
Nur seine Katze darf ihm zuhören
Er hat die Tierarztpraxis zu einem KMU gemacht, ja zu einem mittleren Unternehmen: Peter Beck. Dabei haben es ihm nicht die Tiere, die Muh machen, angetan. Er und seine Compagnons, die sich vor 30 Jahren entschlossen hatten, die Tierklinik Aarau West zu gründen, behandeln Kleintiere. Haustiere, keine Grosstiere. Kunststück: Beck ist in der Stadt Zürich aufgewachsen, mit Kontakt zu Vögeln, Meerschweinchen, Hunden, Katzen, nicht aber zu Kühen und Pferden.
«Ich hab schon während der Lehre gemerkt, dass Elektriker nicht das ist, wofür mein Herz schlägt», sagt der Mann, der im Juni 65 wird. Er machte an der Kantonalen Maturitätsschule die Matura, und allmählich entwickelte sich die Medizin als treibender Faktor, erzählt er. «Das Schöne am Beruf des Tierarztes ist die Vielfältigkeit, die ganze Breite; das ist enorm spannend.» In der Humanmedizin beobachtete er, was heute immer mehr auch für die Veterinärmedizin zutrifft: Spezialisierung.
Aus dem Kleinbetrieb entsteht eine Tierklinik
Dass aus der Tierarztpraxis, die er vor 30 Jahren mit zwei Kollegen, Andres Brändli und Christoph Gloor, gegründet hat – «drei, vier Zimmerli, zwei Operationszimmer» – ein Grossbetrieb mit rund 110 Angestellten würde, war damals nicht abzusehen. Beck spricht von einem «dynamischen Prozess»: Mehr Menschen halten sich Haustiere, und sie haben ihre Ansprüche ans Wohlergehen ihrer Lieblinge.
Er relativiert die Zahl der Angestellten; etwa ein Drittel sei jeweils da. «Ein Betrieb rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 24 Stunden, braucht viel Personal.» Der Vorteil der Grösse: Man konnte sich schon früh qualifizierte Fachkräfte und eine moderne Infrastruktur leisten, die in einer kleinen Praxis nicht möglich war.
Auf den Anfang in einer ehemaligen Kartonfabrik folgte nach zehn Jahren ein erster Neubau und in den Jahren darauf wurde weiter auf- und angebaut. Schub und Bestätigung gaben der grössten Tierklinik der Schweiz auch die Auszeichnung zum «Aargauer Unternehmen des Jahres 2016».
Auch andere Tierärzte überweisen ihre kranken oder verletzten Tiere nach Oberentfelden, wo sie von Spezialistinnen – Beck spricht durchaus positiv von einer Feminisierung des Berufs – behandelt werden: Chirurgie, Medizin, Ophthalmologie (Augen), Dermatologie (Haut), Kardiologie (Herz), Neurologie (Nerven), Zahnmedizin. Auch Physiotherapie und Alternativmedizin werden angeboten. Als «Gemeinschaftswerk» bezeichnet Beck, seit 25 Jahren Verwaltungsratspräsident des Unternehmens, die Tierklinik.
Im Stellenwert der Tiere widerspiegle sich der wirtschaftliche und gesellschaftliche Zeitgeist. «Ein Tier mit einem Beinbruch einschläfern zu lassen, ist heute kein Thema», sagt er. Mann und Frau lassen sich sein und ihr Haustier etwas kosten. Und das Tier übernimmt die Funktion eines Familienmitglieds, ja gar eines Partners. Er kenne Menschen, die ohne Tier nicht lebensfähig wären, denn das Tier bietet eine Aufgabe; der Mensch muss für jemanden sorgen, «ein unglaublicher Wert». Zu 95 Prozent werden in Oberentfelden Katzen und Hunde behandelt. Vögel, Schildkröten oder Meerschweinchen seien die Ausnahme. Da kommt die Zootierspezialistin zum Zug. Oder man schickt Tiere wie Hühner, Schwäne oder Schlangen zu Spezialisten.
«Corona hat viele Menschen auf den Hund gebracht», sagt Beck. Mehr Zeit. Der Zwang, sich mit dem Hund zu bewegen, ein Fitnessmotivator. Im Trend seien eher kleinere Hunde, was wohl mit der Wohnform von Single-Haushalten zu tun hat. Kampagnen der Tierärzte gegen Modehunderassen «mit medizinischen Baustellen von Anfang an» haben in seinen Augen gefruchtet. Er ist gespannt darauf, was passiert, wenn die Zeiten sich wieder normalisieren. Denn: Wer ein Haustier hält, übernimmt Verantwortung für mehrere Jahre. Die Wahl des Tieres will gut überlegt sein; der Charakter ist wichtiger als das Aussehen. Es gilt, den Aufwand, zeitlich und finanziell, realistisch einschätzen. Becks Tipp: Sich von einem seriösen Züchter über sein Wunschtier informieren lassen.
Stiftung Pro Anicare hilft herrenlosen Tieren
Peter Beck strahlt, wenn er von einem Kaiserschnitt bei einer Katze erzählt, die «sechs kleine Würstchen» auf die Welt gebracht hat. Den Wert von Tieren kann er nicht in Worte fassen. Tiere im Altersheim wirkten erwiesenermassen gegen zu hohen Blutdruck. Gestresste Männer fahren herunter, wenn die Katze sie bei ihrer Heimkehr spätnachts erwartet.
«Der Wert ist nicht messbar, trotzdem existiert er», sagt er aus eigener Erfahrung. Er hat nämlich eine Katze: «Angefahren gefunden, geflickt, niemand wollte sie, so kam ich zu meinem Tier.» Und er schliesst nicht aus, dass auch ein Hund, Rasse spielt keine Rolle, in ihm noch einen Kameraden findet. Tierheime sind voll. Sympathie entscheidet.
Ende Mai geht Peter Beck in Pension, ist aber noch einen Tag pro Woche in «seiner» Klinik für Kunden da, zu denen sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Trotzdem hat er mehr Zeit fürs Biken, Segeln und für die Stiftung Pro Anicare, eine Herzensangelegenheit, die sich für Tiere einsetzt: Notversorgung für verletzte herrenlose Tiere, Blutbank für Tiere, Unterstützung von Igelstationen als Beispiele. Schliesslich will der Vater zweier erwachsener Kinder noch das Klavierspiel erlernen. Peter Beck lacht: «Die Katze ist die Einzige, die mir zuhören darf.»