
Neues Brandschutzgesetz: Kaminfeger dürften teurer werden
Der Grosse Rat hat dem Brandschutzgesetz in der zweiten Lesung zugestimmt. Damit verbunden ist auch die Liberalisierung des Kaminfegerwesens. Sofern das fakultative Referendum nicht ergriffen wird, wird diese Liberalisierung per 1. Januar 2022 in Kraft treten. Ueli Lütolf, Präsident des Aargauer Kaminfegermeisterverbandes und Gemeindeammann in Villmergen, erklärt im Gespräch mit der AZ, was sich im nächsten Jahr für die Betreiber von Feuerungsanlagen im Kanton ändert.
Verantwortung liegt neu bei den Gebäudeeigentümern
«Bisher», sagt Lütolf, «lag die Verantwortung für die Sicherheit der Feuerungsanlagen bei den Gemeinden. Mit dem Vollzug haben sie die Kaminfegermeister beauftragt. Sie sind verantwortlich dafür, dass in den von ihnen betreuten Gemeinden alle Feuerungsanlagen in den entsprechenden Fristen kontrolliert und wenn nötig gewartet werden. Entlöhnt werden die Kaminfeger nach einem festen Tarif.» Neu, erklärt der Verbandspräsident, dürften Kaminfeger nicht mehr bloss in den ihnen fest zugeteilten Gemeinden arbeiten, sondern im ganzen Kanton, und das ohne einen vorgeschriebenen Tarif.
«Mit der Liberalisierung», erläutert Ueli Lütolf, «entscheidet künftig nicht mehr die Gemeinde, wer die wärmetechnischen Anlagen überprüft. Die Gebäudeeigentümer wählen ihren Kaminfeger oder ihre Kaminfegerin selber. Sie sind neu aber auch für die Betriebssicherheit ihrer Heizsysteme verantwortlich.» Die Kaminfeger würden es als Vorteil erachten, die bisherige Hauptverantwortung für die Betriebssicherheit der wärmetechnischen Anlagen abgeben zu können.
Reinigungspflicht und Fristen bleiben
An der generellen Unterhaltspflicht der Feuerungsanlagen ändert sich grundsätzlich nichts: «Der Kanton und die Aargauische Gebäudeversicherung AGV halten an der Reinigungspflicht und deren Fristen fest. Die Anlagen müssen weiterhin in zweckmässigen Abständen sowie nach Vorgaben der Hersteller und den Empfehlungen des Verbandes Kaminfeger Schweiz überprüft und gewartet werden», erklärt Ueli Lütolf.
Weil der kantonale Tarif wegfalle, stehe es den Kaminfegerinnen und Kaminfegern ab Januar 2022 frei, wie sie ihre Preise gestalten würden. Zudem könnten sie ihre Tätigkeit auf das ganze Kantonsgebiet ausweiten. «Aus unternehmerischer Sicht ergeben sich durch die Öffnung ganz neue Möglichkeiten», sagt Lütolf, «die Kaminfeger erhalten die Chance, sich auf dem Markt neu zu positionieren, zusätzliche Betriebsfelder anzubieten und sich damit der Energiestrategie des Bundes anzupassen.»
Schon jetzt sei das Dienstleistungsangebot ausgeweitet worden. Die Reinigung von Öl-, Gas- und Holzheizungen gehöre zwar nach wie vor zum Kerngeschäft. Im Zeitalter der erneuerbaren Energien bieten viele Kaminfeger jedoch auch den Unterhalt von Wärmepumpen, Lüftungs- und Solaranlagen oder Energieberatungen an.
Der Kaminfeger wird wohl kaum billiger
«Das Angebot», sagt Ueli Lütolf, «wird also umfassender. Allerdings dürften auch die Preise steigen, wie wir das in jenen Kantonen beobachten, in denen die Liberalisierung bereits vollzogen ist.» Künftig müssten die Kaminfeger mit Werbekosten sowie zusätzlichem Betriebsaufwand rechnen: «Die Organisation des Kaminfegerdienstes wird komplexer als bisher. Wir müssen vor allem mit längeren und somit kostenintensiveren Anfahrtswegen rechnen.» Allerdings: Dort, wo die Kundschaft mit der bisherigen Arbeit bisher zufrieden gewesen sei, würden sich die Änderungen in Grenzen halten. «Wenn es gewünscht wird, kann der bisher zuständige Kaminfeger das Aufgebot zur Wartung auch weiterhin zustellen und so die Betriebssicherheit der wärmetechnischen Anlage garantieren», sagt Lütolf.
Eine vollständige Liberalisierung des Kaminfegerberufes sei ohnehin nicht vorgesehen. Kanton und Gebäudeversicherung verlangten aus Gründen der Sicherheit, dass nur eidgenössisch diplomierte Kaminfegermeisterinnen und Kaminfegermeister sowie Kaminfeger-Vorarbeiterinnen und -vor- arbeiter mit eidgenössischem Fachausweis für die selbstständige Arbeitsausführung zugelassen würden. Ausserdem müsse diese Fachperson auf der von der Aargauischen Gebäudeversicherung (AGV) geführten öffentlichen Liste registriert sein.
Bei Schäden droht Regress von den Versicherungen
Gebäudebesitzer im Aargau dürfen also ab 2022 nicht einfach ihren Nachbarn, der zufällig gelernter Kaminfeger ist, mit der Wartung der Feuerungsanlagen beauftragen. Und sie dürfen diese Wartung auch nicht vernachlässigen: «Die ganze Verantwortung über die Sicherheit der Anlagen liegt nach den neuen Bestimmungen beim Besitzer. Wenn er den Unterhalt vernachlässigt, können die Versicherungen im Schadenfall Regress nehmen», sagt Lütolf. Konkret könne das bedeuten, dass das AGV nach einem Brand die Leistungen kürze.
Kaminfegerpräsident Ueli Lütolf erklärt abschliessend: «Das Angebot des kommunalen Brandschutzes und der amtlichen Feuerungskontrolle von Öl, Gas und Holz ist schon seit Jahren liberalisiert. Damit vorhandene Synergien weiterhin optimal genützt werden können, macht es Sinn, diese Arbeiten weiterhin als Kombination anzufordern.» Die Gemeinden, sagt Lütolf, würden auch künftig einen Brandschutzbeauftragten und einen zuständigen Feuerungskontrolleur bestimmen, weil sie weiterhin für den Vollzug verantwortlich sind.
Allfällige brandschutztechnische Mängel, die bei Kaminfegerarbeiten festgestellt würden, müssten dem Anlageeigentümer zur direkten Behebung rapportiert oder bei grösseren Mängeln dem kommunalen Brandschutzbeauftragten gemeldet werden. Dennoch: «Seit über 100 Jahren und damit über sehr viele Generationen hinweg haben die Kaminfeger im Aargau die Betriebssicherheit aller wärmetechnischen Anlagen verantwortet. Mit der Liberalisierung des Kaminfegerwesens geht diese grosse Verantwortung jetzt an die Eigentümer.»