
«Im Zeitpunkt der Ausstellung des Arbeitszeugnisses lag der Schule Dulliken kein sogenannter ‹Sex-Chat›, sondern unangebrachte Textnachrichten vor. Deshalb konnte das Zeugnis keinen Hinweis auf einen ‹Sex-Chat› enthalten», hält er fest. Die Schule Dulliken habe jedoch auf die Nähe des Lehrers zu seinen Schülerinnen und Schülern hingewiesen und klar festgehalten, dass das Arbeitsverhältnis vonseiten der Schule beendet worden sei, betont Walter Rhiner.
Haben die Wettinger Schulleiter trotz dieser Einträge im Arbeitszeugnis des entlassenen Lehrers in Dulliken nicht nachgefragt? Samuel Kern sagt, er sei 2013 noch nicht Geschäftsleiter der Wettinger Schulen gewesen. «Deshalb kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob eine mündliche Referenz eingeholt wurde.» Er sei derzeit in den Ferien und habe deshalb keinen Zugriff auf Schulakten. «Ich weisse aber, dass wir aus Dulliken keine Informationen über die fristlose Entlassung und die Verfehlungen des Lehrers erhalten haben», sagt er.
Der Dulliker Gemeindepräsident Walter Rhiner entgegnet: «Gemäss den uns heute vorliegenden Informationen erfolgte seitens der Schule Wettingen im Zeitpunkt der Anstellung des Lehrers keine Nachfrage über den Entlassungsgrund.»
Bei tatsächlichen Referenzanfragen von anderen Schulen sei diesen mitgeteilt worden, dass sich der Lehrer in Chats mit einer Schülerin ausgetauscht habe. Dabei sei es zu unangemessenen Anspielungen gekommen, welche zur fristlosen Kündigung führten. Strafbare Handlungen des Lehrers seien der Schule Dulliken nicht bekannt. Rhiner sagt: «Wenn die Schule Wettingen eine Referenzauskunft eingeholt hätte, wäre ihr die gleiche Auskunft erteilt worden.»
Bildungsdepartement wusste bisher von nichts
In Wettingen unterrichtete der Lehrer von Anfang Juni 2013 bis Ende Juli 2018 auf mehreren Schulstufen. Samuel Kern sagt, der Mann habe sich in dieser Zeit nichts zuschulden kommen lassen. Der Schulleitung seien von Eltern zwar Gerüchte zugetragen worden, «dass bei ihm etwas nicht stimmt». Man habe daher erneut einen Strafregisterauszug des Lehrers verlangt, dieser war aber wieder blank. «Offenbar gab es keine Strafanzeigen von Eltern oder Schülerinnen.»
Kern sagt weiter, durch die Kantonswechsel – der Lehrer arbeitete zuerst in Brittnau AG, dann in Dulliken SO, dann in Wettingen AG und zuletzt in Zürich – seien die Verfehlungen für die Behörden schwerer nachvollziehbar.
Die Verhaftung des Lehrers im März dieses Jahres und die massiven Vorwürfe gegen ihn waren dem Bildungsdepartement nicht bekannt. Sprecherin Sascha Katja Giger sagt, das Departement sei bisher nicht involviert worden. «Wir kennen den Fall nur aus den Medien, weshalb wir uns nicht weiter dazu äussern können.»