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Kampf gegen Littering: Warum die Gemeinde nun doch nicht auf Videoüberwachung setzt 

Was tun gegen Littering? Viele Gemeinden und Städte setzen auf die Videoüberwachung des öffentlichen Raums. In der Stadt Baden zum Beispiel werden die Hotspots mit über 300 Kameras gefilmt.

Aus Sicht der Polizei mit einem positiven Effekt, wie Stadtpolizeichef Martin Brönnimann vor einiger Zeit erklärte:

«Es ist schon auffällig: Seit wir zum Beispiel die Kameras auf der Ruine Stein installiert haben, herrscht Ruhe.Vom einen Tag auf den anderen.»

Brönnimann weiter: «Und Videos von anderen Standorten haben uns schon bei diversen Ermittlungen geholfen, wir konnten schon oft die Täterschaft identifizieren. Diesbezüglich haben die Kameras in meinen Augen ihre Berechtigung.»

In Badens Nachbargemeinde Obersiggenthal (Bevölkerungszahl: 8650) hiess es noch diesen Sommer, man wolle ebenfalls verstärkt auf Videoüberwachung setzen.

Ein Bild aus dem Jahr 2018: Fritz Erni und Annemarie Marti sammeln in Nussbaumen Abfall, der weggeworfen wurde.

Das Littering konzen­triert sich auf die Standorte beim Gemeindehaus und ganz besonders beim Markthof. Zudem sind auch das Bachmattareal, der Kappi-See, die Schulhausareale und die Grillstellen von ­Littering betroffen. «Wir hoffen natürlich, Abfallsünder durch Videoüberwachung abzuschrecken», sagte Frau Gemeindeammann Bettina Lutz Güttler (Ausgabe vom 13. Juli).

Identifikation der Abfallsünder ist schwierig

Doch nun teilt die Gemeinde mit, dass sie wohl doch nicht auf Videoüberwachung setzen werde. In einem Bericht an den Einwohnerrat schreibt der Gemeinderat: «Mittlerweile wurden die Anzahl und Standorte der Kameras sowie die für den Betrieb erforderliche Grundinfrastruktur und Ressourcen bestimmt.» Gestützt darauf sei eine grobe Kostenschätzung vorgenommen worden. Im Bericht heisst es:

«Der entsprechende Betrag bewegt sich im sechsstelligen Bereich und ist damit dermassen hoch, dass der Gemeinderat stark darauf tendiert, das Geschäft nicht weiterzuverfolgen.»

Im Jahr 2022 rechnet Obersiggenthal mit einem Minus von einer halben Millionen Franken beim operativen Ergebnis. Und der Finanzplan sieht für die kommenden Jahre jeweils rote Zahlen und einen Anstieg der Nettoschulden auf 41 Millionen Franken – 4500 Franken pro Kopf – im Jahr 2026 vor.

Bettina Lutz-Güttler. 

Bettina Lutz Güttler erklärt: «Wir müssten rund 300’000 Franken investieren nur schon für den Kauf und die Installation der Kameras und vor allem für zusätzliche IT-Infrastruktur. Dazu kämen noch jährliche Ausgaben für den Unterhalt und den Betrieb. Wir möchten in finanzieller Hinsicht andere Prioritäten setzen.» Der Nutzen von Videoüberwachungskameras habe sich in der Vergangenheit zudem als fraglich herausgestellt. «Bei der alten Sammelstelle im Markthof war eine Kamera aufgestellt, die manchmal tatsächlich Menschen filmte, die Abfall illegal entsorgten. Doch das Problem war anschliessend, die Personen identifizieren und bestrafen zu können.»

Stattdessen will Obersiggenthal nun auf Prävention und Aufklärung setzen. «Allein auf Repression zu setzen, greift zu kurz, weil in diesem Moment Littering bereits passiert ist.» Der Gemeinderat möchte dieser Erscheinung mit einem Massnahmenmix entgegentreten. «Dabei sollen die Sensibilisierung und Information der Bevölkerung und damit die Prävention im Vordergrund stehen.» Geplant seien unter anderem die Durchführung eines Clean-up-Days, eines Informationsanlasses im Markthof, Ausstellungen und die Einbindung der Schulen sowie der ­Jugendarbeit.

Zwei bis drei Anzeigen pro Jahr

Private Sicherheitsdienste seien in ihren Möglichkeiten sehr eingeschränkt, heisst es im Bericht weiter. «Wenn sie bei ihren Rundgängen am Kappi-See und auf den verschiedenen Gemeindearealen auf Personengruppen stossen, ermuntern sie diese, Ruhe und Ordnung einzuhalten.»

Leider habe die Stadtpolizei Baden keine Kapazität, um die Entsorgungsstellen dauerhaft zu überwachen, so der Gemeinderat weiter. «Wenn der Baudienst jedoch im unkorrekt entsorgten Abfall Hinweise auf die Urheberschaft findet, wird Anzeige erstattet. Dies geschieht etwa zwei- bis dreimal pro Jahr.»

Den Anstoss zur Debatte hatte vor rund zwei Jahren die SVP-Fraktion mit einem Postulat mit dem Titel «Bedarfsabklärung Massnahmen gegen Littering an den öffentlichen Entsorgungsplätzen der Gemeinde» gegeben.

SVP-Einwohnerrat Lukas Füglister sagte an der Sitzung vom 28. November 2019 zum Littering: «Es ist schlichtweg eine Sauerei.» Und: Es sei nicht Auftrag der Gemeinde, «Abfall zu entsorgen für Leute, die das Gefühl haben, ihren Abfall einfach irgendwo deponieren zu können.»