Nirgendwo ist die Waffendichte höher als im Aargau: Bewilligungen für verbotene Waffen nehmen zu

Letztes Jahr sind in keinem anderen Kanton so viele Waffenerwerbsscheine pro 1000 Einwohner ausgestellt worden wie im Aargau. Laut einer Umfrage und Berechnungen des «Tages-Anzeigers» kommen im Aargau 7,7 Waffenscheine auf 1000 Einwohner. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 4,5. Mit dem hohen Wert liegt der Aargau einsam an der Spitze. An zweiter Stelle folgt der Kanton Genf mit 6,1 Waffenerwerbsscheinen pro 1000 Einwohner, gefolgt vom Kanton Schwyz mit 5,9 Scheinen pro 1000 Einwohner und Baselland mit 5,8.

Im Aargau prüft die Fachstelle Sicherheit, Waffen, Sprengstoff (SIWAS) der Kantonspolizei die Waffenerwerbsgesuche. Wer einen Waffenerwerbsschein beantragt, muss einen Auszug aus dem Strafregister beilegen, bestätigen, dass er weder einen Beistand hat, noch an einer Krankheit leidet, die für den Umgang mit Waffen ein erhöhtes Risiko darstellen könnte. Ausserdem erlaubt die gesuch-stellende Person der Behörde, diese Informationen nachzuprüfen, insbesondere bei der Polizei, den Straf-, Vormundschafts- und Verwaltungsbehörden.

Nur wenige Gesuche abgelehnt

2017 hat die Fachstelle SIWAS 5134 Erwerbsscheine ausgestellt. 2018 waren es 4611 Gesuche (Stand Oktober). Nicht statistisch erfasst wird die Anzahl Gesuche. Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei, kann nur sagen, «dass etwa zwei bis drei Prozent der Gesuche abgelehnt werden». Die Gründe seien psychische Probleme, Suchterkrankungen oder Gewaltdelikte.

Die Frage, warum es ausgerechnet im Kanton Aargau die höchste Waffendichte hat, lässt sich nur schwer beantworten. Der Regierungsrat schrieb im Februar in einer Antwort auf eine Interpellation der GLP-Fraktion, in den vergangenen Jahren sei die Anzahl Schiesskeller angestiegen, «sodass von einer vermehrten sportlichen Schiesstätigkeit auszugehen ist». Das Feldschiessen erfreut sich im Kanton Aargau traditionell grosser Beliebtheit. 10 395 Aargauerinnen und Aargauer legten sich am diesjährigen Eidgenössischen Feldschiessen an 31 Schiessplätzen hinter das Gewehr.

Abgesehen vom Anstieg von Schiesssport-Anlagen sind für den Regierungsrat «keine objektiven Gründe erkennbar, welche die Zunahme von Gesuchen zu erklären vermöchten». Die Regierung weist explizit darauf hin, dass «auch die Terroranschläge im benachbarten Ausland kein plausibler Grund für einen vermehrten Erwerb von Schusswaffen sind». Der blosse Besitz von Schusswaffen biete keinen zusätzlichen Schutz vor terroristischen Gewalttaten. «Ein Waffenerwerbsschein erlaubt kein Mittragen von Schusswaffen im öffentlichen Raum», so die Regierung.

Wer einen Waffenschein beantragt, muss auch den Erwerbsgrund angeben, sofern er die Waffe nicht zu Sport-, Jagd- oder Sammelzwecken anschaffen will. In den meisten Fällen würden denn auch Sport- und Sammelzwecke aufgeführt. «Nur selten wird als Grund Selbstverteidigung angegeben», schreibt die Regierung in der Antwort auf die Interpellation der GLP-Fraktion.

Strengere Regeln gelten für jene Waffen, die eigentlich verboten sind, wie zum Beispiel Seriefeuerwaffen, Messer, Maschinengewehre, Schalldämpfer und Nachtsicht-Zielgeräte. Wer eine solche Waffe erwerben will, braucht eine Ausnahmebewilligung. Im laufenden Jahr wurden im Aargau 255 solche Bewilligungen ausgestellt (Stand Oktober). Das sind deutlich mehr als im Vorjahr (173) und fast viermal so viele wie 2014. Damals wurden nur 68 Ausnahmebewilligungen erteilt.

Bei Jägern beliebt

Die Zunahme sei vor allem auf den vermehrten Gebrauch von Nachtsicht-Zielgeräten und Schalldämpfern zurückzuführen, sagt Kapo-Sprecher Graser. Beides komme hauptsächlich auf der Jagd zum Einsatz. «Die Nachtsicht-Zielgeräte sind inzwischen von der Jagdverwaltung zugelassen worden und erfreuen sich in Jagdkreisen offensichtlich zunehmender Beliebtheit», so Graser. Auch Schalldämpfer setzen die Jäger ein: «Aus Rücksicht auf das Gehör der Jagdhunde», wie der Polizeisprecher erklärt. Ausnahmebewilligungen für Seriefeuerwaffen sind laut Graser für Sammelzwecke bestimmt. Gesuche für Laser-Zielgeräte oder Messer würden hingegen «nur selten bewilligt».

Wie bei den Waffenerwerbsscheinen erfasst die Fachstelle SIWAS auch bei den Ausnahmebewilligungen nicht, wie viele Gesuche abgelehnt werden. «Allgemein kann gesagt werden, dass Ausnahmebewilligungen nur dann erteilt werden, wenn keine Hinderungsgründe nach Waffengesetz vorliegen, der Gesuchsteller mindestens fünf Jahre Waffenbesitzer ist, mindestens zehn Waffen besitzt und zu keinen Beanstandungen mit Waffen Anlass gegeben hat», sagt Graser. Dank dieser Anforderungen habe die Fachstelle Gewähr, den Gesuchsteller zu kennen. «Anders gesagt, will man so verhindern, dass bislang unbekannte Personen mit der ersten Waffe gleich eine Ausnahmebewilligung erhalten», so Graser.

Wer einmal über eine Ausnahmebewilligung verfügt, wird periodisch überprüft. «Die Fachstelle Siwas oder zum Teil auch unsere Stützpunkte besuchen die Inhaber einer Ausnahmebewilligung für Seriefeuerwaffen – meist Waffenhändler – mindestens alle fünf Jahre einmal», sagt Graser. Dabei werde kontrolliert, wie die Waffen aufbewahrt werden.

Hält sich jemand nicht an die Weisungen, kann ihm als Konsequenz zum Beispiel die Ausnahmebewilligung entzogen werden. Wie oft dies in den vergangenen Jahren nötig war, erfasst die Fachstelle in keiner Statistik. Graser hält aber fest, «dass die Inhaber solcher Ausnahmebewilligungen kaum zu Klagen Anlass geben». Werde trotzdem eine Bewilligung entzogen, dann meistens, weil der Inhaber psychische Probleme habe, suchtkrank sei oder im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt aufgefallen sei.

Tod durch unregistrierte Waffen

Die GLP-Fraktion hat dem Regierungsrat in ihrer Interpellation auch Fragen zu Tötungsdelikten und Suiziden gestellt. 2016 gab es im Aargau zwei Tötungsversuche und eine vollendete Tötung mit Schusswaffen. «Keine der verwendeten Tatwaffen war in der Schweiz registriert», schreibt der Regierungsrat. Alle Täter hätten denn auch Hinderungsgründe für den Besitz und Erwerb von Waffen gehabt, hätten also kaum einen Waffenschein erhalten. Gleich verhält es sich mit dem Tötungsdelikt im Jahr 2017. Weder der Schütze noch die Waffe waren laut Regierungsrat registriert. Bei Suiziden, die in den letzten Jahren mit einer Schusswaffe verübt worden waren, verhält es sich ähnlich: Nur eine Minderheit der verwendeten Waffen war registriert.