Niederlenz sagt wegen angeblicher Räben-Knappheit den Kinderumzug ab – Bauern wundern sich

«Ohne Räben kein Räbeliechtliumzug», heisst es im aktuellen Infoblatt der Gemeinde Niederlenz, dem «Dorfgeischt». Zusätzlich zur Unsicherheit wegen der Pandemie mache dem Umzug dieses Jahr das schlechte Wetter einen Strich durch die Rechnung: «Es gibt fast keine Räben!»

Als Ersatz ruft die Schule zu einem Lichterabend auf: Am 9. November von 18 bis 20 Uhr sollen individuell gestaltete Lichter – die Kinder würden diese vorgängig auch in der Schule basteln – die Strassen und Gärten schmücken. Doch gibt es wirklich überall zu wenig Räben? Und wenn ja, warum?

Räben bringen dieses Jahr eine der besten Ernten

Einer der wenigen Bauern, welche die Kohlart in der Region noch anbauen, ist Hansueli Lüscher aus Muhen. Rund 2000 Stück liefert er jedes Jahr für Räbeliechtli aus. Am Telefon gibt er sich erstaunt über die angebliche Knappheit: «Wir können überhaupt nicht jammern.» Andere Kulturen hätten im Frühling unter dem Frost und im Sommer unter den Wassermassen gelitten (etwa Zuckerrüben und Mais). Die Räben als Herbstgemüse – gesät hat Lüscher sie am 20. Juli – seien aber gut davongekommen: «Sie hatten weder zu wenig noch zu viel Regen.»

Auch Christoph Hagenbuch, der Präsident des Bauernverbands Aargau, baut Räben an – dies in Oberlunkhofen. Er bestätigt Lüschers Aussagen: «Der Räbenertrag ist sehr gut und vergleichbar mit dem letzten Jahr. Viele andere Sorten brauchten mehr Aufwand als sonst, und das für die Hälfte des Ertrags.» Wer noch Räben brauche, solle sich also bei ihm melden, fügt er an.

Biberstein: «Wir würden nach Alternativen suchen»

Von einer Knappheit weiss man auch in anderen Gemeinden nichts. So zum Beispiel in Biberstein, wo es von Seiten der Schulleitung heisst, man habe die Räben bereits bei einem Lieferanten bestellt und bis jetzt nichts davon gehört, dass dieser nicht liefern könnte. Falls tatsächlich keine Exemplare vorhanden wären, würde man Alternativen suchen. Auch in den Niederlenzer Nachbargemeinden Möriken-Wildegg, Lenzburg oder Rupperswil soll es laut Schulwebsite entsprechende Anlässe geben. Dazu lassen etwa Staufen, Kölliken, Schöftland oder Suhr auf Anfrage ebenfalls verlauten, die Umzüge würden Stand heute stattfinden.

Die Tetrapak-Laternen in Mandach.

Die Tetrapak-Laternen in Mandach.

zvg

Trotzdem: Das erste Mal ist es nicht, dass im Kanton Aargau ein Umzug aus ähnlichen Gründen ins Wasser fällt. Bereits 2018 musste die Schulleitung in Mandach improvisieren. Dies, da die regionalen Räben wegen Hitze und Trockenheit zu klein gerieten. Letztendlich setzte man damals auf Lämpchen aus Tetrapak.

Doch selbst wenn sie genug gross geraten, ist die Räben-Beschaffung nicht einfach. So bestätigt denn auch Bauer Lüscher, dass immer mehr Bauern aus der Produktion aussteigen – als er klein war, habe es im Dorf noch rund 20 Produzenten gegeben, heute sei er der einzige. Unter anderem, weil die Räbe mit viel Arbeit verbunden sei: Sie müsse von Hand geschnitten werden. «Wir haben den Vorteil, dass wir dafür unsere Erdbeerpflückerinnen einsetzen können», so Lüscher.

Coop verkauft am meisten Räben im Oktober und November

Trotzdem sind Räben beliebt, dies vor allem bei Bastel- und Schnitzfans. Als Nahrungsmittel werden sie indessen kaum noch verwendet, wie die Bauernzeitung schon 2017 berichtete. «Die meisten Abverkäufe stellen wir jeweils im Vorfeld der regionalen Räbeliechtliumzüge im Oktober und November fest», bestätigt Coop-Mediensprecher Dean Fuss. Die diesjährige Nachfrage bewege sich dabei im üblichen Rahmen. Bezogen werden die Räben für die Verkaufsregion Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich von Lieferanten aus Birmenstorf und Kerzers FR – bisher hätten diese keine Schwierigkeiten bei der Ernte gemeldet.

Ähnlich klingt es bei der Migros Aare. Die Nachfrage sei seit Jahren konstant, so Mediensprecherin Andrea Bauer – auch dieses Jahr: «So wie es aussieht, können wir unsere Nachfrage decken.» Die Migros bezieht ihre Räben im Seeland und bisher sei es nicht nötig gewesen, neue Produzenten zu finden. Die Schule Niederlenz war aufgrund der Herbstferien nicht für Nachfragen erreichbar.