Oberes Suhrenthal: «Vier Meliorationen – ein gemeinsames Ziel»

ZUR PERSON

Maëlle Mühlethaler ist als Fachspezialistin Melioration beim Kanton Aargau in der Abteilung Landwirtschaft tätig. Sie ist für die Melioration in Staffelbach, Reitnau, Attelwil und Moosleerau zuständig.

 

 

 

 

Was ist speziell an der modernen Melioration im oberen Suhrental?

Maëlle Mühlethaler: Speziell ist, dass das geplante Wasserbauprojekt, also der Bau eines Hochwasser-Rückhaltebeckens in Staffelbach mit Revitalisierung der Suhre, der Auslöser für die Melioration war. Vom Kanton wurde der Talboden in den Meliorationsperimeter aufgenommen, der dann von Staffelbach, Attelwil, Reitnau und Moosleerau erweitert worden ist. Jetzt ist jeweils fast das ganze Landwirtschaftsland im Perimeter. Speziell ist auch, dass mehrere Gemeinden involviert sind. Für eine umfassende Lösungsfindung und Bedürfnisabklärung wurde nicht nur jede Gemeinde einzeln, sondern mittels Grundlagenerhebung alle Gemeinden gemeinsam betrachtet.

Nur eine Melioration für alle vier Gemeinden, das war keine Option?

Nein, das würde aufgrund des grossen Perimeters von mehr als 900 Hektaren nicht funktionieren. Die Ausgangslage ist in den vier Gemeinden unterschiedlich komplex, einige Gemeinden drängen darauf, vorwärtszumachen, andere stecken noch mitten in der Diskussion über den Grundsatzentscheid Melioration Ja oder Nein. Jede Gemeinde hat andere «Probleme», die es in einer Melioration zu lösen gilt und somit auch einen anderen, eigenen Kostenverteiler.

Gab es im Kanton Aargau schon einmal eine solch grosse Melioration?

Die Reusstal-Melioration dauerte von 1967 bis 1999 und umfasste sieben Gemeinden. In neuerer Zeit wurden aber keine so grossen Meliorationen mehr durchgeführt.

Die beteiligten Gemeinden wünschen sich einen Landabtausch über die Gemeindegrenzen hinweg. Gibt es das oft?

Normalerweise umfasst der Meliorationsperimeter eine Gemeinde. Wenn es aufgrund der Bewirtschaftung oder der Massnahmen sinnvoll ist, werden auch Teile von benachbarten Gemeinden aufgenommen.

Und im aktuellen Fall: Wird dieser grenzüberschreitende Landabtausch möglich sein?

Das wird sogar angestrebt. Der Kanton möchte, dass die Melioration umfassend und nicht mit kleinen Pflästerli durchgeführt wird. Problematisch könnte allerdings werden, dass wir in Moosleerau schon weiter sind als beispielsweise in Reitnau. Im Laufe des Verfahrens können Einsprachen die einzelnen Projekte unterschiedlich verzögern. Vielleicht müssen die Gemeinden aufeinander warten, damit dieser Landabtausch realisiert werden kann. So würde man auch dem ursprünglichen Gedanken von einer einzigen Melioration wieder näher kommen.

In drei der vier beteiligten Gemeinden entscheidet die Gemeindeversammlung über die Melioration. In einer Gemeinde die Eigentümerversammlung. Was ist der «Normalfall»?

Das Aargauer Landwirtschaftsgesetz hält beide Optionen offen. Allerdings hat bisher erst bei zwei Projekten, nebst dem Suhrental, die Gemeindeversammlung über die Durchführung entschieden. Die Eigentümerversammlung war bisher der Normalfall. Das könnte sich in Zukunft ändern, denn Meliorationen liegen im öffentlichen Interesse: Sie verbessern das Standortpotenzial der Gemeinde. Darum ist die Gemeindeversammlung als Entscheidungsinstanz keine schlechte Idee.

Wie oft werden die Hektar-Kosten der Landwirte wie in Moosleerau gedeckelt?

Eigentlich gibt es das gar nicht. Das Landwirtschaftsgesetz sieht vor, dass sich die Landwirte gemäss dem Vorteil, den sie aus der Landumlegung gewinnen, an den Kosten beteiligen. Mit einem Deckelbeitrag wird dieses Vorteilsprinzip ausgehoben. Manchmal spricht eine Ortsbürgergemeinde oder eine Einwohnergemeinde einen Beitrag an die Melioration, die dann den Gesamtbeitrag der Landwirte reduziert.

Was passiert, wenn Reitnau keine Melioration durchführen würde?

Das ist noch nicht klar. Grundsätzlich könnten die drei anderen Projekte alleine durchgeführt werden. Aber: Das Bundesamt für Landwirtschaft prüft den Perimeter und gibt das OK. Der Perimeter muss laut Gesetz natürlich oder wirtschaftlich abgegrenzt sein. Nun stellt sich die Frage, ob der Perimeter Attelwil, aufgrund der Gemeindefusion, ohne Reitnau noch diesen Bedingungen entspricht. Eventuell müssten in diesem Fall doch noch Gebiete von Reitnau zum Perimeter dazugenommen werden. Und: Die Melioration wird ja unter anderem aufgrund des Hochwasser-Rückhaltebeckens und der Suhre-Renaturierung durchgeführt. Gibt es in Reitnau keine Melioration, wird trotzdem auf dem Gemeindegebiet die Suhre renaturiert. Das braucht Land, es würde wohl zu Enteignungen kommen. Bei einer Melioration könnte das Land ohne Enteignungen beschafft werden.