
Nur die Hälfte der Aargauer Spitäler bildet genügend Pflegekräfte aus – wer die Vorgaben erfüllt und wer zu wenig tut
In der Schweiz fehlen Pflegefachkräfte. Bereits heute können offene Stellen oft erst nach einer gewissen Zeit besetzt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Pflegefachpersonen aus dem Beruf aussteigen oder in den nächsten Jahren pensioniert werden. Im Kanton Aargau erreichen in den nächsten zehn Jahren 914 Pflegekräfte das Pensionsalter. Das entspreche rund einem Sechstel aller aktuell beschäftigten Pflegefachpersonen in den Spitälern, hielt die Regierung im März 2020 in seiner Antwort auf einen Vorstoss von Mitte-Grossratsmitgliedern fest.
Obwohl laufend Nachwuchs ausgebildet wird, kann der Bedarf an Fachkräften nicht gedeckt werden. Laut Prognosemodell des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums fehlen in der Schweiz bis im Jahr 2030 14’500 diplomierte Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. Beim Pflege- und Betreuungspersonal der Sekundarstufe II (Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit) sind es 5500 Personen.
Im Kanton Aargau sind die Spitäler, Pflegeheime und Spitex-Organisationen seit 2012 verpflichtet, nicht-universitäres Gesundheitspersonal auszubilden. 2016 hat der Kanton ein Bonus-Malus-System eingeführt. Seither werden überdurchschnittliche Ausbildungsleistungen mit einem Bonus belohnt. Institutionen, die ihre Ausbildungspflicht nicht erfüllen, müssen einen Malus bezahlen. Als erfüllt gilt die Ausbildungspflicht, wenn ein Betrieb 90 Prozent des berechneten Ausbildungspotenzials erreicht.
Das Gesundheitsdepartement legt für jeden Betrieb anhand der Anzahl Vollzeitstellen die Soll- Ausbildungsleistung fest und teilt diese mittels Verfügung den Betrieben in der Regel im Juni mit.
Spitäler nehmen Ausbildungspflicht inzwischen ernster
Im Jahr 2020 haben die Aargauer Spitäler ihre Ausbildungspflicht zu 100,6 Prozent erfüllt. Die Pflegeheime erreichten einen Erfüllungsgrad von 103,8 Prozent. Die Spitex-Organisationen haben das Ausbildungspotenzial zu 91,3 Prozent erreicht – und liegen damit ebenfalls noch über dem erforderlichen Erfüllungsgrad von 90 Prozent.
Der Vergleich mit dem Jahr 2013 zeigt, dass die Gesundheitsinstitutionen ihren Ausbildungsauftrag inzwischen ernster nehmen. Die Spitäler erreichten 2013 nur gerade einen Erfüllungsgrad von 44,5 Prozent. Die Spitex-Organisationen waren damals die einzigen, die einen Wert von über 80 Prozent erreicht haben.
Seit der Einführung der Ausbildungsverpflichtung 2012 haben die Lernenden- und Studierendenzahlen im Aargau zugenommen. 2012 starteten 247 Personen die Ausbildung als Fachangestellte Gesundheit. 2020 waren es 487 – also fast doppelt so viele. Auf Tertiärstufe hat sich die Anzahl ausgebildeter Fachkräfte seit 2012 von 80 auf 160 mehr als verdoppelt.
Mit der Ausbildungsverpflichtung sei eine der wichtigsten Massnahmen für ausreichend ausgebildetes Pflegefachpersonal eingeleitet worden, so die Regierung in ihrer Antwort auf den Mitte-Vorstoss.
Nicht alle Spitäler und Heime sind vorbildlich
Gleichzeitig zeigt die Detailauswertung des Gesundheitsdepartements Unterschiede zwischen den Institutionen. Von den insgesamt 28 ausbildungsverpflichteten Spitälern erreichten letztes Jahr nur die Hälfte ihr Ausbildungssoll. Weitere neun Spitäler lagen im Toleranzbereich – also zwischen 90 bis 100 Prozent. Fünf Spitäler erreichen den Toleranzwert nicht und haben damit ihre Ausbildungspflicht nicht erfüllt.
Die Pallas Kliniken AG und die Augenklinik Orasis haben 2020 gar kein Gesundheitspersonal ausgebildet. Die Spitäler Muri (81,83 Prozent) und Menziken (83,91 Prozent) sowie die Privat- Klinik im Park Bad Schinznach AG (86,84 Prozent) haben den Toleranzwert von 90 Prozent ebenfalls unterschritten.
Das Kantonsspital Aarau (KSA) liegt mit einem Erfüllungsgrad von 96,86 Prozent innerhalb des Toleranzbereichs. Das Kantonsspital Baden (KSB) und die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) haben ihren Ausbildungsauftrag mit 105,71 Prozent beziehungsweise 117,3 Prozent übertroffen.
Von den 103 Pflegeheimen erreichten letztes Jahr 54 ihr Ausbildungssoll. Weitere 25 Heime lagen im Toleranzbereich. 24 Pflegeheime erfüllten ihren Ausbildungsauftrag nicht. Am schlechtesten abgeschnitten, haben die 73 Spitex-Organisationen. 2020 erreichte fast die Hälfte den Toleranzwert von 90 Prozent nicht.
Ob die Institutionen, die ihrer Ausbildungspflicht 2020 nicht nachgekommen sind, tatsächlich einen Malus zahlen müssen, lässt sich aus diesen Zahlen jedoch nicht automatisch schliessen. Für die Abrechnung beziehungsweise die Ermittlung eines Bonus oder Malus sind jeweils die letzten drei Jahre relevant.
Ausbildungsleistungen der Aargauer Spitäler 2020
Medizinische Institution | Ausbildungspflicht erfüllt zu |
---|---|
Klinik für Suchttherapie | 271.98% |
GZF AG, Spital Rheinfelden | 134.22% |
Reha Rheinfelden | 124.59% |
Psychiatrische Dienste Aargau AG | 117.30% |
Klinik für Schlafmedizin Bad Zurzach | 115.97% |
ZURZACH Care AG | 114.72% |
aarReha Standort Spital Zofingen | 106.82% |
Klinik Im Hasel AG | 106.20% |
Kantonsspital Baden AG | 105.71% |
Klinik Barmelweid AG | 103.51% |
ZURZACH Care Rehaklinik Baden-Dättwil | 100.02% |
Klinik Schützen, Schützen Rheinfelden AG | 100.00% |
Asana Spital Leuggern AG | 98.93% |
Spital Zofingen AG (KSA Gruppe) | 98.44% |
Rehaklinik Bellikon | 98.19% |
aarReha Schinznach | 97.62% |
Klinik Villa im Park | 97.04% |
Kantonsspital Aarau AG | 96.86% |
Salina Medizin AG | 93.97% |
Medizinisches Zentrum Brugg AG | 92.45% |
Skinmed AG Lenzburg | 90.51% |
Hirslanden Klinik Aarau | 90.29% |
GZF AG, Spital Laufenburg | 90.00% |
Privat-Klinik im Park Bad Schinznach AG | 86.84% |
Asana Spital Menziken AG | 83.91% |
Spital Muri | 81.83% |
Augenklinik Orasis | 0.00% |
Pallas Kliniken AG | 0.00% |
Berufsbezeichnungen
Pflegefachpersonen
Die offizielle Berufsbezeichnung lautet diplomierte Pflegefachfrau bzw. diplomierter Pflegefachmann. Pflegefachpersonen haben eine höhere Berufsbildung auf Tertiärniveau, an einer höheren Fachschule oder Fachholschule, abgeschlossen.
Fachfrau/Fachmann Gesundheit
Unter Anleitung von Pflegefachpersonen arbeiten Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit, kurz FaGe. Sie haben eine dreijährige Lehre (Sekundarstufe II) abgeschlossen.
Assistent/Assistentin Gesundheit und Soziales
Assistentinnen und Assistenten Gesundheit und Soziales absolvieren eine zweijährige Attestausbildung (früher: Anlehre)